Die Band heisst Voice of Baceprot – Die Stimme des Lärms. Ihr Sound ist laut. Und die Texte rebellisch. Die drei Schülerinnen aus dem Westen der indonesischen Hauptinsel Java tragen auf der Bühne den Hijab und sind in Asien gerade der letzte Schrei. Ein Chat mit der Sängerin.
Auf der Festivalbühne in Garut, im Westen der indonesischen Hauptinsel Java, kracht es gewaltig. «Die korrupte Regierung killt die leuchtenden Kinderträume» – «The young generation jump to the hell.» Was da an rebellischem Höllenlärm aus den Boxen dröhnt, bewegt die pogende Masse – passt aber so gar nicht ins Bild, das sich auf der Bühne präsentiert: drei junge Frauen, Schülerinnen, die engelhaften Gesichter umrahmt von einem züchtigen Hijab, Haare, Hals und Schulterpartie bedeckt, die Beine in Skinnyjeans, dazu weisse Sneakers. Firdda Kurnia, 17 Jahre alt, ist die Leadsängerin von Voice of Baceprot (VoB). Thrashmetal würde man hierzulande sagen. «Hijabermetal», meint Firdda Kurnia in ihrem Instagram-Account selbstironisch. In Indonesien, dem grössten muslimischen Staat der Welt, sind Voice of Baceprot – der englische-sudanesische Name bedeutet Stimme des Lärms – der letzte Schrei. Gemeinsam mit ihren Bandkolleginnen, Schlagzeugerin Eusi Siti Aisyah (16) und Bassistin Widi Rahmawati (15), singt Firdda Kurnia über Umweltverschmutzung und das kaputte Schulsystem, über sexuelle Diskriminierung, zerstörte Gesellschaftsentwürfe und über die Heuchler in den Amtsstuben des Landes. Das Amateurvideo eines Konzerts in ihrer Heimatstadt zählt seit seiner Veröffentlichung Anfang Januar bereits 140 000 Klicks, auf Facebook folgen der Band knapp 7000 Fans, sie kommen aus Asien, Australien, Südamerika und Europa.
Kurnia spricht nur gebrochen Englisch. Telefonieren möchte sie nicht. Lieber kommuniziert sie schriftlich, am liebsten via Whatsapp: «Ich habe noch Bandprobe, Antwort kommt bald» – dazu drei Emojis, die Tränen lachen. Eineinhalb Stunden später vibriert das Handy: «Bin jetzt bereit» – Daumen hoch. Und dann erzählt Kurnia im Kurznachrichten-Staccato die Geschichte von VoB. Begonnen hat sie im Jahr 2014, im Theaterunterricht. Nachdem die Mädchen erfahren hatten, dass ihr Lehrer, Erza Satia, nicht nur Schauspieler, sondern auch Musiker ist, interessierten sich die Teenager mehr für seine Beats als für seine Textbücher. Erza Satia war der Neugier seiner Schülerinnen nicht abgeneigt, im Gegenteil: «Ich spürte ihre rebellische Ausstrahlung. Sie hatten Mut zur eigenen Meinung. Ich dachte, die Musik könnte ihnen eine Plattform bieten», erklärt er per Mail. Deshalb nahm er die drei Mädchen nach der Theaterprobe mit in sein Musikzimmer, drückte ihnen Gitarre und Bass in die Hand. Und drehte den Verstärker auf. Mit harten Rhythmen und fiesen Gitarrenriffs rebellieren die drei Musliminnen seither gegen Vorurteile: «Viele Menschen meinen, verschleierte Frauen seien schwach – das ist Blödsinn», schreibt Kurnia. Ihre Verschleierung sieht sie als religiöse Pflicht, aber auch als Schutzschild: «Mit meinem Hijab fühle ich mich stark, und ich merke, dass mir die Menschen mit Respekt begegnen.» Kurnia weiss, dass sich Religion und Musik nicht zuwiderlaufen, deshalb die Bezeichnung Hijabermetal: ein Bekenntnis zu ihrem Glauben, das der Liebe zum Thrashmetal nicht im Weg steht. Das sahen religiöse Hardliner in ihrer Heimatstadt Garut, im Westen Javas, freilich anders. Allein die Tatsache, dass sich drei junge Frauen zu einer Metalband formierten, hat im radikal-konservativen Westen des Inselstaats ein Tabu gebrochen. Dass die Band dabei noch Hijab trägt, goss zusätzlich Öl ins Feuer. Bei den ersten Konzerten gab es nicht nur Buhrufe, die Band wurde danach von einem virtuellen Shitstorm überflutet. «Metal verbinden eben viele mit teuflischem Gedankengut», meint Kurnia, als müsste sie sich dafür entschuldigen. Auch ihre Eltern waren geschockt, als sie von der Leidenschaft ihrer Tochter erfuhren: «Sie haben mir die Musik verboten, weil sie meinten, ich würde mir damit meine Zukunft verbauen.» Mittlerweile stünden ihre Eltern jedoch hinter ihr, versichert Fridda Kurnia – der Erfolg der Band dürfte das seine dazu beigetragen haben. Und was möchte sie mit ihrer Musik erreichen? «Meine Generation ist geprägt von schlechten Moralvorstellungen. Dagegen spielen wir an.» Welche Laster sie damit meint, führt Fridda Kurnia nicht aus, aber ihre Botschaft an die junge Rockergemeinde ist offenkundig – und gewiss auch im Sinn der religiösen Führer im Land: Keine Drogen, kein Alkohol, kein Sex vor der Ehe.
Auf der Bühne strotzt die junge Sängerin vor Selbstvertrauen. Sind die Verstärker aus, werden die Töne leiser. «Wir machen Musik über eine freie Welt», schreibt sie, «doch mein Leben ist nicht frei. Ich habe Regeln.» Mit ihren Auftritten – mittlerweile reissen sich Fernsehsender und Konzertveranstalter um die Band – haben VoB Fans zum Jubeln und Kritiker zum Schweigen gebracht. Ihre Rebellion ist zwar nur eine Rebellion im Kleinen. Doch dort beginnt für gewöhnlich auch alles Grosse. Und so träumen sie davon, die internationalen Bühnen zu bespielen. Am liebsten in den USA. Ein Traum, der schon bald in Erfüllung gehen könnte. Tom Morello, Gitarrist der US-Crossover-Band Rage Against the Machine, soll die drei Schülerinnen bereits für einen Auftritt gebucht haben, es wäre ihr erstes Konzert ausserhalb Indonesiens. Und danach? «Vielleicht Europa», meint Kurnia. Festlegen will sie sich nicht: «Wir wollen einfach dorthin, wo unsere Musik geliebt wird!»