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Die Frauenquote in anderen Ländern: Wie machen es unsere Nachbarn?

Die Frauenquote in anderen Ländern: Wie machen es unsere Nachbarn?

  • Text: Helene AecherliIllustrationen: David Nydegger

Mehr Frauen im obersten Management – was tun andere Länder dafür? Quote per Gesetz oder freiwillige Zielvereinbarungen? Eine überraschende Rundschau zur Frauenquote in unseren Nachbarländern.

Die gute Nachricht kommt ausgerechnet aus jener Branche, die seit Jahren hauptsächlich Düsteres verlautbart: Die Grossbank Credit Suisse belegt in ihrer aktuellsten Studie, dass sich der Aktienkurs von Unternehmen mit mindestens einer Frau im Verwaltungsrat besser entwickelt als von vergleichbaren Firmen ohne weibliche Geschäftsleitungsmitglieder.

Das Auffallendste: Gerade in Zeiten von «Baisse-Phasen», von wirtschaftlicher Unsicherheit, so die Studie, schneiden Aktien von Firmen mit weiblicher Präsenz auf der Kommandobrücke am besten ab. Ausserdem haben sie höhere Eigenkapitalrenditen, weniger schwankende Erträge und sind in einem geringeren Mass verschuldet. Diese Erkenntnisse bringen eine Tatsache auf den Punkt: Soll die Wirtschaft florieren, müssen die Frauen mitentscheiden können.

So scheint es geradezu fahrlässig, dass die meisten Verwaltungsräte noch immer frauenfreie Zonen sind. Gemäss dem Report «Women in economic decision-making in the EU» sind im europäischen Raum 86 Prozent der Verwaltungsratssitze der grössten börsenkotierten Unternehmen in Männerhand, 97 Prozent der CEOs männlich. «Eine Geschlechterquote ist immerhin stabil», zieht EU-Justizkommissarin Viviane Reding an einer Rede zum Status quo der Frauenquote in Europa lakonisch Bilanz. «Jene für Männer in Top-Positionen.»


Die Prozentzahl über dem Strich* entspricht der verordneten bzw. angestrebten oder geforderten Frauenquote für Verwaltungsräte börsenkotierter Unternehmen in ausgewählten Ländern, sei es per Gesetz oder über selbstregulierende Massnahmen.
Die Prozentzahl unter dem Strich** benennt den tatsächlichen Frauenanteil
* diverse Quellen
** Quelle: Women in economic decision-making in the EU, 2012

DIE SCHWEIZ In den zwanzig grössten börsenkotierten Unternehmen unseres Landes (SMI) sind 12 Prozent der Verwaltungsrats- Mitglieder Frauen Quelle: Schilling-Report 2012

 

Das Regime der Men-only-Clubs neigt sich dem Ende zu

Doch so hoch werden diese Zahlen wohl nie mehr sein. Denn die gesellschaftliche Legitimation der Men-only-Clubs beginnt zu bröckeln. Im März 2011 lancierte die Europäische Kommission die Kampagne «The Women on Board Pledge for Europe», mit der Firmen angewiesen werden, den Frauenanteil in Verwaltungsräten bis 2015 auf dreissig und bis 2020 auf vierzig Prozent zu steigern, indem sie sich aktiv um qualifizierte Frauen bemühen, die die abtretenden Männer ersetzen.

Diese und ähnliche Initiativen sowie die nachfolgenden Debatten haben auch zur Sensibilisierung der Bevölkerung beigetragen. Die Männerdominanz im Big Business wird zunehmend als stossend empfunden. Das enthüllt eine Umfrage des «Special Eurobarometer» in den 27 Mitgliedstaaten der EU: 76 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass die Geschäftswelt von Männern besetzt ist, die Frauen zu wenig Vertrauen entgegenbringen. Zwei Drittel sind überzeugt, dass Frauen für die Topjobs genauso qualifiziert sind wie Männer, und 88 Prozent stimmen darin überein, dass Frauen und Männer in einem ausgewogenen Verhältnis in Entscheidungsgremien vertreten sein sollen.

