Diese Dokus geben zu reden
- Text: Kerstin Hasse; Foto: Netflix
Drogenhandel, politische Machenschaften oder Doping: Fünf brisante Netflix-Dokumentationen.
Donald Trump wird das WEF in Davos besuchen, und die ganze Schweiz ist in Aufruhr. Auch knapp ein Jahr nach seiner Amtseinführung ist der US-Präsident auf Grund seiner teils wirren Aussagen und fragwürdigen politischen Entscheidung stark umstritten. Doch nicht nur Fragen aus der Politik, sondern auch Themen wie Klimaerwärmung, Drogenhandel oder Foodwaste werden uns in diesem Jahr beschäftigen – denn über die grossen Fragen, die uns im letzten Jahr begleiteten, müssen wir in diesem Jahr weiterdiskutieren. Deshalb sind folgende Netflix-Dokumentationen, die in den vergangenen Monaten erschienen sind, auch 2018 noch sehenswert.
«Dope»
Die USA werden noch immer von einer Drogenepidemie überschwemmt, Tausende Tote und zahlreiche Abhängige sind die Folge davon. Der Ursprung dieser Epidemie liegt bei der Pharmaindustrie und bei behandelnden Ärzten, die opioidhaltige Schmerzmittel an Patienten abgaben und so Tausende Menschen zu Abhängigen machten – und noch immer machen. Denn wenn die verschriebenen Mittel ausgehen, weichen die Leute auf Heroin aus. Seither gehören Menschen, die auf der Strasse oder an ihrem Arbeitsplatz wegen einer Überdosis zusammenbrechen, zum Alltag in den USA. Die Dokumentation «Dope» widmet sich in vier Folgen dem Drogenhandel in den USA; besonders spannend ist dabei, dass sie alle Seiten beleuchtet: die der Dealer, der Abhängigen und von Polizei und Justiz. Eine beeindruckende Dokumentation, die einen neuen Blick auf den Drogenhandel ermöglicht.
«Get me Roger Stone»
Auch über ein Jahr nach der Wahl von Donald Trump fragt man sich immer wieder: Wie konnte es nur so weit kommen? Einen Einblick in die Strategie von Trumps Wahlkampf gibt die Dokumentation «Get me Roger Stone», die das Leben und die Karriere des berüchtigten politischen Strategen Roger Stone beleuchtet. Stone ist ein langjähriger Weggefährte von Trump und eine Schlüsselfigur im Wahlkampf des heutigen Präsidenten. Die Stärke des Films sind die zahlreichen Interviews mit Stone, die einem vor Augen führen, wie sehr der 64-Jährige seine Rolle als düsterer Stratege geniesst. Stone, der Nixon zur Wiederwahl verhalf (und sich sein Porträt zwischen die Schulterblätter tätowieren liess) und später mit sehr umstrittenen Methoden Ronald Reagan und George W. Bush ins Weisse Haus brachte, macht vor der Kamera keinen Hehl daraus, dass er Moral für überbewertet hält. Er sagt Dinge wie: «Ich weiss um den Wert von Falschinformation» oder «Die Leute, die sagen, ich hätte keine Seele, keine Prinzipien, sind Verlierer, bittere Verlierer.» Korruption, dunkle Machenschaften, schmutzige Kampagnen – es heisst, Stone habe als Vorbild für die Figur Frank Underwood in «House of Cards» gedient – nach dieser Dokumentation scheint einem das alles andere als abwegig.
«The Day I met El Chapo»
Als Sean Penn im Januar 2016 ein Interview mit dem mexikanischen Drogenboss El Chapo im «Rolling Stones» veröffentlicht, fragen sich Leute auf der ganzen Welt: Wie hat es ein Hollywoodschauspieler geschafft, einen gesuchten Drogenboss, der wenige Monate zuvor aus einem mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis ausbrach, zu treffen und zu interviewen? Die Antwort lautet: Indem er sich mit der mexikanischen Schauspielerin Kate del Castillo anfreundete. Die Dokumentation «The Day I met El Chapo» setzt den Fokus auf del Castillo, die zusammen mit Penn den Drogenboss traf und sich dananch in einer Schlammschlacht mit den mexikanischen Medien und der Staatsregierung wiederfand. Als Zuschauer wird einem klar: Sowohl Sean Penn als auch Kate del Castillo sind Schauspieler mit einem grossen Geltungsdrang, die sich in der Rolle der politisch aktiven, mutigen Hollywoodstars gefallen. Penn, der sich laut Netflix während der Dreharbeiten nicht interviewen lassen wollte, kommt im Film nicht sonderlich gut weg, del Castillo, die die Dokumentation mitproduzierte, inszeniert sich ein wenig zu offensichtlich als Aktivistin, die einfach zu naiv war in ihrem Versuch, etwas Gutes zu tun. Dennoch ist es spannend zu verfolgen, wie es zu diesem bizarren Treffen kam, und vor allem, wie unterschiedlich die Gesellschaft mit Penn und del Castillo nach der Veröffentlichung des Interviews umging.
«Icarus»
Wenige Wochen vor den Olympischen Spielen in Südkorea wird noch immer heftig darüber diskutiert, dass die russische Delegation nach dem grossen Dopingskandal – bei dem enthüllt wurde, dass Russland das Doping fast aller Top-Athletinnen und Athleten staatlich organisiert hat – an den Spielen teilnimmt. Der Filmemacher Bryan Fogel rutschte mit seinem Film «Icarus» unverhofft in genau diesen Dopingskandal hinein, doch geplant war alles anders: Fogel wollte mit einem Selbstexperiment beweisen, dass das Anti-Doping-System im Radsport nichts taugt. Die Idee: Er dopt sich selbst und nimmt dann an der Haute Route, dem anspruchsvollsten Rennen für Amateur-Fahrer, teil. Ausgerechnet Grigori Rodtschenkow, der Chef des russischen Anti-Doping-Labors, begleitet Fogel auf seiner Reise. Was der Filmemacher aber nicht weiss: Rodtschenkow versorgt seit Jahren die russischen Sportler mit Dopingmitteln. Das wird während der Dreharbeiten publik, was die Dokumentation nochmals auf eine völlig neue Ebene hebt. Ein spannender Film – vor allem im Vorfeld zu Pyeongchang.
«Verdorben»
Wir wollen wissen, woher unser Essen kommt, doch darüber heute den Überblick zu behalten, ist fast unmöglich: Egal ob gepanschter Honig, Poulet aus übler Massentierhaltung oder Fisch, der seinen Weg durch dubiose Importfirmen auf unsere Teller findet – die Lebensmittelindustrie ist voll von unappetitlichen Machenschaften, die bestimmen, was wir essen. Die neu erschienene Netflix-Dokumentation «Verdorben» widmet sich diesen Fakten und zeigt auf brutal-ehrliche Weise auf, wie wenig wir über die Lebensmittel wissen, die wir zu uns nehmen. Das wirtschaftliche Interesse von teils korrupten Firmen ist es, das die Nahrungskette nach und nach zerstört – und wir als Konsumenten fördern dieses Verhalten blind, wenn wir nicht genauer hinsehen. Die Botschaft der mehrteiligen Dokumentation ist deshalb klar: Wir müssen kleiner und lokaler denken, wenn wir wollen, dass unsere Lebensmittel nachhaltiger – für Hersteller, Konsumenten und unseren Planeten – produziert werden. Das gilt bei uns in der Schweiz genau so sehr wie in den USA.