Das Duell von Sisis Untertanen
- Text: Larissa Hugentobler; Foto: Getty Images
Heute stehen sich an der EM in Frankreich Österreich und Ungarn gegenüber. Ein Blick in die (sportlichen) Geschichtsbücher zeigt: Die zwei Länder, einst im Staatenbund vereint, sollten auf dem Fussballplatz nicht unterschätzt werden.
Die ehemalige Monarchie Österreich-Ungarn liefert bis heute Stoff für vorweihnachtlichen Märchenzauber. Sisi, Kaiserin von Österreich, das Schloss Schönbrunn, die weichgezeichenten Landschaften, royale Liebe – alles, was die romantische Seele an kalten Wintertagen jeweils so braucht. Jetzt aber ist Juni 2016 und die Fussball EM bestimmt das Fernsehprogramm. Doch wer denkt, das eine habe doch mit dem anderen nichts zu tun, der irrt. Auch fussballerisch ist Österreich-Ungarn ein spannendes Phänomen. Politisch geht die ehemalige Monarchie seit 1918 getrennte Wege. Sportlich jedoch spalteten sich die beiden Nationen schon früher und gründeten 1901 (Ungarn) und 1904 (Österreich) ihre jeweiligen Nationalteams. An der WM Qualifikation 1985 trafen sie zum letzten Mal an einem internationalen Turnier aufeinander. Ungarn gewann den Match 3:1. Danach begegneten sich die zwei Nationen 30 Jahre lang nicht mehr auf dem internationalen Rasen. Heute Abend ist es nun aber wieder so weit. Grund genug, die Geschichte wieder aufzurollen.
Aktuell werden die Österreicher als Favorit ihrer Gruppe gehandelt, in der immerhin auch Portugal mit von der Partie ist. Diese Favoritenrolle ist überraschend, weil die Österreicher bisher erst einmal an einer EM teilgenommen haben. 2008 qualifizierten sie sich allerdings ohne viel Aufwand, denn als Co-Gastgeber mit der Schweiz waren sie automatisch bei der Meisterschaft dabei. Die Leistung der Mannschaft liess zu wünschen übrig: Sie schied bereits in der Gruppenphase aus. Nach dem grossen Elend rappelte sie sich ganz nach fussballerischer Manier wieder auf und engagierte 2011 den Schweizer Trainer Marcel Koller. Koller selbst spielte bereits für die Schweizer Nati an einer EM und soll das österreichische Fussballglück nun richten. Unter ihm spielte sich die Mannschaft ungeschlagen in das diesjährige Turnier.
Ungarn hingegen, einst fussballerisches Wunderkind, wusste in den letzten Jahren nicht so recht zu überzeugen. 1953 noch, spielte sich Ungarn im Wembley-Stadion in die Fussballgeschichte. Beim Freundschaftsspiel gegen England, das danach als «Jahrhundertspiel» in aller Munde war, erfanden sie nämlich die Position des hängenden Mittelstürmers. Kurz gesagt ist das ein Spieler, der eigentlich Stürmer ist, jedoch auch Aufgaben eines Mittelfeldspielers übernimmt und deshalb vom Gegner schwer einzuschätzen ist. Diesen Spielertyp setzten die Ungarn also erstmals ein und überrollten die Engländer damit regelrecht was ihnen zum 3:1-Sieg verhalf. Auch dank dieser Erfindung wurde Ungarn damals als Jahrhundertmannschaft gefeiert und bei der Weltmeisterschaft 1954 klar als Favorit gehandelt. Dort kam es dann jedoch zum «Wunder von Bern» – dem Finalspiel des Turniers – bei dem die favorisierten Magyaren den Weltmeisterschaftstitel Deutschland überlassen mussten. Nun qualifizierte sich das Team seit 44 Jahren erstmals wieder für eine EM, diesmal definitiv aus der Position des Aussenseiters. Können die Ungarn als Erfinder des Zauberwürfels «Rubik’s Cube» ihr Händchen – oder in dem Fall wohl eher «Füsschen» – für knifflige Situationen unter Beweis stellen. Nehmen sie ihr Wunder von Bern zur Inspiration und drehen das Schicksal um? Ein «Wunder von Saînt-Denis» gewissermassen, könnte dieses Jahr noch alle überraschen.
Die zwei Länder – einst im Staatenverbund vereint – werden heute als Gegner auf dem Fussballplatz aufeinandertreffen. Folgender Witz macht deshalb online die Runde: «Enkel: ‘Opa, komm, das Spiel Österreich-Ungarn beginnt’. Grossvater: ‘So? Und gegen wen spielen sie?’»
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Österreich und Ungarn verbindet nicht nur die gemeinsame Geschichte als Staatenverbund, sondern auch der Fussball. Die beiden Länder sind auf dem Fussballplatz immer wieder aufeinandergestossen, wie hier bei einem Match im Jahr 1930.