Angela Eysler hatte schon Monet, Cézanne und Picasso in ihrem Atelier – sie ist selbstständige Restauratorin.
Wenn ich ein millionenschweres Werk auf meinen Arbeitstisch hebe, werde ich kurz nervös, und mir schiesst ganz oft durch den Kopf: Fall jetzt bitte nicht einfach auseinander! Es ist nicht mal so der sechsstellige Versicherungswert, der nervös macht. Sondern diese Ehrfurcht vor den grossen Kunstwerken generell, die ich auch nach acht Jahren im Beruf noch verspüre. Das Wissen, dass diese Bilder auch mit allem Geld der Welt nicht ersetzt werden können. Verfliegen wird das wohl nie – und das ist auch gut so. Zu gross ist die Verantwortung, die ich als Restauratorin habe. Gegenüber dem Besitzer und auch gegenüber nachfolgenden Generationen, die all diese Kunstwerke noch betrachten wollen.
Schon als Kind habe ich sehr gern gemalt und mich früh für Kunst interessiert. Mit 17 Jahren wusste ich, dass ich Restauratorin werden möchte. Erst absolvierte ich ein Praktikum in einem Mittelaltermuseum in Köln, dann in Berlin in der Nationalgalerie. Fürs Studium kam ich nach Bern: eine interdisziplinäre Ausbildung in Chemie, Physik, Kunstgeschichte und Handwerk an der Hochschule der Künste.
Welche Bilder ich schon restauriert habe? Das fragen mich viele. Aber da muss man als Restauratorin diskret sein – das verlangen die Kunstsammler. Was ich sagen kann: Es lagen schon viele bekannte Künstler auf meinem Arbeitstisch. Monet? Mal gereinigt. Cézanne? Ja. Picasso? Ja. Klee? Ja.
Meist restauriere ich sogenannte Malschichtsausbrüche. Also Stellen, bei denen die Farbe abgebröckelt ist. Wenn beispielsweise ein grosser Pinselstrich durchbrochen ist, forme ich mit Kittmaterial in Millimeterarbeit die Struktur des Strichs nach. Erst ganz am Schluss kommt die Farbe, die ich dünn auf das geformte Füllmaterial auftrage. An den exakten Ton taste ich mich dabei Stück für Stück heran. Es gibt glücklicherweise nicht nur diesen einen Versuch. Man malt ja auf die eigene Kittung, nicht auf das Original.
Sowieso gilt bei der Restaurierung: Alles, was ich mache, muss jederzeit wieder rückstandslos entfernt werden können. Denn wir müssen immer damit rechnen, dass auch mit aller Umsicht vorgenommene Korrekturen in einigen Jahrzehnten wieder sichtbar werden können, weil sich die Farben verändern, dunkler werden zum Beispiel.
Neben Malschichtsausbrüchen gibt es noch zahlreiche andere Blessuren, die ich restauriere. Ich verklebe Risse, entferne Weinflecken – die kommen vor allem bei Privatsammlungen vor, Wachsflecken zumeist bei Kirchenbildern. Natürlich gibt es auch Schäden, die man nicht mehr reparieren kann. Aber man kann immer irgendetwas machen, um den Zustand des Werks zumindest zu verbessern. Oft arbeite ich an einem Bild mehrere Tage. Die Kosten dafür erreichen dann schon mal die Dimension für einen Kleinwagen. Das heisst aber nicht, dass ich auch so viel verdiene. Meine Farben und Chemikalien sind teuer, ebenso ihre spezielle Lagerung. Wie viele Bilder ich pro Monat restauriere? Das variiert stark. Nächsten Monat werden wohl drei Gemälde auf meinen Arbeitstisch kommen.
Je länger ich an einem Werk arbeite, desto intimer wird das Verhältnis zu ihm. Es sind für mich berührende Momente, wenn es bei der Arbeit nackt vor mir liegt, ohne Glas, ohne Goldrahmen. Ganz verletzlich. Man kommt dem Werk sehr nah – und auch dem Künstler. Bei der intensiven Betrachtung, auch unter dem Mikroskop, entdeckt man zum Beispiel bestimmte Eigenheiten. Gelegentlich kommt unter einem bestehenden Objekt ein anderes Gemälde hervor, das vom Künstler komplett verworfen worden war – wohl aus ökonomischen Gründen hatte er die Leinwand dann einfach wieder verwendet. Und bei vielen Werken sieht man kleine Abweichungen von der Skizze in der endgültigen Ausführung – etwa einen übermalten Blumenstrauss oder Stuhl. Auch die ganz grossen Meister der Malerei sind eben nicht einfach vom Himmel gefallen.