Im neuen Aktienrecht soll eine Frauenquote von 30 bzw. 20 Prozent verankert werden. Dies fordert der Bundesrat. Simonetta Sommaruga hat damit geschafft, was viele für unmöglich hielten.
«Erst wenn sich auch die Männer für die Chancengleichheit verantwortlich fühlen, wird sich etwas verändern», sagte Simonetta Sommaruga vor über einem Jahr im Interview mit annabelle. Damals hatte sie mit der Forderung einer Frauenquote von 30 Prozent in den obersten Firmengremien sowie einer obligatorische Lohnkontrollen gerade zwei Instrumente lanciert, die die Gleichstellung zwischen Mann und Frau in der Schweiz vorantreiben sollten.
Nun scheint ihre Hartnäckigkeit – vorübergehend zumindest – erstmals Früchte zu tragen. Am Mittwoch hat der Bundesrat die Botschaft zur Revision des Aktienrechts ans Parlament geschickt, und die von Sommaruga ins Spiel gebrachte Frauenquote ist – manche behaupten: überraschend – nach wie vor Teil der Gesetzesvorlage, wenn auch in leicht abgeschwächter Form. Während es bei Verwaltungsräten bei den ursprünglich geforderten 30 Prozent bleiben soll, schlägt der Bundesrat für Geschäftsleitungen einen Richtwert von 20 Prozent vor. Zur Erinnerung: annabelle hatte 2012 eine ähnliche Idee verfolgt und forderte per Kampagne eine auf fünf Jahre befristete Frauenquote von dreissig Prozent in der operativen Unternehmensführung für Betriebe mit mindestens 200 Mitarbeitenden.
Während der Vernehmlassung hat sich das Parlament mehrheitlich negativ gegen die Vorlage zur Revision des Aktienrechts ausgesprochen. Es schien wahrscheinlicher, dass der bürgerlich dominierte Bundesrat dem Widerstand des Parlaments nachgibt und die umstrittene Frauenquote aus dem Revisionspaket kippt – oder zur reinen Alibiübung macht. «Diskussionen um Gleichstellungsthemen sind häufig sehr aufwendig und anstrengend», beschrieb Sommaruga die Verhandlungen im Bundesratszimmer gegenüber der annabelle. Wie es scheint, war die Liebesmüh nicht vergebens. Wie der Tages-Anzeiger heute schreibt, fiel der Entscheid «zuverlässigen Informanten» zufolge im Bundesrat mit 4 gegen 3 Stimmen. Die beiden SP-Bundesräte Sommaruga und Alain Berset dürften also sowohl CVP-Bundesrätin Doris Leuthard als auch FDP-Bundesrat Didier Burkhalter mit ins Boot geholt, gebracht oder gezerrt haben. Insbesondere der FDP dürfte dieser feministische Schulterschluss ihres Bundesrates nicht sonderlich gefallen. Seis drum. Fakt ist: Die Regierung hat sich damit zum zweiten Mal innerhalb von kurzer Zeit für mehr Gleichstellung eingesetzt. Vor einem Monat hat der Bundesrat bereits Massnahmen für mehr Lohngleichheit zwischen Mann und Frau verabschiedet. Ein weiteres Dossier, mit dem Sommaruga im Parlament auf Ablehnung gestossen war. Aber wie meinte sie im Interview mit annabelle: «Die Lohngleichheit steht seit bald 35 Jahren in der Verfassung, doch noch heute werden Frauen für gleichwertige Arbeit schlechter bezahlt als Männer.» 35 Jahre lang habe man vergeblich gehofft, die Unternehmen würden das freiwillig ändern, nun sei es genug.
Während bürgerliche Politiker und Vertreter der Wirtschaft die Entscheidung des Bundesrats kritisieren, geht linken Politikern der Vorschlag zur Revision des Aktientrechts noch zu wenig weit. Die Tatsache, dass den Unternehmen bei der Umsetzung der geforderten Frauenquote Fristen von fünf bis zehn Jahren gewährt werden sollen und Firmen, denen dies nicht gelingt, keine wirklichen Sanktionen drohen, sieht das linke Lager als zu grosses Eingeständnis an die Wirtschaft und das bürgerliche Lager an. Tatsächlich lautet das bundesrätliche Votum an die Wirtschaft: «comply or explain» – erfülle die Vorgabe, oder erkläre, warum du es nicht getan hast.
Im Parlament wird es die Vorlage gleichwohl schwer haben. Trotzdem bleibt das Signal – vorangetrieben von Simonetta Sommeruga klar: Der Bundesrat ist nicht gewillt, sich beim Thema Chancen- und Lohngleichheit noch länger mit scheinheiligen Absichtsbekundungen und Alibiübungen abspeisen zu lassen. Er will, ganz offensichlich, endlich Taten sehen. Denn Worte, so zeigt auch das Dossier von annabelle, sind in den letzten Jahren wahrlich genug gefallen.