Werbung
Blutsbrüder: Wenn Männer menstruieren

Blutsbrüder: Wenn Männer menstruieren

  • Text: Barbara Loop; Foto: Getty Images

Wenn Männer menstruieren würden, gäbe es ein Tabu-Thema weniger. Meint annabelle-Lifestyleredaktorin Barbara Loop.

Abpfiff in Frankreich, zurück im SRF-Studio. «Dä Ronaldo! Intuitiv, aggressiv, unberechenbar!», kommentiert Alain Sutter. Raphaël Wicky wägt ab: «Ronaldo hat gerade die Mens, klarer Vorteil also.» «Ah», Rainer Maria Salzgeber schlägt sich an die Stirn, «darum war er im Interview so zickig.» «Zickig? Schlagfertig war er», empört sich Sutter.

Was wäre, wenn, ganz plötzlich, anstatt der Frauen die Männer menstruieren würden? Dieser Frage ging die US-Feministin Gloria Steinem bereits vor fast vierzig Jahren in einem Essay nach. Die aktuelle Debatte um die Enttabuisierung der Menstruation, die derzeit aus den USA (#HappyToBleed, #FreeTheTampons) auf Europa überschwappt, zeigt, dass die Frage nicht an Brisanz verloren hat. Noch immer schämen wir Frauen uns für ein paar rote Punkte auf der Bettwäsche, täuschen Kopfschmerzen vor, weil uns die Krämpfe peinlich sind. Und noch immer sind Frauen in weiten Teilen dieser Welt vom öffentlichen Leben ausgeschlossen, wenn sie ihre Tage haben. Was also, wenn die Mens ein Männerproblem wäre?

Man denke an die erste Periode. Nein, die Jungs schämen sich nicht. Sie greifen erhobenen Hauptes zur Binde. Ein Status-Update auf Facebook, «bloody», und ein Tweet #ThereWillBeBlood. Dann bäckt ihnen das Mami eine Erdbeertorte, denn der Tag, an dem der Bub zum Mann wird, muss gefeiert werden.

Fortan gilt: Wer kann am längsten? Wer blutet am meisten? Männer klopfen sich auf die Schulter: «Mann, du siehst heute rosig aus!» – «Klar, ich hab meine Tage.» Die Frauen, die belächeln sie ein bisschen. Schliesslich kennen diese die Krämpfe nicht und die Rückenschmerzen. Das monatliche Martyrium würden sie erst gar nicht aushalten. Aber eigentlich müssen das ja auch die Männer nicht mehr. Denn weil die Mens männlich ist, hat sie sich als Forschungsgebiet etabliert, und es gibt längst potentere Mittel gegen Mensbeschwerden als Ibuprofen und Verveinetee. Ingenieure widmeten ihr Leben der Erfindung wiederverwertbarer Tampons, den Binden mit Wi-Fi zur ärztlichen Überwachung der holden Tropfen.

Sportturniere gleichen vor lauter Hygieneartikel-Werbungen einem Blutbad. Bertrand-Piccard-Flügel-Binden werden als Souvenir verkauft, die Kapitäns-Binde beim Fussball hat eine ganz neue Bedeutung, und die Fans lieben die roten Trikots mit der Aufschrift «Always Ultra».

Aber nicht nur beim Sport, auch im Büro pflegt man einen entspannten Umgang mit den Tagen. Männer verstecken ihre Tampons auf dem Weg zur Toilette nicht im Ärmel des Pullovers. Nein, sie stellen sie in Gürteltaschen zur Schau: italienisches Leder, praktisch wie eine Handyhalterung, verrucht wie ein Patronengurt.

Mann setzt die hormonellen Schwankungen gezielt ein. Banker stimmen den Terminkalender auf ihren Zyklus ab und lassen den Killerinstinkt bei wichtigen Verhandlungen spielen. Und dank der hormonell bedingten Gereiztheit werden selbst die blutleersten Politiker einmal im Monat zu temperamentvollen Hengsten, die mit Inbrunst über Hygiene debattieren. Längst haben sie Tampons und Binden von der Mehrwertsteuer befreit und dafür gesorgt, dass es sie gratis gibt: in jeder öffentlichen Toilette, am Arbeitsplatz, im Spital und in der Schule. Ist ja wohl selbstverständlich! Schliesslich ist die Hälfte der Bevölkerung darauf angewiesen.