Begegnung mit Polo-Star Ignacio «Nacho» Figueras
- Text: Morgan Spencer; Fotos: Arnaldo Arnaya/Courtesy of Ralph Lauren
Man möchte mit Igancio Figueras über alles reden. Ausser über Polo. Er möchte mit uns über nichts reden. Ausser über Polo. Schliesslich ist er ja auch Polo-Star.
Keine hundert Meter entfernt von einem verschneiten, aber zunehmend matschigen Polofeld bei der Aspen World Snow Polo Championship sitzt Ignacio «Nacho» Figueras – das Gesicht von Ralph Lauren und selbst ernannter Botschafter des Polosports – auf einer Steinbank und träumt davon, von einer anderen Seitenlinie aus zu applaudieren. «St. Moritz im Vergleich hierzu?», sagt der 34-jährige Vater dreier Kinder, der seit elf Jahren Ralph Laurens wichtigstes Zugpferd ist. «St. Moritz ist mit Abstand der bekannteste Schneepolo-Event der Welt. Von ganz anderem Kaliber», sagt er, und ein bubenhaftes Lächeln umspielt seine Mundwinkel, während sich sein Blick in der Ferne verliert. «Im Vergleich dazu ist das hier nichts, der reine Witz. Die Pferde sind nicht besonders, wissen Sie. Es ist bloss …» – wieder lässt Figueras den Blick über die Landschaft schweifen, als suche er nach etwas Positivem, das er noch anhängen könnte – «… ist schon okay.»
Auch der grösste Champion kann sich vergaloppieren, wenn er mit ansehen muss, wie sein Sport verroht, wie ein Haufen alter Klepper über ein mit Matsch bedecktes und mit Plastikfähnchen abgestecktes, improvisiertes Fussballfeld hoppeln und schlittern. Figueras bemerkt seinen Ausrutscher sofort und sammelt sich. «Natürlich will ich gewinnen, so bin ich nun mal, wissen Sie. Ich würde mein Leben dafür geben, hier zu gewinnen, genauso wie in St. Moritz und dem Rest der Welt. Wenn ich einmal auf dem Feld bin, will ich gewinnen. Nur das zählt. Dann denke ich nicht an einen besseren Event oder ob ich von mehr oder weniger Leuten gesehen werde. Ich will siegen, weil ich Sportler bin», sagt Ignacio Figueras, den alle nur «Nacho» rufen, weil sie in Argentinien, wo er herkommt, alle Ignacios «Nacho» rufen – «ausser meine Drittklasslehrerin, die nannte mich immer Ignacio».
Figueras spielt für Ralph Laurens Team. Wenn in St. Moritz das weltweit prestigeträchtigste Winterpoloturnier stattfindet, bereitet er sich normalerweise in Florida auf die neue Saison vor. Aber er hat viele Bilder gesehen und viele Geschichten gehört. Nachdem er in all den Jahren bei so vielen Polo-Events angetreten ist und jetzt selber Turniere ausrichtet, ist seiner Stimme nicht der geringste Zweifel anzumerken, als er sagt: «Ich bin richtig aufgeregt. Das wird ein grosser Spass.»
annabelle: Warum gerade jetzt? Was lässt sich daraus ableiten, dass «Nacho» und Ralph Lauren sich schliesslich entschlossen haben, die sprichwörtlichen Schneeschuhe von St. Moritz anzuschnallen?
Ich glaube, das ist das Ergebnis harter Arbeit, wissen Sie. Ralph und ich arbeiten eng zusammen und beschäftigen uns eingehend mit Polo. Ich glaube, das kann dem Sport nur guttun. Und es ist gut für St. Moritz.
Gestern Abend haben Sie eingestanden, dass Sie eine Sammlung von 48 verschiedenfarbigen Kaschmirpullovern von Ralph Lauren besitzen. Bitte erklären Sie mir das.
Na ja, ich bin sehr glücklich darüber, mit Ralph Lauren zu arbeiten und ihn seit elf Jahren zu repräsentieren. Und nach elf Jahren geniesse ich gewisse Privilegien. Wissen Sie, wenn ich bei einem Fotoshooting gefragt werde «Was gefällt Ihnen denn?», dann behalte ich etwas oder suche mir einen Pullover aus, nicht wahr? Die sind nämlich was für die Ewigkeit, kann ich Ihnen sagen. Sie sind wunderschön. Und irgendwann habe ich eine Sammlung angefangen. Wissen Sie, ich kaufe mir welche, und die schenken mir welche, und das läuft jetzt seit elf Jahren so – die sind toll.
