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Bewegung, Mädels!

Bewegung, Mädels!

  • Text: Helene Aecherli, Foto: Unsplash

Mädchen sind körperlich weniger aktiv als Buben, zeigt eine neue Studie. Sportexperte Walter Mengisen über die Dringlichkeit, Sport neu zu kommunizieren.

annabelle: Walter Mengisen, gemäss einer neuen Studie des Bundesamts für Sport bewegen sich sechs bis zehnjährige Mädchen und Buben gleich viel, nämlich rund eine Stunde pro Tag. Doch danach beginnen Mädchen zurückzufallen. Warum?
Walter Mengisen: Mädchen kommen früher in die Pubertät, viele werden sich ihrer körperlichen Veränderungen bewusst, haben plötzlich Hemmungen und werden leistungsschwächer. Ein weiterer Grund ist sportimmanent: Es gibt viele Sportarten, in denen Mädchen und Buben gemeinsam trainiert werden, Eishockey, zum Beispiel. Doch etwa im Alter von zehn Jahren werden die Kinder getrennt. Für Mädchen gibt es dann oft keine Anschlusslösung mehr.

Weshalb ist Sport für Mädchen so wichtig?
Nun, die Osteoporose-Prävention zum Beispiel fängt schon sehr früh an. Nur durch konstantes Training lässt sich die Knochendichte nachhaltig aufbauen. Daran denken junge Frauen jedoch kaum. «Fit sein» und «gut aussehen» spielt bei Jugendlichen aber grundsätzlich eine grosse Rolle. Zudem tragen sportliche Aktivitäten viel zu einem positiven Körpergefühl und zur Persönlichkeitsbildung bei und fördern nicht zuletzt auch die soziale Einbindung.

25 Prozent der Mädchen mit Migrationshintergrund, so die Studie, treiben keinen Sport. Dies mag damit zusammenhängen, dass Sport für Frauen in vielen Herkunftsländern ein Tabu ist. Wie gehen Sie da vor?
Die jungen Frauen zu Volksläufen motivieren zu wollen, wäre der falsche Weg. Sie brauchen einen Rahmen fernab der Öffentlichkeit und Trainerinnen und Trainer, die Vorbilder sind und auch die Eltern miteinbeziehen können. Denn oft geraten die jungen Frauen in einen Konflikt, wenn Sport an der Schule gefördert wird oder in ihren Peergruppen als cool gilt, die Eltern aber dagegen sind. Das Bundesamt für Sport hat deshalb mit der Laureus Stiftung Schweiz spezifische Angebote erarbeitet, wie etwa das nationale Tanzprojekt «DanceQweenz» oder «Girls in Sport»-Camps, mit dem Ziel, Mädchen gezielt zu fördern.

Dennoch: Mit 16 oder 17 ist der allgemeine Exodus von Frauen aus dem Sport am grössten. Weshalb?
In diesem Alter endet die obligatorische Schulzeit und damit auch der Schulsport. Eine Sportlektion pro Woche ist an Berufsschulen zwar nach wie vor Vorschrift. Aber die ist oft frühmorgens oder am Ende des Tages, was nicht ideal ist.

Der öffentliche Fokus liegt noch immer vor allem auf dem Männersport. Auch dies könnte das weibliche Interesse an Sport schmälern. Was ist zu tun?
Wir haben auch noch viel zu wenig Frauen in den Schlüsselstellen des Sports, in Vereinen, Verbänden oder auf der Ebene des Bundes. Sport muss neu kommuniziert werden. Wir wissen, dass Frauen im Gegensatz zu Männern beim Sport eher Wert auf gesundheitliche Aspekte legen. Also spielt es schon bei der Rekrutierung von Frauen fürs Sportstudium eine Rolle, welche Bilder wir auf unseren Websites haben, dass wir hervorheben, welche Inhalte das Studium enthält und welche Berufschancen es gibt. Zudem müssen wir bei der Infrastruktur in Stadien und Trainingshallen Fortschritte machen. Saubere Toiletten sind ein Thema. Und ganz wichtig: Für Sportlerinnen braucht es Garderoben, die eine angenehme Atmosphäre haben, die nicht zu kalt und gut beleuchtet sind. Denn noch immer kommt es vor, dass Mädchen, die mit Buben trainiert werden, die schlechteren Garderoben haben.

Die Studie zum Bewegungsverhalten von Jugendlichen wurde dem Bundesamt für Sport von der Laureus Stiftung in Auftrag gegeben. Die Stiftung setzt sich für die Bewegungsförderung von Mädchen und jungen Frauen ein, unabhängig von deren Herkunft oder sozialem Umfeld. Mit dem Projekt «Girls in Sport» soll ein nationales Kompetenzzentrum aufgebaut werden.  

Die WHO hat neue Bewegungsempfehlungen für Erwachsene und Kinder herausgegeben. Während bei den Erwachsenen mehr als 25 Prozent einen Bewegungsmangel aufweisen sind es bei Kinder und Jugendlichen aufgrund des grösseren Bewegungsbedarfs sogar 80 Prozent. Diese Zahl hat sich im letzten Jahrzehnt nicht verbessert. Ideal wären täglich 60 Minuten moderate bis anstrengende körperliche Betätigung. Das hilft Übergewicht zu reduzieren und schützt die psychische Gesundheit der Kinder. An drei weiteren Tagen, so die WHO, sollten die Jugendlichen zudem richtig Sport treiben, um Ausdauer und Muskeln zu fördern. In Frage kommen hierfür zum Beispiel Fussball oder Seilspringen. Wichtig bei der Auswahl der Sportart sei jedoch vor allem eines: Es soll Spass machen.