Wie geht man mit der Menstruation und dieser monatlichen Erinnerung an die Weiblichkeit um, wenn die eigene Geschlechtsidentität so gar nicht dazu passt? Trans Mann Richard (32) erzählt von seinen Erfahrungen.
«Als ich mit 13, 14 Jahren zum ersten Mal meine Periode bekam, war das kein Riesending. Und doch wollte ich die Menstruation rasch wieder loswerden. Das war deutlich vor meiner Transition. Rückblickend kann ich es einordnen und es ist logisch, dass ich die Periode ablehnte. Eines von ganz vielen Puzzleteilen, die im Rahmen der Transition plötzlich erklärbar wurden. Damals hat sich die Menstruation einfach wahnsinnig fremd angefühlt. Und ich war froh, dass ich mit 15 Jahren die Spirale bekam, welche die Menstruation stoppte und das Thema so für mich erledigte – vorerst.
Lange versteckte ich mich hinter dem Satz: ‹Ich definiere Weiblichkeit halt anders.› Den sagte ich auch zu meiner Schwester, als sie mich vor Jahren bereits fragte, ob ich trans sei. Ich wollte immer explizit männlicher sein, in allem. Das fing als Teenager mit einem Unisex-Parfum an. Das reichte aber nicht. Genauso wenig wie das erste Männer-Shirt. Es wurde immer mehr. Meine Haare trug ich schon lange kurz und ich wurde auf der Strasse bereits als Mann gelesen, bevor ich mich outete.
Irgendwo zwischendrin
Im Gespräch mit einem Freund kam es dann irgendwann raus: ‹Vielleicht bin ich ein Mann.› Er versicherte mir, dass er mich unterstützen würde, wenn ich transitionieren möchte. Da dachte ich mir, wenn alles den Bach runterginge, ich alles verlieren würde, meinen Job, meine Freund:innen, mein Umfeld – diesen Freund hätte ich immer noch. Er ist mir heute noch sehr wichtig.
Das Treffen mit einem Spezialisten bestätigte meine Ahnung. Und dann ging es schnell. Ich begann mit Hormonen, liess meinen Personenstand und meinen Namen ändern und die Mastektomie – sprich Brustentfernung – machen. Endlich konnte ich zum ersten Mal in meinem Leben mit Badehose in die Badi!
«Weil ich anfangs zu viel Testosteron nahm, löste dies bei mir eine deutlich stärkere Menstruation aus»
Und doch ging mir alles nicht schnell genug. Da fiel ich in ein ziemliches Loch, weil ich irgendwo zwischendrin war, das eine nicht mehr, aber das andere für mein Empfinden auch noch nicht fertig. Das war sehr schwierig.
Plötzlich wieder Blutungen
Zudem hatte ich zu Beginn der Transition wieder leichte Blutungen, weil ich meine Spirale bereits mehrere Jahre hatte. Und zu Beginn muss man bei der Hormontherapie den Testosteronspiegel erst einmal einstellen, denn der Körper wandelt überschüssiges Testosteron (das männliche Geschlechtshormon, Anm. d. Red.) in Östrogen (das weibliche Geschlechtshormon, Anm. d. Red.) um.
Weil ich anfangs zu viel Testosteron nahm, löste dies bei mir eine deutlich stärkere Menstruation aus. Das fand ich sehr schlimm. Und habe es auch komplett versteckt, ich hätte das nie jemandem erzählt, dass ich jetzt wieder meine Periode habe. Das war ja das komplette Gegenteil von allem, was ich im halben Jahr davor unternommen hatte. Heute hat sich das Thema dank Operationen glücklicherweise für mich erledigt.
Neugierige Fragen zum Stand meiner Transition
Es wäre schön, wenn die Menstruation ein Teil der trans Themen wäre, die in der Öffentlichkeit als selbstverständlich wahrgenommen würde. Doch dafür müsste man zuerst einmal eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft erreichen. Wenn wir dann an einen Punkt kommen, an dem die Mehrheit akzeptiert, dass es trans Männer gibt, die menstruieren, sind wir schon sehr, sehr weit.
«Ich wurde innert Kürze zu meinem eigenen Sprachrohr, meinem eigenen Anwalt»
Denn sogar in den Kliniken, die meine geschlechtsangleichenden Operationen durchführten, scheint es noch kaum ein Bewusstsein für den richtigen Umgang mit trans Patient:innen zu geben. Ich bin gerade im Spital aufgrund einer Infektion unterhalb der Leiste. Und selbst hier kommen Pflegende nicht auf die Idee, mir ein Tuch zu geben, damit ich beim Verbandswechsel nicht unten ohne auf dem Bett liege und dann neugierige Fragen zum Stand meiner Transition beantworten muss.
Unwissen mit Fakten und Wahrheit ersetzen
Ich wurde innert Kürze zu meinem eigenen Sprachrohr, meinem eigenen Anwalt. Bei jedem Spitalbesuch betreibe ich von meinem Bett aus Aufklärungsarbeit für Pfleger:innen, die am Thema interessiert sind, aber scheinbar nie etwas darüber gelernt haben in ihrer Ausbildung. Das macht schon müde. Andererseits denke ich, wenn ich tatsächlich als Betroffener der verfügbarste Experte für das Thema zu sein scheine, dann muss ich das zwangsläufig tun. Denn wer macht es sonst? Ich sehe mich ein Stück weit gezwungen, das Unwissen in den Köpfen der Leute mit Fakten und Wahrheiten zu ersetzen.
Es wäre grossartig, wenn es quasi ein trans Label geben würde für medizinische Einrichtungen. Dass man als trans Person von aussen wüsste: Diese Ärzt:innenpraxis oder dieses Spital ist geschult und auf das Thema sensibilisiert, da kann ich als trans Mann problemlos hingehen. Denn ich vermeide es grundsätzlich, zu Ärzt:innen zu gehen, weil ich nie weiss, ob diese trans Personen positiv gegenüberstehen. Oder überhaupt eine Ahnung vom Thema haben.» – Richard (32), Name der Redaktion bekannt