Dem Bösen zum Trotz
annabelle-Chefredaktorin Silvia Binggeli über Nichtigkeiten, die uns im Alltag ärgern, und über eine Geschichte im aktuellen Heft, die nachdenklich stimmt, aus der man aber auch lernen kann und soll.
Kürzlich wurden mir in Paris ein exklusives Parfum und Duftkerzen aus der Tasche gestohlen. Beides hatte ich mir vorfreudig auf die schöne Stimmung gekauft, die feine Düfte bei mir bewirken. Ich ärgerte mich masslos über die Unverschämtheit des Diebes und über meine Unvorsicht. Auf der Gendarmerie kam ich zur Besinnung.
Vor dem Revier standen zwei Polizisten mit Gewehr im Anschlag. Drinnen empfingen mich unter grellen Neonlampen nette Beamte in angespannter Stimmung. Während eine junge Polizistin meinen Bericht in den Computer tippte, entdeckte ich an der Wand das Fahndungsfoto des mittlerweile gefassten mutmasslichen Attentäters Salah Abdeslam. Ich fragte die Beamtin nach ihrem Alltag. Sie beschrieb ihn professionell nüchtern als hart, aber nötig für die Sicherheit der Bevölkerung. Ich fühlte mich ertappt. Nicht weil ich mir in aufgewühlten Zeiten Unnötiges gegönnt hatte – im Gegenteil: Ich lasse mir ungern von einem diebischen Idioten die Freude verderben und beschloss sogleich, Parfum und Kerzen am nächsten Tag nochmals zu kaufen. Was mich vielmehr beschämte: Wie konnte ich mich über diese Nichtigkeit derart ärgern, während andere in ihrem Beruf täglich ihr Leben riskieren?
Auch die Lektüre der Geschichte von Barbara Achermann über Ruanda in dieser Ausgabe wirft unangenehme Fragen auf: Meine Kollegin recherchierte, warum ausgerechnet im zentralafrikanischen Land mehr Frauen in Regierungsämtern sitzen als irgendwo sonst. Die emanzipatorische Erfolgsgeschichte ist tragischerweise Folge des unfassbaren Völkermordes Mitte der Neunzigerjahre. Auf sich gestellt, mussten die Frauen sich durchsetzen und treiben heute Wirtschaft und Gesellschaft des Landes im Eiltempo voran. Möglich macht das nüchtern betrachtet leider auch ein absolutistisch herrschender Präsident. Fakt bleibt: Im «Global Gender Gap Report» rangiert Ruanda vor der Schweiz. Ich frage mich: Können wir wirklich nur unter Schock einsehen und wichtige Schritte nur aus der Not machen? Für mich jedenfalls ist Ruanda eine nachdenklich stimmende, aber auch perfekt motivierende Frühlingsgeschichte.