Zeitgeist
Grüne Frage: Ist nachhaltiger Konsum nicht ziemlich elitär?
- Text: Stephanie Hess
- Bild: Instagram / kimkardashian
Wer viel Geld hat, kann ganz einfach ökologisch konsumieren – und sich dabei auch noch moralisch überlegen fühlen, oder? Stephanie Hess, annabelle-Expertin für Nachhaltigkeit, klärt auf.
Dieser Artikel ist erstmalig im Dezember 2021 erschienen.
Statussymbole wie Rolex und Porsche sind over. An ihre Stelle treten Bio-Tomaten, Yogaferien, ein Tesla. Die Elite verfüge heutzutage nicht mehr nur über mehr Geld und höhere Bildung, schreibt die US-Soziologin Elizabeth Currid-Halkett in ihrem Buch «Fair gehandelt?». Sie könne dadurch auch viel einfacher nachhaltig konsumieren – und sich dabei auch moralisch überlegen fühlen. Das verstärke die sozialen Ungleichheiten.
Stimmt. So betrachtet wirkt umweltbewusstes Verhalten wie ein elitärer Spleen. Nur: Diese vermeintlich grünen Statussymbole haben mit echter Nachhaltigkeit herzlich wenig gemein. Wer Bio-Tomaten kauft, aber ausschliesslich Fleisch aus Massentierhaltung auf den Tisch bringt, tut dem Klima keinen Gefallen. Genauso wenig wie jemand, der bisher ein Carsharing-Angebot nutzte oder einen sparsamen Benziner fuhr und sich nun einen neuen Tesla zulegt. Die Yogaferien auf Bali, nun ja, die haben ja wirklich in keinster Weise was mit einem nachhaltigen Verhalten gemein.
Ja, es ist kompliziert. Und mühsam. Und angesichts dessen, was uns da Elizabeth Currid-Halkett eröffnet, könnte man geneigt sein, im Kampf gegen den Klimawandel endgültig die Waffen zu strecken. Denn: jetzt ist ökologischer Konsum auch noch unfair.
«Wir sollten uns nicht in individuellen Konsumentscheidungen verheddern»
Wie kommen wir aus diesem Dilemma nur heraus? Ich mag die Antwort der Klimajugend, die sagt: Wir sollten uns nicht in individuellen Konsumentscheidungen verheddern. Sondern unsere Anstrengungen auf die grossen Hebel konzentrieren, die all diesen Einzelentscheidungen ihr Gewicht nehmen können.
Anstatt uns also über das Flug- und Essverhalten anderer aufzuregen, sollten wir versuchen, das System zu verändern; an Demos, mit Petitionen, an der Urne, in Gesprächen. Etwa dahingehend, dass nachhaltige Produkte günstiger werden als umweltschädliche. Damit Bio-Tomaten kein Statussymbol mehr sind, sondern die Norm für uns alle.
Stephanie Hess ist Leiterin des Reportage-Ressorts und Autorin des Ratgebers «Ökologisch!» (Beobachter-Edition, 2020). Sie sucht für euch Antworten auf alle grünen Fragen. Schreibt ihr! Stephanies Mailadresse: [email protected]