Die Braut, die sich traut
annabelle-Chefredaktorin Silvia Binggeli fragt sich, weshalb wir das eigene Glück nicht selbst in die Hand nehmen.
Es sollte eine schlichte Hochzeit werden. Die Brautleute, bereits zweifache Eltern, wollten ihre Verbindung auch standesamtlich bejahen. Ich freute mich, Trauzeugin zu sein, und hatte, ganz Romantikerin, zwei Silberherzen als Schlüsselanhänger für das Paar mitgebracht. Die Sonne schien, die Gäste waren feierlich gestimmt. Womit wir nicht gerechnet hatten: mit einer umtriebigen Standesbeamtin, die uns, kaum hatten wir vor der Villa am See das Prosecco-Glas in der Hand, in den Trausaal hinaufscheuchte. Hopphopp, noch sechs weitere Paare sollten später getraut werden. Fotos von der Aussicht bitte jetzt gleich! – Und die Silberherzen nach der Zeremonie übergeben? – Na gut, aber bitte ohne viele Worte!
Kurz vor dem Ja sagte die Beamtin zu den Protagonisten: «Liebe Braut, nun stehen Sie nicht mehr für Ihren Freund am Herd, sondern für Ihren Mann.» Und: «Lieber Bräutigam, nun sind die Zeiten der Hobbys vorbei.» Bitte?! Noch bevor ich auf diesen antiquierten Mist reagieren konnte, hatte sie uns hinausgescheucht. Wir verbrachten in humorvoller Runde trotzdem einen wunderbaren Tag.
Die eben noch als veraltet geltende Ehe erlebt eine Hochzeit, vor allem aus romantischen Gründen. 40 000 Paare heiraten jährlich in der Schweiz und geben für einen festlichen Einstieg in die Ehe Hunderttausende von Franken aus. Unsere Autorin Franziska K. Müller hat über dreihundert Ehepaare interviewt und die amüsantesten Pannen rund um den «schönsten Tag im Leben» aufgeschrieben.
Erstaunlicherweise erwarten immer noch neunzig Prozent der Frauen einen Antrag vom Mann. Auch ich hänge an dieser Tradition, allem fortschrittlichen Denken zum Trotz. Aber ich ändere grad meine Meinung – in Gesprächen mit selbstbewussten Freundinnen, die seit Jahren auf diesen ultimativen Liebesbeweis von unentschlossenen Partnern hoffen, je länger, desto frustrierter. Warum sollen wir ausgerechnet das eigene Glück in die Hand eines anderen legen? Wir, die wir doch sonst Menschen bewundern, die das Schicksal anpacken – wie etwa der bekannte italienische Chirurg und Kriegsarzt Gino Strada, ebenfalls in dieser Ausgabe, der vor der Uno dafür plädierte, den Krieg gesetzlich zu verbieten. Warum nicht! Die Frage kann man tatkräftig stellen.