Und all diesen Kaschmirnuancen zum Trotz pochen Sie darauf, dass es beim Polo nicht um Luxus und Überfluss geht?!
Leider wird Polo immer so wahrgenommen. Aber wenn Sie länger damit zu tun gehabt haben, merken Sie, dass das einfach Menschen sind, die etwas für Pferde übrig haben. Und wir lieben unsere Arbeit. Wissen Sie, da entwickeln sich Freundschaften, und es gibt diesen starken Zusammenhalt zwischen Polospielern aus aller Herren Länder. Natürlich kann Polo auf einem gewissen Niveau teuer werden. Aber das ist – wissen Sie, all diese Pferde und all die Spieler, wir kommen von Gestüten, sind geritten und haben mit unseren Freunden Polo gespielt. Beim Polo geht es vor allem um eines, wissen Sie: Man ist zusammen und übt einen Sport aus, kümmert sich um die Pferde und lernt sie kennen. Die Pologemeinschaft zieht an einem Strang, wissen Sie, und es geht definitiv nicht um Geld oder darum, es aus dem Fenster zu werfen. Nein, es geht darum, zusammen zu sein und sich richtig um die Pferde zu kümmern. Es geht um den Sportsgeist, darum, all die Pferde und Spieler um sich zu haben. Das ist das Wichtigste. Ehre ist das Wichtigste.
Sie haben eine grosse Rolle dabei gespielt, ein neues Zeitalter für das Polospiel einzuläuten. Heute sehen mehr Unternehmen einen Wert darin, die Veranstaltungen zu sponsern und über Polo ihre Produkte zu vermarkten. Ich nehme an, dass das dem Sport Ihrer Meinung nach nützt.
Ja, das ist grossartig für Polo, denn noch vor vielleicht acht bis zehn Jahren wurde Polo von reichen Männern finanziert. Ich glaube, in den letzten Jahren hat sich die Situation sehr gebessert, und viele Unternehmen haben dem Spiel den Rücken gestärkt. Das ist toll, weil es für Aufmerksamkeit sorgt. Ausserdem fliesst dadurch mehr Geld in den Sport, und man kann bessere Veranstaltungen ausrichten. Meiner Meinung nach dauert es nicht mehr lange, bis auch die grossen Fernsehsender darauf aufmerksam werden. Wenn erst mal genug Firmengeld in einem Sport steckt, dann kann man sich auch Sendezeit leisten. Und ich glaube, wenn der Sport mehr im Fernsehen kommt und die Leute ihn besser kennen lernen, dann schaukelt sich das gegenseitig hoch, und Polo wächst.
Sie träumen also von dem Tag, an dem die Anhängerschaft gross genug ist, um Polo auch ohne reiche Männer zu unterstützen?
Ja, daran glaube ich. Ja. Ich vergleiche Polo gern mit Golf. Es gibt ja schliesslich jede Menge tolle Turniere. Und ich glaube, das wird so bleiben – die Gönner und ihresgleichen werden bleiben. Unter denen sind grossartige Spieler. Und echte Pferdeliebhaber. Ich hoffe sehr, dass die am Ball bleiben. Ich bin zuversichtlich. Aber ich sehe einen kleinen Markt für Polo, wissen Sie, ungefähr so wie in Argentinien, wo vier grosse Spieler gegen vier grosse Spieler antreten. Dann ist das eine andere Erfahrung. Auch die Atmosphäre ist anders. Und ich glaube, das wollen die Unternehmen unterstützen.
Welche Fähigkeiten braucht man, um zu den besten Polospielern zu gehören?
Die Fähigkeit, das Pferd zu kontrollieren und zu kennen wie sonst keiner, oder? Das ist ganz wichtig. Das Verhältnis zwischen Spieler und Pferd ist eine ganz besondere Beziehung. Und wissen Sie was? Den guten Spielern merkt man das an. Das macht den eigentlichen Unterschied aus. Denn dann können Sie aufs Feld gehen und Sachen machen, die weniger gute Spieler eben nicht hinkriegen. Und wenn Sie das mal geschafft haben und ein Pferd beherrschen, ist es eine Frage der Feinmotorik. Ein Mann, der den Ball trifft. Es braucht einen Mann, der den Ball trifft, Spiele gewinnt und organisieren kann. Wissen Sie, man braucht eine gute Pferdeversorgung, ein anständiges Team, das mit den Pferden arbeitet. Sie wissen schon, tolle Stallmeister, tolle Tierärzte – und wenn man tolle Pferde und eine tolle Organisation hat, ist das schon die halbe Miete. Bessere Teams verpflichten einen, und du kannst besseres Polo spielen.
