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Ein Headhunter gibt Karriere-Tipps

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Ein Headhunter gibt Karriere-Tipps

  • Interview: Helene Aecherli; Fotos: SXC

Energie und Erfolgshunger: Das sind die Karriere-Schlüsselworte. Sagt Bjørn Johansson, einer der erfolgreichsten Headhunter der Welt. Er jagt seit 33 Jahren die Besten für die Besten.

ANNABELLE: Bjørn Johansson, definieren Sie bitte in einem Satz, was Sie unter Karriere verstehen.
BJØRN JOHANSSON: Karriere heisst vorwärtskommen, wachsen, in der Verantwortung, im Einkommen, aber auch als Mensch.
Sie behaupten, dass Sie innert dreissig Sekunden erkennen, ob ein Kandidat Ihr gesuchter Mann beziehungsweise Ihre gesuchte Frau ist. Wie spielt sich das ab?
Da muss ich kurz ausholen: Bevor ich einen Kandidaten treffe, weiss ich genau, was für eine Person mein Klient braucht, kenne die Firma, ihren CEO, den Verwaltungsrat, die Unternehmenskultur, den Stallgeruch. Und ich habe Vorinformationen über den Kandidaten, weiss, wie alt er oder sie ist, was er studiert, wo er gelebt und gearbeitet hat und was man über ihn sagt. Ob Klient und Kandidat schliesslich zusammenpassen, darüber entscheide ich intuitiv. Das letzte Wort liegt natürlich beim Auftraggeber.
Auch Intuition braucht Anhaltspunkte. Welche sind es bei Ihnen?
Das kann die Kleidung sein, die Art, wie er mich begrüsst, der Augenkontakt, der Händedruck, das Aussehen, seine Ausstrahlung. Wenn mein Klient 1.98 Meter gross ist, ein offener Typ und sportlich, und dann kommt jemand, der klein ist, in sich gekehrt und professoral, dann kann ich mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die beiden nicht harmonieren werden.
Wie oft haben Sie sich in Ihrer Einschätzung geirrt?
Sehr selten.
Wie muss der Händedruck sein, damit man gut ankommt?
Lieber zu stark als zu weich. Der Händedruck muss sitzen. Auch der Augenkontakt. Dazu gehört, dass man einander auf gleicher Augenhöhe begegnet, sein Gegenüber nicht übermässig bewundert, aber auch nicht auf es herabsieht. Und es ist wichtig, wie man auf einem Stuhl sitzt. Bewegt man sich ständig hin und her und nutzt seinen Bürostuhl in alle Himmelsrichtungen aus, kann das irritierend sein.

Die Schlüsselworte: Energie und Erfolgshunger

Gibt es so etwas wie ein karriereförderndes Outfit?
Nicht wirklich. Klar, der Dresscode hängt von der Firma und sogar vom Land ab. Wenn Sie sich bei Google vorstellen, kommen Sie ja nicht zu formell. Anders natürlich, wenn Sie ein Gespräch in einer Privatbank haben.
Wie viel Individualismus darf sein?
Es ist nie negativ, wenn sich eine Frau oder ein Mann typgerecht und stilvoll anzieht. In der Businesswelt gibt es jedoch ausser Fiat-Chef Sergio Marchionne, der Rollkragenpullover trägt, oder Swatch-Chef Nick Hayek, der meist krawattenlos auftritt, kaum jemand, der sich individuell kleidet. Die meisten tragen Uniform: dunkler Anzüg, Krawatte, Hemd. Bei den Frauen ist es ähnlich. Aber ehrlich gesagt – im Prinzip ist es irrelevant, wie sich jemand kleidet.
Jetzt widersprechen Sie sich aber.
Kleidung ist gut für den ersten Eindruck, ist ein Ausdruck der Persönlichkeit, okay. Aber danach zählt einzig die Frage: Liefert diese Person mehr als der Durchschnitt? Es dreht sich alles um Leistung und Ergebnisse. Denn in der Wirtschaft ist es wie im Sport: Wenn du ganz vorn dabei sein willst, musst du härter arbeiten als alle anderen. Ich habe am letzten WEF den US-Schwimmer Michael Phelps getroffen, der an Olympischen Spielen insgesamt 18 Goldmedaillen gewonnen hat, und ihn gefragt, was er anders gemacht hat als seine Kollegen. Er sagte: Er habe 365 Tage im Jahr trainiert. Selbst an Heiligabend und an Thanksgiving. Das ist der Punkt.
Nehmen wir an, zwei Personen sind für einen Job gleich gut qualifiziert. Warum macht die eine eher Karriere als die andere?
Weil es fast nie vorkommt, dass zwei gleich gut qualifiziert sind. Der eine ist vielleicht hungriger als der andere oder hat mehr Energie. Energie und Hunger, das sind die Schlüsselworte.