Der zunehmende Druck hat europaweit eine Welle von Massnahme ausgelöst. So fordert etwa die konservative deutsche Arbeitsministerin Ursula von der Leyen für die Verwaltungsräte der börsenkotierten Unternehmen in ihrem Land eine «glasklare» Frauenquote von dreissig Prozent. Das Beharrungsvermögen an den Schalthebeln der Macht sei enorm, stellte von der Leyen in einem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung» fest. Deshalb sei sie überzeugt, dass nur durch ein Gesetz eine kritische Masse an Frauen an die Schlüsselpositionen kommen werde. «In der Breite dürfen die Frauen mitarbeiten, an der Spitze nicht. So gehts nicht mehr weiter. Ich habe keine Lust, mir zehn weitere Jahre leere Versprechungen anzuhören.»

Verschiedene europäische Länder haben die Phase der leeren Versprechungen bereits überwunden. In jüngster Zeit beschlossen Frankreich, Belgien und Italien eine gesetzliche Quote, die sich am Gleichstellungspionier Norwegen orientiert. Dort wurden börsenkotierte und staatliche Unternehmen schon 2004 verpflichtet, den Frauenanteil in Verwaltungsräten auf vierzig Prozent zu erhöhen.

In Frankreich soll der Anteil weiblicher Verwaltungsräte in allen Unternehmen, die mindestens 500 Angestellte haben oder über fünfzig Millionen Euro Umsatz generieren, bis 2017 auf vierzig Prozent ansteigen. Firmen, die der Regelung nicht nachkommen, werden sanktioniert: Die der Regelung zuwiderlaufende Nominierung eines Mannes wird annulliert. Die harte Tour zieht: Innerhalb gut eines Jahres hat sich der Frauenanteil in den Verwaltungsräten um zehn Prozent erhöht.

Geradezu spektakulär ist das Gesetz im vermeintlichen Macholand Italien: Innerhalb von neun Jahren wird dort eine Steigerung des Frauenanteils von derzeit sechs auf dreissig Prozent angepeilt. Firmen, die die Vorgabe nicht erfüllen, droht eine Busse von einer Million Euro oder gar die Auflösung des Verwaltungsrats. Resultat: Grosse Firmen wie der Autokonzern Fiat haben schon vor Inkrafttreten des Gesetzes Frauen an Bord geholt.

Dagegen wirken Spanien und die Niederlande geradezu sanft. Zwar haben auch sie gesetzliche Quoten: Spanien will bis 2015 einen Verwaltungsrätinnenanteil von vierzig, Holland bis 2016 einen von dreissig Prozent. Beide verzichten aber auf Sanktionen. Spanien belässt es bei Ermahnungen, Firmen riskieren höchstens, bei der Vergabe von Regierungsaufträgen übergangen zu werden. Und die Niederlande fordern von Unternehmen, die dem Gesetz nicht nachkommen, lediglich eine Erklärung – sehr zur Enttäuschung der Niederländerinnen.

 

Moral-Codes ersetzen noch Gesetze

Gesetzliche Quoten sind jedoch nicht die einzigen Mittel. In Schweden liegt zwar ein pfannenfertiger Gesetzesentwurf für eine Quote von 33.3 Prozent bereit, noch aber setzt die konservative Regierung auf sogenannte Corporate-Governance-Codes, die die Gleichstellung in börsenkotierten Firmen zur moralischen Pflicht machen. Die Codes sind mit keinerlei Sanktionen verknüpft, erlauben es jedoch Aktionären und Medien, die Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen und Druck auszuüben.

Auch in Finnland haben die Unternehmen 2008 einen entsprechenden Code freiwillig eingeführt, nachdem die Regierung mit gutem Beispiel vorangegangen war, indem sie 2006 in ihren Staatsbetrieben einen Frauenanteil von vierzig Prozent festlegte. Mitentscheidend war auch die Studie «Female Leadership and Firm Profitability», die belegte, dass finnische Unternehmen, die von Frauen mitgeleitet werden, bis zu zwanzig Prozent mehr Umsatz machen als jene, die unter rein männlicher Aufsicht stehen. Dabei waren über 14 000 Unternehmen unter die Lupe genommen worden; die Studie gilt als eine der weltweit grössten Erhebungen zum Thema. Danach gab es für die Unternehmen keine Ausreden mehr. Heute haben 86 Prozent aller börsenkotierten Betriebe Männer und Frauen im Verwaltungsrat, 2008 waren es erst 51 Prozent.

