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Christa Rigozzi

Leben

Christa Rigozzi

  • Text: Stefanie Rigutto; Fotos: Jozo Palkovits

Warum verschwand Christa Rigozzi nicht - wie viele ihrer Vorgängerinnen - in der Versenkung? Und wussten Sie, dass die Blondine Kriminologie und Strafrecht studierte? annabelle fuhr mit der erfolgreichsten Ex-Miss der Schweiz ins Tessin.

Andere Missen vergessen wir, kaum ist ihr Amtsjahr vorbei. Die Miss Svizzera 2006 aber ist prominenter denn je. Warum nur?

Am Anfang war Christa Rigozzi ein reines Ärgernis für mich. Sie nervte mich zünftig. Ich arbeitete als Unterhaltungsredaktorin bei der Zeitung «20 Minuten», als sie 2006 zur Miss Schweiz gewählt wurde. Plötzlich massakrierte jeder meinen Namen: Man nannte mich Riguzzi, Rigotti oder gleich Rigozzi. Ob ich mit der Miss Schweiz verwandt sei, wurde ich gefragt. Oder ob der Name aus derselben Gegend komme. (Antwort: zweimal nein. Der Name Rigozzi stammt aus dem Valle di Blenio im Tessin, Rigutto aus der norditalienischen Provinz Pordenone). Wir hatten einen schlechten Start, Christa Rigozzi und ich. Aus Protest führte ich während der gesamten Amtszeit kein Interview mit ihr. Mir war sie sowieso zu blond, zu kitschig. Eine Barbie halt.

Doch anders als ihre Vorgängerinnen – wer erinnert sich noch an Sonia Grandjean oder Nadine Vinzens? – verschwand Christa Rigozzi nach ihrem Amtsjahr nicht in der Versenkung. Auch fünf Jahre nach dem Titelgewinn lächelt sie von Plakaten, eröffnet Shoppingcenter, verteilt Autogramme, moderiert die Kuppelsendung «Bauer, ledig, sucht …» auf 3+ und trat zuletzt – ein Höhepunkt ihrer Karriere – als Jurorin in der SF-Sonntagabendkiste «Die grössten Schweizer Talente» auf. Sie verdient so viel wie eine amtierende Miss Schweiz, satte 400 000 Franken im Jahr. Damit hat sie den einst verspotteten Titel Ex-Miss in einen respektablen Berufsstand erhoben, von dem sich formidabel leben lässt. Das hat meine Neugier geweckt: Wie macht sie das? Was ist ihr Erfolgsgeheimnis? Um das herauszufinden, war ich sogar zu einem Gespräch bereit.

Ich treffe Christa Rigozzi in einem Hotel im thurgauischen Kreuzlingen, am Tag nach ihrem Auftritt in der SF-Talentshow. Es ist Montagmorgen, und die Tessinerin ist beängstigend gut gelaunt. Erst möchte ich am liebsten umkehren, so abschreckend perfekt erscheint sie mir. Dann stelle ich mit Genugtuung einen leichten Make-up-Fleck auf ihrer Wange fest. Ich bleibe sitzen. Christa Rigozzi, 28 Jahre alt, trägt Jeans, flache Schuhe und auffälligen Silberschmuck, genauer gesagt: Sie ist so behangen wie ein Weihnachtsbaum, nur einen einzigen Silberring von der Stillosigkeit entfernt. Wir diskutieren über die gestrige Sendung, Christa Rigozzi sorgte mit einem Versprecher für Lacher. «Du bist nicht gekommen!», kritisierte sie eine Kandidatin, wo sie doch eigentlich meinte: «Du bist nicht aus dir herausgekommen!»

Ihr italienischer Akzent ist ihr Kapital: Wenn sie spricht, hört jeder das Mittelmeer rauschen. Sie kann sogar ziemlich belanglose Sachen sagen und dank ihres Akzents trotzdem punkten. Viele ihrer Aufträge wären ohne ihren Akzent nicht zustande gekommen, zum Beispiel ihr inzwischen legendärer Werbespot für eine Kaffeemarke. Jetzt, wo ich ihr gegenübersitze, scheint mir der Akzent weniger stark als am Bildschirm. Kultiviert sie ihn etwa absichtlich, sobald eine Kamera in der Nähe ist? «Neeein», wehrt sie ab, gibt aber zu: «Natürlich habe ich den Hang zum Übertreiben.»