Ob Mann oder Frau spielt keine Rolle

Wie stark fällt es ins Gewicht, ob einer der Kandidaten ein Mann oder eine Frau ist?
Wir suchen nach der besten Person für den Job. Ob dies ein Mann oder eine Frau ist, ist egal.
Hauptsache, der Appetit stimmt.
Genau. es gibt sehr viele Leute, die sind nicht so hungrig, die sind zufrieden mit ihrem Leben und ihrem Einkommen. In den Gesprächen mit meinen Kandidaten diskutiere ich deshalb ihr Ambitionsniveau. Ich frage: «Auf einer Skala von 1 bis 10, wie ambitiös sind Sie?» Der Kandidat antwortet dann vielleicht: «7 bis 8.» Ich hake nach: «Wie sah es vor zehn Jahren aus?» Sagt er: «Etwa 8 bis 9» oder gar «5 bis 6», muss er erklären, was in dieser Zeit passiert ist
Man kann aber auch zu hungrig sein.
Klar, aber die Frage ist: Genügt es einem, wenn man teilnehmen kann, oder will man eine Medaille gewinnen? Das ist der Unterschied. Nicht alle wollen gewinnen. Und leider verlieren gerade Frauen häufig diesen Killerinstinkt.
Warum?
Das hat primär nichts mit dem Geschlecht zu tun. Es gibt in allen Sportarten Frauen, die Rekorde brechen. In der Wirtschaft aber verlieren sie den Killerinstinkt durch den Wunsch, Kinder zu haben. Noch immer steigen viele Frauen nach dem ersten oder zweiten Kind aus der Geschäftswelt aus. Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen, ist schlicht zu anstrengend. Das gilt auch für Männer, die sich in der Familie engagieren.
Frauen stehen bei Ihnen also trotz allem weniger auf der Kandidatenliste.
Falsch. Ich habe immer mehr Klienten, die eine Stelle explizit mit einer Frau besetzen wollen. Letztes Jahr hatte ich den Auftrag, für einen Weltkonzern eine Finanzchefin zu suchen. Ich fand sie in den USA.
 