Am Ende wollen Sie mir noch erzählen, man müsse ein Gentleman sein.
Ja, im Polo ganz besonders. Im Polo wird ein schlechter Mensch schief angesehen. Also ist es im Polo schwerer voranzukommen, wenn man kein guter Mensch ist. Polo ist ein Sport, der volle Aufmerksamkeit und körperliche Gesundheit verlangt, und wissen Sie, wenn man sich nur auf Partys herumtreibt oder sich nicht rund um die Uhr auf den Sport konzentriert, dann wird man es nicht weit bringen. Der Mensch ist noch nicht erfunden worden, der so talentiert wäre, dass er ein ausgezeichneter Spieler würde, ohne täglich zu reiten.
Sie reiten täglich?
Sie wissen ja, ich bin vor zwei Tagen hier angekommen. Ich bin Ski gefahren, nicht geritten. Der Ort ist etwas Besonderes. Aber sonst, klar, wo immer ich zum Polospielen hinkomme, müssen die Pferde und ich sich aneinander gewöhnen. Also muss ich vor den Spielen jeden Tag reiten, damit die Pferde auf die Spiele vorbereitet sind. Wissen Sie, Sportler sind Identifikationsfiguren. Und ich habe den Eindruck, dass Sportler mit schlechtem Charakter da nicht mehr an erster Stelle stehen. Sie sind nicht mehr so beliebt. Ich glaube, dass Kinder zu Sportlern wirklich aufsehen. Und als Eltern wollen wir, dass unsere Kinder jemanden vergöttern, der ein Vorbild ist. Ich meine, er muss sich anständig benehmen, weil Ihr Kind schliesslich zu ihm aufsieht. Und deshalb, glaube ich, ist die Welt ziemlich hart für Leute, die nur beim Sport gute Menschen sind.
Gestern haben Sie das von Ihrem Mannschaftssponsor ausgerichtete Essen sausen lassen und hatten stattdessen ein Tête-à-tête mit Ihrer Frau.
Stimmt, bevor ich sie dort getroffen habe, sind wir mit den Kindern essen gegangen. Wir waren in einem auf Kinder spezialisierten Restaurant namens «Little Annie’s». Und dann habe ich dort mit ihnen zusammen gegessen. Danach bin ich zu einer Verlosung gegangen, bei der ich mich zeigen musste, weil sie wichtig war. Deshalb hat meine Frau die Kleinen ins Hotel und ins Bett gebracht. Dann habe ich sie abgeholt, und wir sind essen gegangen.
Dann haben Sie also auch eine Geheimstrategie für die Liebe?
Da lassen wir uns immer wieder was Neues einfallen. Heute sind wir hier. Morgen in Argentinien. In drei Tagen sind wir in Uruguay. Nächste Woche in Puntalette, wissen Sie, am Strand, weil ich da auch eine Poloveranstaltung habe. Und dann fahren wir alle zusammen mit den Kindern auf ein Gestüt, um uns die Pferde anzusehen und uns mit den Fohlen zu vergnügen. Wieder drei Wochen später sind wir in der Schweiz in St. Moritz. Und danach, wer weiss? Stimmts? Wissen Sie, ich glaube, wir haben uns einfach in die Augen gesehen und gesagt «Komm, wir gehen essen, nur wir beide». Das Tolle an uns ist, dass wir seit 13 Jahren zusammen sind. Wir waren sehr jung. Wir wurden ein Paar, als sie 19 war und ich 21. Deshalb sind wir eher beste Freunde als alles andere, wissen Sie. Wir sind praktisch zusammen aufgewachsen. Wenn jemand für mich sexy ist, geht es um mehr als ums Aussehen. Sexy ist jemand, der mein Leben inspiriert, der auf viele verschiedene Weisen meine Aufmerksamkeit erregt. Nicht nur optisch. Meine Frau ist der Mensch, mit dem ich am meisten Zeit verbringen möchte. Der Mensch, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen möchte. Das ist es, was für mich wirklich sexy ist. Und jetzt sind wir eine wunderbare Familie, wir gehen zusammen auf Reisen und unternehmen viel zusammen. Sie ist eigentlich meine Seelenverwandte.
Übersetzung: Ulrich Blumenbach
1.
«Wenn ich einmal auf dem Feld bin, will ich gewinnen. Nur das zählt»
2.
Familienmensch: Ignacio Figueras mit seiner Frau Delfina Blaquier und den Kindern Hilario, Aurora und Artemio