Christa Rigozzi geht in ihr Zimmer zum Packen (dafür braucht sie keine fünf Minuten), ich begleite sie auf der Zugfahrt nach Zürich. Sie will ins Tessin, wo sie mit ihrem Mann Giovanni Marchese wohnt. Sie führt ein Nomadenleben, «aber ein privilegiertes». Bevor der Zug abfährt, zieht sie auf dem Gleis gierig an einer Zigarette. Als wir in Tägerwilen Halt machen, kräht ein Hahn. «Das hat er nur gemacht, weil Sie im Zug sitzen, Frau Rigozzi», zwinkert ihr der grauhaarige Herr gegenüber zu. Die Sonne scheint durchs Fenster und beleuchtet eine Hälfte ihres Gesichts. Die Haare wirken etwas zerzaust, sind flüchtig zu einem Knoten zusammengebunden. Wenn sie spricht, reisst sie häufig die Augen auf, manchmal rümpft sie auch die Nase wie ein kleines Mädchen. Sie sagt oft «Also, unter uns …» oder «Weisst du was?». Sowieso redet sie wie ein Wasserfall – eine dankbare Interviewpartnerin.

«Was macht Christa Rigozzi eigentlich? Sie ist doch nur ein Cervelatpromi!», fanden meine Arbeitskollegen, als ich das Porträt über sie ankündigte. Stimmt, anders als viele Ex-Missen zeigte sie nie Ambitionen als Schauspielerin oder Sängerin, Gott sei Dank. «Ich arbeite nur in diesem sogenannten Promibereich», sagt Christa Rigozzi. Sie bezeichnet sich als «Botschafterin und Testimonial». «Das betreibe ich sehr ernsthaft.» Sie sei extrovertiert und liebe die Menschen. «Wenn man in diesem Business arbeiten will, muss man so sein.» Es lag schon während ihres Amtsjahrs nicht an ihrem Aussehen, dass sie so beliebt war (ihr Verdienst als Miss Schweiz – 580 000 Franken – ist bis heute ein Rekord). Das Gesicht zu markant, die Hüften zu ausladend, die Statur zu klein. «Ich bin kein Model», sagt sie. «Ich bin Frau. Und das gern.» Natürlich ist sie attraktiv, aber das ist nebensächlich. In erster Linie ist sie eine sympathische, fröhliche Person. Sie, die Medien- und Kommunikationswissenschaften, Kriminologie und Strafrecht studiert hat, sagt: «Ich habe einen Job gefunden, der zu mir passt.»

Das Business, in dem Christa Rigozzi arbeitet, ist ein oberflächliches. Die Art, wie sie mit ihren Geschäftspartnern umgeht, ist es nicht. «Ein Kunde, der sie einmal getroffen hat, ist meistens begeistert von ihr und bucht sie wieder», sagt ihr Manager Raffy Locher von der Miss-Schweiz-Organisation. Man muss sich nicht lange mit ihr unterhalten, um zu ahnen, warum das so ist. Sie hebt die banalste Geschäftsbeziehung auf eine persönliche Ebene. Sie bemüht sich um ihr Gegenüber, beantwortet nicht nur gewissenhaft die Fragen der Journalistin, sondern schwatzt mit ihr auch munter weiter, nachdem das Aufnahmegerät längst abgeschaltet ist. Sie sagt: «Ich möchte nicht nur vor der Kamera Spass haben.» Sie gehöre nicht zu denen, die mit einem Lätsch an ein Shooting kommen und auf Knopfdruck ihr Profi-Lachen aufsetzen.

annabelle: Christa Rigozzi, ein Grossteil Ihres Erfolgs beruht auf Ihrem Charme. Daneben vermarkten Sie aber gnadenlos Ihr Privatleben. Die Kamera durfte schon in Ihren Ferien dabei sein, ja sogar vor dem Traualtar!
Christa Rigozzi: Wer im Promibusiness arbeiten will, muss etwas von sich preisgeben. Die Fans verdienen das. Zwei Homestorys pro Jahr, das schuldet man ihnen. Deshalb habe ich einige Bilder von meiner Hochzeit an die «Schweizer Illustrierte» rausgegeben, und zwar gratis.

