Sie hat immer eine Frau parat
- Interview: Stephanie Hess
30 Prozent Frauen in Verwaltungsräten – so das Ziel des Bundesrats. Heute sind es 19 Prozent. Das will Esther-Mirjam de Boer ändern.
annabelle: Wir hätten ja gern mehr Frauen, nur finden wir keine, lautet eine beliebte Erklärung für den Frauenmangel in Verwaltungsräten. Mit Get Diversity konnten Sie und Ihre Geschäftspartnerin Carla Kaufmann schon über hundert Führungsfrauen vermitteln. Wie finden Sie diese?
Esther-Mirjam de Boer: Es gibt zwei Wege. Die einen finden uns. Das sind Frauen, die wissen, dass sie Potenzial haben, und die sich sichtbar machen wollen. Die anderen suchen wir. Ist ein Profil der Firma vorgegeben, beginnen wir anhand davon zu recherchieren.
Wie gehen Sie dabei vor?
Wir suchen in unserem Pool, dem Boardclub, aber auch an Konferenzen, in Medien, im Handelsregister, auf Firmen-Websites und natürlich auch auf Xing und Linkedin. Ich rate daher jeder Führungskraft, die für ein Mandat ambitioniert ist, zu einem sauberen und aktualisierten Profil. Es muss klar ersichtlich sein, wo in der Hierarchie man angesiedelt ist.
Ein weiteres Vorurteil besagt, dass Frauen diese Positionen gar nicht wollen.
Das kann ich nicht bestätigen. Wir kennen sehr viele, die wollen. Auf unserer Watchlist stehen rund tausend Namen von qualifizierten Frauen. Auch für die schwierigsten Anforderungsprofile – dazu gehört, möglichst jung zu sein und viel Tech-Erfahrung zu haben –, können wir fünf bis zehn Frauen vorschlagen. Bezüglich Erfahrung, Wissen und Ausbildung sind sie alle auf derselben Stufe wie die Männer in gleichen Positionen.
Warum hält sich der Mythos so hartnäckig, dass es schwierig ist, Frauen für Verwaltungsräte und Führungspositionen zu finden?
Es ist schon passiert, dass Nominierungskomitees Frauen angefragt haben, die alle Nein sagten. Aber hier muss man die Hintergründe sehen. Häufig erhalten Unternehmen von den Recruitern eine lange Liste mit Männernamen. Am Ende sind noch drei Frauen aufgeführt. Und dann hat eine von ihnen schon ein Mandat in derselben Branche, eine passt nicht ins Team, und die dritte will keine «Quotenfrau» sein.
Was halten Sie von der Bezeichnung Quotenfrau?
Für mich ist sie ein Machtinstrument, das den Status quo zementiert. Man entgeht ihm nur, wenn einem diese Zuschreibung egal ist. Darum ermutige ich Frauen, stolz zu sagen: «Ja, ich bin eine Quotenfrau.»
19 Prozent beträgt der Frauenanteil in Verwaltungsräten heute. Ihre Haltung zu einer gesetzlich festgeschriebenen Frauenquote?
Dass die Frauenquote wirksam ist, gilt in Europa als erwiesen. Das zeigt der Blick nach Norwegen: Inzwischen unterliegen über 2000 Firmen der gesetzlich verankerten 40-Prozent-Quote. Bei davon ausgenommenen Unternehmen liegt der Frauenanteil weiterhin bei 20 Prozent. Aus der Forschung weiss man, dass eine Minderheit in einem Gremium erst dann wirksam wird, wenn sie mindestens 30 Prozent ausmacht. Davon sind wir in der Schweiz noch weit entfernt. Deshalb befürworte ich eine Lösung mit Zielvorgaben von 30 Prozent und dem «Comply or Explain»-Ansatz. Das heisst: Unternehmen können nur dann von der Regelung ausgenommen werden, wenn sie ihre Entscheidungen ausreichend begründen.
Esther-Mirjam de Boer (49) studierte Architektur an der ETH Zürich und stieg später auf die Strategieberatung um. Heute ist sie Teilhaberin und Geschäftsführerin von Get Diversity und vermittelt Verwaltungsrätinnen an Unternehmen. Selber sitzt sie in vier Verwaltungsräten. Seit fünf Jahren ist sie Präsidentin des Verbands Frauenunternehmen. Esther-Mirjam de Boer ist verheiratet, Mutter und lebt in Zürich.
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