Glück, Zufall und Kontakte legen die Weichen zum Erfolg

Genügen ein knurrender Magen und überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft tatsächlich, um Karriere zu machen?
Nein, es braucht auch Glück und Zufall.
Was aber nicht selten ausgerechnet jenen beschieden zu sein scheint, die nicht unbedingt die Besten sind.
Das ist so. Wenn Sie sich die Leute ansehen, die in den Achtziger- und Neunzigerjahren nach oben gekommen sind, werden Sie erkennen, dass bei ihrem Aufstieg Glück und Zufall eine grosse Rolle gespielt haben. Ich will keine Namen nennen, aber ich wundere mich, wie es passieren konnte, dass gewisse Personen in dieser Grossbank oder jener Firma so weit gekommen sind.
Aber was heisst das nun für mich im mittleren Management, die vorwärtskommen will? Muss ich mit den wichtigen Jungs zum Feierabendbier, um dem Zufall nachzuhelfen?
Ja, unter Umständen schon. Man sollte im Rotary-, Lions- oder Kiwanis-Club dabei sein, in der Swiss–American Chamber of Commerce oder in der Handelskammer Deutschland–Schweiz, man sollte Artikel schreiben und sie in Tageszeitungen publizieren. Man muss sich bewegen, unter Menschen gehen und sich nicht einfach im Fitnessstudio oder vor dem Fernseher verschanzen.
Welche Codes innerhalb einer Firma gilt es zu lernen?
Die Codes sind von Firma zu Firma, von Land zu Land, von Kultur zu Kultur verschieden. Aber Loyalität zu einer Firma gibt es kaum mehr, das macht es schwieriger. Früher ging man zu IBM oder zur Kreditanstalt und ist sein Leben lang dort geblieben. Heute grassiert Arbeitslosigkeit, Konkurrenzkampf, in vielen Ländern muss man froh sein, überhaupt einen Job zu bekommen. Um in diesem Umfeld überleben zu können, braucht es auch die Gabe, für sich selber schauen zu können. Ganz besonders in den Chefetagen: Dort ist die Luft dünner geworden, das Risiko höher, ebenso das Tempo, die Saläre, die Transparenz, zudem ist der Druck der Investoren, Politiker und Medien gewaltig. Die Amtsdauer eines CEO beträgt heute nur noch rund 3.8 bis 4.2 Jahre.
Ich fasse zusammen: Um in einem Unternehmen weiterzukommen, braucht es Hunger, Ellbogen und eine grosse Portion Egoismus. Ein düsteres Bild.
Warum? Jeder muss für sich wissen: Will ich nach vorn kommen oder nicht? Nicht alle können CEO werden. Dazu muss man bedenken, dass sich die Wirtschaftswelt gewandelt hat und komplexer ist als je zuvor. Nehmen wir das Beispiel Schweiz: Bis vor 15 Jahren gab es hierzulande nur eine Firma, die ein internationales Management hatte, das war Nestlé. Heute, 2013, haben von den 23 grössten Firmen in der Schweiz 11 eine rein ausländische Führungscrew. Einzig Coop und Migros haben noch ein schweizerisches Management. Das ist die neue Welt, in der wir uns befinden. Aber die birgt auch Chancen.

Mehr Risikobereitschaft

Chancen auch für mich im mittleren Management?
Ja. Der Plafond von ausländischen Führungskräften ist erreicht, es braucht jetzt wieder mehr Schweizer. Und: Nicht nur Ausländer in der Schweiz können Karriere machen, sondern auch ich als Schweizer in dieser globalisierten Welt, zum Beispiel in Deutschland, Skandinavien, England oder China. Nur: Wer will das hier schon aufgeben? (Er zeigt von seinem Fenstersessel aus über den Zürichsee.) Alles funktioniert, alles ist sicher, die Steuern sind relativ tief, alle beneiden uns. Wer will von hier weg?
Sie plädieren dafür, Sicherheit und Bequemlichkeit aufzugeben?
Will ich als 30-Jähriger in dieser neuen Welt Mitspracherecht haben, unbedingt. Die grossen Player sind heute China und Indien. Also gehe ich dorthin und lerne die Sprache und Kultur. Und: Ich bin bereit, in einem weit weniger bequemen Umfeld einen Job anzunehmen, wenn es für meine Karriere förderlich ist. Eine andere Option ist: Ich schraube meinen Hunger zurück, gehe keine Risiken ein und verabschiede mich von all dem Karrierezeugs.
Das ist nun aber sehr radikal. Es gibt doch auch andere Formen von Karriere. Etwa eine eigene Firma gründen.
Sicher! Ich glaube sogar, dass frisches Unternehmertum die Rettung für uns ist, hier im wirtschaftlich angeschlagenen Westeuropa. Gerade im Kleinunternehmertum liegen grosse Chancen, besonders für Frauen. Deshalb sage ich: Realisiert euere Träume und Ideen und gründet eine Firma!
Denken Sie dabei an Nagelstudios oder Kosmetiksalons?
Warum nicht? Es können aber auch Beratungs- und Kommunikationsunternehmen sein oder Anwaltskanzleien oder Kindergärten. Only the Sky is the Limit!

— Headhunter Bjørn Johansson (65) ist Podiumsgast beim Business Talk annabelle am 10. April im Kaufleuten in Zürich. Infos und Anmeldung auf annabelle.ch/businesstalk
 

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