Sie sind Ex-Miss mit Leib und Seele. Sie haben sich sogar nach Ihrem Amtsjahr eine Krone in den Nacken tätowieren lassen. Warum?
Das war ein Herzensentscheid. Mein Leben hat sich dank meiner Wahl zur Miss Schweiz total verändert, von 0 auf 100. Bis heute bin ich von all den Jobs, die ich mache, komplett überzeugt.

Ihren Ehrgeiz kaschieren Sie mit italienischer Lässigkeit. Sie wirken immer entspannt, man nennt Sie Miss Sonnenschein. Sind Sie nie schlecht gelaunt?
Ma certo, ich bin schliesslich auch nur ein Mensch. Aber kein Kunde und auch nicht das Publikum werden mich je griesgrämig erleben. Das hat nicht mit meinem Charakter zu tun, sondern mit Professionalität. Ich würde auch nie über Müdigkeit jammern. Dazu hätte ich vielleicht einen Grund, wenn ich mich als Bauarbeiterin im Gotthard-Basistunnel abrackern müsste.

Seit der SF-Talentshow vergleicht man Sie mit Michelle Hunziker. Ist das italienische Fernsehen für Sie ein Thema?
Oh nein! Ich hatte ein paar Anfragen aus Italien, aber die waren nicht seriös. Abgesehen davon bin ich viel zu sehr Schweizerin, um im italienischen Fernsehen glücklich zu werden.

Sie sind kein Wischiwaschi-Typ, haben eine klare Haltung. Donatella Versace sagte einst: «Wenn blond, dann platinblond.» Sie scheinen ähnlich zu ticken.
Also, erstens bin ich gar nicht mehr soooo blond, ich möchte zurück zu meiner natürlichen Haarfarbe. Aber es stimmt schon: Ich will nicht dies, jenes und das. Ich will immer nur das! (schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch) Und dieses Ziel verfolge ich, stur wie ein Esel. Ich bin ein Dickkopf.

Nicht zuletzt basiert Christa Rigozzis Erfolg darauf, dass sie eigentlich nichts Aussergewöhnliches ist, vielmehr ein typisches Girl Next Door. Es ist nur ihre Italianità, die sie für uns Deutschschweizer zu einer Exotin macht, alles andere an ihr ist tiefste Bünzlischweiz. Sie ist ein gutbürgerliches Vorbild, hat ihre Jugendliebe geheiratet, das Studium mit einer guten Note beendet und verfolgt jetzt eine erfolgreiche Karriere. Sie ist zwar blond, aber kein Püppchen. Sie ist immer nett, wirkt aber nicht langweilig. Wenn Christa Rigozzi von der Bühne lächelt, fühlen sich sowohl das fünfjährige Mädchen als auch sein Vater angesprochen, ja sogar die Ehefrau. Sie sagt: «Jeder kann sich mit mir identifizieren, ich bin bodenständig.» Mit Diven könne sie nichts anfangen. Christa Rigozzi ist bescheiden aufgewachsen, der Vater war Jagdaufseher, die Mutter Hausfrau. Klein Christa streifte oft mit ihrem Papà durch die Tessiner Kastanienwälder, während er die Tiere zählte und ihr die Namen der Blumen erklärte. Sie sagt: «Ich komme aus einer einfachen Familie. Deshalb kann ich schätzen, was ich erreicht habe.»
Wir wollen Christa Rigozzi in Aktion erleben, verabreden uns in Lachen am Zürichsee für eine Probe von Rock Circus. Sie führt durch das Kabaretttheater, das gerade auf Tournee ist. Als ich nur noch 200 Meter vom Zelt entfernt bin, ruft sie an, um mitzuteilen, dass die Probe bereits fertig ist. Es tue ihr so leid, so furchtbar leid! Im leeren Zelt begrüsst sie mich wie eine alte Freundin mit drei Küsschen, entschuldigt sich weitere fünf Mal und bietet an, mich als Wiedergutmachung nach Zürich zurückzufahren. Sie erinnert sich noch daran, dass ich morgen nach Australien fliegen werde und erkundigt sich nach der genauen Zeit. Die Regisseurin von Rock Circus, Nadine Imboden, schwärmt von ihrem Schützling: «Wir wollten keine klassische Moderatorin, sondern eine mit komödiantischem Talent», sagt sie und fügt hinzu: «Christa hat keine Allüren.»

