«Bring Women Back to Work»: Diese Initiative hilft Frauen beim Job-Wiedereinstieg
- Text: Sarah Lau
- Bild: Unsplash
Mit der Initiative «Bring Women Back to Work» unterstützt und ermutigt Vanessa Gentile Frauen beim beruflichen Wiedereinstieg in der Tech-Branche.
Ausgerechnet heute ist das Kind krank zuhause und angesichts des bevorstehenden Zoom-Interviews breitet sich Stress aus. Doch Vanessa Gentile bleibt von den kindlichen Zwischenrufen unberührt: «Kenne ich», sagt die zweifache Mutter und Managerin lachend, «mit Kindern ist es schlimmer als mit Pilzen: Die schiessen bei Calls immer und überall aus dem Boden!»
Doch darum soll es heute nicht gehen – jedenfalls nicht direkt. Sondern um Vanessa Gentiles Initiative «Bring Women Back to Work», die Frauen ermutigen soll, nach einer Job-Pause – egal ob mutterschaftsbedingt oder aus anderen Gründen – einen beruflichen Neuanfang zu wagen, und zwar in der Tech-Branche.
Vanessa Gentile, warum «Bring Women Back to Work»?
Als ich vor sechs Jahren aus meinem Mutterschaftsabwesenheit zurückkam, war meine damalige Stelle als Antipiracy Lead besetzt. Ich war sprachlos, enttäuscht und verstand die Entscheidung nicht. 13 Jahre lang war ich sehr erfolgreich im Unternehmen tätig gewesen und nach nur sechs Monaten Pause war es nicht möglich, auf meine alte Stelle zurückzukehren? Wie mir damals geht es hierzulande vielen Frauen: Jede siebte verliert ihre Stelle nach der Mutterschaft. Umgekehrt gehen Firmen aufgrund mangelnder Teilzeitmöglichkeiten weibliche Fachkräfte verloren. Daran will ich etwas ändern.
Wie ging es für Sie damals weiter?
Mein damaliger Arbeitgeber war bestrebt, eine Lösung für mich zu finden – also haben wir nach Alternativen geschaut und ich bin ins Partnergeschäft eingestiegen. Zwar ohne Führungsverantwortung und in einem völlig neuen Bereich – kein Zuckerschlecken! Aber heute sage ich: ein Glücksfall!
Inwiefern?
Ich bin fit in einem neuen Bereich, die Tech-Branche bietet viele neue Chancen. Bei Salesforce konnte ich mit «Bring Women Back to Work» auch anderen Frauen den Weg dorthin ebnen und erziele grosse Erfolge: Bereits 56 Prozent unserer Teilnehmerinnen haben neue Jobs gefunden. Es ist grossartig zu sehen, dass auch Frauen, die keinerlei Kontakte zur Tech-Branche hatten, hier eine neue Heimat finden.
Vanessa Gentile«Es ist im Grunde egal, aus welcher Branche jemand kommt. Stimmt die Einstellung, bringen wir der Person den Rest bei»
Wie funktioniert das?
Man vergisst leicht, dass es bei Salesforce nicht nur Programmierer:innen braucht, sondern auch Expert: innen, etwa im Verkauf und Marketing. Gemäss dem Motto: «Hiring for attitude and training for skills» ist es im Grunde egal, aus welcher Branche jemand kommt. Stimmt die Einstellung, bringen wir der Person den Rest bei. Das Programm ist also ideal für Frauen, die beruflich raus waren. Ob nun der Familie wegen, durch Umzug oder Krankheit. Wir bieten ein Jahr lang Coachings, diverse Workshops, Mentorship und enormes Network-Potenzial an.
Was sind – neben strukturellen Hindernissen wie fehlenden Teilzeitmöglichkeiten und teuren Krippenplätzen – die grössten Hürden für den Wiedereinstieg?
Statistiken belegen, dass Frauen sich erst dann auf eine Stelle bewerben, wenn sie zu 100 Prozent sicher sind, die Anforderung zu erfüllen. Männer schon bei 60 Prozent. Frauen sind in der Regel bescheidener als Männer – und das bemängle ich. Ich versuche, die Frauen zu ermutigen – probiert euch aus. Wer neue Wege geht, kann nur gewinnen, man lernt einfach neu dazu, bis alles klappt.
Was beobachten Sie bei den Teilnehmerinnen?
Die ersten sind seit November dabei und haben einen wahnsinnigen Shift gemacht: Ihre Lebensläufe lesen sich plötzlich viel beeindruckender, die Frauen lernen bei uns, sich besser zu verkaufen. Selbstbewusstsein und Elan sind gestärkt und neu erwacht. Man holt einfach das Beste aus jeder Frau zurück.
Und die Unternehmen?
Fast alle Partnerfirmen haben zugesichert, Teilzeitstellen zwischen 60 und 80 Prozent anzubieten. Je diverser das Team, desto anspruchsvoller sind zwar Themen wie Führung und Kommunikation, dafür erzielt man aber auch bessere Ergebnisse. Die Eigenkapitalrendite kann sich bis zu 18 Prozent steigern und auch auf die langfristige Wertschöpfung hat es positive Effekte, aktuelle Studien belegen das. Es liegt also im Interesse der Unternehmen, Frauen an Bord zu holen.
Das passiert oftmals aber nicht. Erzielen wir Gleichstellung ohne Frauenquote?
Bei Frauenquote schwingt für mich immer so ein Zwang mit. Wenn sich zu wenig Frauen bei mir bewerben – nicht selten liegt das Verhältnis bei 80:20 und dann wird eben auch mit entsprechender Wahrscheinlichkeit ein männlicher Bewerber genommen –, würde ich mich erst mal mit der Frage beschäftigen, was mit der Stellenbeschreibung nicht stimmt. Das Problem ist komplex. Ich weiss, dass ich die Welt mit meinem Programm auch nicht retten kann, aber einen Unterschied machen wir damit in jedem Fall. Jetzt müssen nur noch mehr Firmen nachziehen.
Vanessa Gentile (42) ist Director Alliance & Channel bei Salesforce und Gründerin der Initiative «Bring Women Back to Work»