Selbst reine Bestandesaufnahmen können eine beachtliche Dynamik auslösen, wie das Beispiel Grossbritannien zeigt. 2010 beauftragte die Regierung den ehemaligen Handelsminister Lord Mervyn Davies, die Geschlechterverteilung in britischen Firmen zu durchleuchten. Der Davies-Report wirbelte nicht nur wegen seiner Ergebnisse Staub auf (bloss schockierende 12.5 Prozent der Verwaltungsräte waren damals weiblich), sondern auch wegen der Kommentare seines Verfassers: «Manche Männer, die in den grössten Unternehmen unseres Landes das Sagen haben, sind prähistorische Monster», schrieb der Lord. «Sie haben keine Ahnung von Gleichstellung.»

In seinem Bericht weist Davies die hundert wichtigsten börsenkotierten Firmen an, den Anteil der Verwaltungsrätinnen bis 2015 auf 25 Prozent zu steigern. Mittlerweile liegt er immerhin bei 16 Prozent. Schützenhilfe erhält Davies vom 30%-Club, der von der Finanzmanagerin Helena Morrissey gegründet wurde und eine Frauenrate von mindestens einem Drittel anstrebt. Wie ernst die Forderung in Wirtschaftskreisen genommen wird, zeigt ein Blick auf die Mitgliederliste: Zum Club gehören Topmanager wie Michael Treschow, Vorsitzender des britisch-niederländischen Konsumgütergiganten Unilever.

 

Die Frauenquote beschäftigt nicht nur Europa

Was auf dem Alten Kontinent kocht, brodelt auch weltweit. In Australien haben sich die grössten börsenkotierten Unternehmen 2009 dazu verpflichtet, mit selbstregulatorischen Massnahmen für mehr Gender-Diversität in ihren Führungsetagen zu sorgen. Dadurch hat sich der Anteil weiblicher Verwaltungsräte in den letzten drei Jahren von acht auf 14 Prozent erhöht.

Diesen Juli hat Malaysia – die drittgrösste Volkswirtschaft Asiens – eine freiwillige Quote eingeführt, die den Anteil der Managerinnen im mehrheitlich muslimischen Land von acht auf dreissig Prozent anheben soll. Im August zog Südafrikas Frauenministerin nach und kündigte einen Gesetzesentwurf für die Einführung einer Quote an, um die «Ausgrenzung und Unterrepräsentation» der Frauen in den Führungsetagen der Unternehmen zu unterbinden.

Der Druck der Frauen verstärkt sich auch in den USA. Die derzeit 16 Prozent weibliche Verwaltungsräte sollen bis 2015 auf mindestens 30 erhöht werden. Dies fordert etwa die 30%-Coalition, ein Verbund namhafter Wirtschaftsvertreter wie Douglas Conant, ehemaliger Präsident und CEO der Campbell Soup Company. Anders als in europäischen Staaten wird in den USA aber weniger über eine gesetzliche Quote diskutiert als über Eigeninitiativen der Wirtschaft. In der Tat setzen erste Grossunternehmen vermehrt auf Frauen, um im Wettbewerb um die besten Talente mithalten zu können. Ein Zeichen dafür ist die Ernennung der 37-jährigen Marissa Mayer zur neuen Yahoo-Chefin.

Sogar die machoide New Yorker Börse zeigt Flagge: Im Juli ging an der Wallstreet der Anlass «Moving the Needle» über die Bühne, an dem 150 Kandidatinnen und Kandidaten vorgestellt wurden, die aufgrund ihrer Qualifikationen als Verwaltungsräte von Unternehmen geeignet wären. Explizites Ziel des Events: die Rekrutierung fähiger Frauen.

«Wenn Frau will, steht alles still», lautete einst ein Slogan, der die zentrale Rolle von Frauen in allen Lebensbereichen unterstreichen sollte. Unter umgekehrten Vorzeichen gilt das heute mehr denn je: Es liegt nun an den Frauen, Bewegung in die Sache zu bringen und die Chancen zu packen, die sich durch Quotengesetze und Fördermassnahmen auftun. Werden sie als Verwaltungsrätinnen auch mal einen weiblichen CEO wählen? Werden Topmanagerinnen jüngere Mitarbeiterinnen fördern und sich für familienfreundliche Arbeitsbedingungen einsetzen? Werden Frauen aussprechen, dass sie Karriere machen wollen? Denn Quoten bedeuten auch, dass sich die Frauen nicht mehr vor der Verantwortung drücken können.

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1.

Die USA setzen auf Eigeninitiative statt Quote,in Südafrika ist ein Gesetzesentwurf angekündigt, in Australien nehmen sich die Konzerne selbst in die Pflicht, Malaysia hat seit Juli eine Quotenregelung

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