Gülsha Adilji über die Legalisierung von Cannabis, Psychopharmaka und Cannabis als «Einstiegsdroge».
Jetzt mal ehrlich, how is this still a Thing? Jungpolitiker standen schon kiffend für die Legalisierung von Cannabis auf irgendwelchen Kanzeln, da wurde Kaffee noch in Kilosäcken verkauft und nicht in Hightech-Kapseln. Es wird schon so lange für die Legalisierung dieser – ich zitiere – «Einstiegsdroge» gekämpft, dass ich nur mit den Augen rollen kann. Sollte man sie vernünftigerweise nicht einfach durchwinken und sich den echten Problemen widmen? Wie zum Beispiel allem anderen? Und ich sage das als Nichtkifferin. Gras bedeutet mir nichts, ich finde es sogar absurd, wenn man als Ü30er noch die Tüte rumreicht; es sind nicht mehr die Siebziger.
Aber wenn jemand kiffen mag, wieso nicht? Ich verbiete ja auch niemandem den Apéro. So würde ich nämlich das Kiffen einstufen: als Feierabendbier zum Inhalieren. Im Gegensatz zu Politikern oder gewissen Eltern beunruhigt mich das Kiffen nicht im geringsten. Was hingegen tatsächlich zum Denken anregen sollte, sind Drogen, die legal über die Theken wandern. Ich habe neun Jahre in einer Apotheke mitten in der Stadt Zürich gearbeitet und wage zu behaupten, dass viele Ärzte die Füllfeder zu schnell zücken, um Psychopharmaka zu verordnen. Dies häufig auch auf Drängen der Patienten, welche Klugscheisserologie im Internet studiert haben. Xanax, Temesta, Stilnox und Co. wurden gar nicht so selten gegen Sachen wie Flugangst oder als Einschlafhilfen verschrieben. Diese Medikamente wirken direkt auf das zentrale Nervensystem. Sie können Patienten in physische oder psychische Abhängigkeit treiben, und zwar ganz legal, auf Empfehlung des Arzts und auf Kosten der Krankenkasse. Schlafmittel, die den Schlafrhythmus ins Abseits katapultieren, Neuroleptika gegen Migräne oder Antidepressiva, welche die Biochemie des gesamten Hirns beeinflussen.
Ich möchte ganz bestimmt nicht Erkrankungen, für die Psychopharmaka verschrieben werden, verharmlosen: Ich bin froh, können wir die medizinischen Errungenschaften des 21. Jahrhunderts nutzen. Vielleicht wäre aber eine Stunde Sport oder ab und zu ein Joint viel weniger schädlich und hilfreicher gegen innere Unruhe, Kopfschmerzen oder Schlafprobleme. Laut Experten ist Cannabis auch weniger gesundheitsschädigend als Alkohol oder Tabak. Natürlich weiss ich nicht, wer diese Experten sind, aber es stand irgendwo im Internet, dann muss es wohl stimmen. Es scheint bei keinem anderen Thema – ausser vielleicht bei Impfungen und Jay Zs Illuminati-Zugehörigkeit – so schwierig zu sein, an sinnvolle Informationen zu kommen. Ich rufe also nicht meine Rastas schüttelnd «Legalize it!», und noch viel weniger stehe ich mit grossen Plakaten vor dem Hauptsitz von Pharmakonzernen, um gegen Temesta und Xanax zu protestieren. Trotzdem bin ich für eine Legalisierung von Cannabis. Es könnte umfassender geforscht werden und ein regulierter Anbau und Vertrieb sich entwickeln, vielleicht sogar Bio und Fairtrade, anstatt dass der Markt zwielichtigen Dealern überlassen wird, die Salbei, Basilikum oder Rattenzähne ins Säckchen mischen.
Legalisieren heisst nicht, die Kontrolle zu verlieren und Teenager in die Drogensucht zu treiben. Legalisieren heisst, in der Gegenwart anzukommen. Ich rufe deswegen: «Wake up and smell the coffee!»