Man findet niemanden, der schlecht über Christa Rigozzi redet. Keinen Fotografen, keinen Journalisten, keinen Sponsor. Auch Louis Bosshart, ihr ehemaliger Professor an der Universität Freiburg, ist ein bekennender Fan: «Sie war nicht nur eine interessierte Studentin, sondern auch ein umgänglicher Mensch. Ihre Unbeschwertheit kam gut an.» Auch ihren Professor hat Christa Rigozzi also um den Finger gewickelt. Man möchte ihr Absicht unterstellen, einmal mehr. Doch sogar Society-Expertin Hildegard Schwaninger, die sich ansonsten keine Gelegenheit für spitzzüngigen Klatsch entgehen lässt, sagt mit tiefster Überzeugung: «Da steckt keine Berechnung dahinter. Sie ist einfach so. Eine Superfrau.» Sie könne nichts Schlechtes über die Ex-Miss sagen, meint die Gesellschaftskolumnistin des «Tages-Anzeigers» fast entschuldigend: «Jeder, der sie kennt, mag sie.»

Christa Rigozzi verlässt das Zelt in Lachen, verteilt Küsschen, winkt den Zeltarbeitern zu, ruft «Tschühüüss!». Wir setzen uns in ein Café am Ufer des Zürichsees. Sie will als Entschuldigung für die verpasste Probe unbedingt den Kaffee offerieren, «das ist das Mindeste, was ich tun kann». Seit ihrer Wahl 2006 hat sie sich mit vielen Journalisten angefreundet. Erneut möchte man ihr eiskalte Taktik vorwerfen, aber mittlerweile weiss man: Dafür ist sie zu emotional, und sie hat auch zu viel Spass an ihrem Job, als dass sie ihn sich durch Pseudofreundschaften vermiesen würde. Sie sagt: «Ich habe den Journalisten viel gegeben, aber auch viel bekommen. Es ist eine klassische Win-Win-Situation.» Journalisten, die mit ihr zusammengearbeitet haben, sagen: «Sie hält ihr Wort.» Oder: «Sie ist ein Arbeitstier und unglaublich zuverlässig.»

Die ältere Dame am Nebentisch unterbricht unser Gespräch: «Äxgüsi, sind Sie diese Tessinerin?» – «Ja, ich bin Christa», antwortet sie. Und, fragen wir dazwischen, wie finden Sie Christa Rigozzi? «Sie ist immer lustig», antwortet die Dame. Christa Rigozzi lacht: «Jööö, danke!» Sie selbst sei früher auch «sehr schön» gewesen, fährt die Dame fort, aber jetzt nicht mehr, jetzt sei sie alt. «Naaaai», ruft Christa Rigozzi, «Sie sind immer noch eine schöne Frau!» Die Dame lächelt, sagt zu ihrem weissen Pudelchen: «Chum, Babette» und schlurft davon.

annabelle: Sie treten an Promi-Karaoke-Shows auf, backen Donuts und küssen verschwitzte Tour-de-Suisse- Fahrer. Sie sind nicht gerade wählerisch bei Ihren Aufträgen.
Christa Rigozzi: Das stimmt nicht, ich sage viele Anfragen ab. Ich trete aber gern in Kontakt mit Menschen. Man darf sich nicht zu schade sein, in einem Einkaufscenter Autogramme zu verteilen.

Wie wählen Sie Ihre Engagements aus?
Sie müssen zu mir passen. Die unkomplizierte Mode von S. Oliver etwa, die passt zu mir. Hingegen habe ich mal einen lukrativen Auftrag für Gesundheitsschuhe abgelehnt, weil ich einfach nicht ein Jahr lang damit herumlaufen wollte. (lacht) Auch für Schabziger sollte ich einmal werben – dabei gruuset es mich richtig davor! Das wäre unglaubwürdig gewesen.

Wie erklären Sie sich, dass eine Ex-Miss in der Schweiz immer noch Geld mit einem Titel verdienen kann, den sie schon vor einigen Jahren abgeben musste?
Wir sind ein kleines Land, haben keine Royals, nicht viele Prominente und Schauspieler. Auf diesem Nährboden können die Missen gut gedeihen. Es liegt aber sicher auch an der Aschenputtel-Story: Jemand, der gestern noch völlig unbekannt war, tritt plötzlich ins Rampenlicht. Das fasziniert die Menschen. Ich bin so etwas wie ein Aschenputtel der Moderne.

Christa Rigozzis Website: www.chri.info

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