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Bagatellkündigung: Wegen Salami entlassen

Leben

Bagatellkündigung: Wegen Salami entlassen

  • Interview: Helene AecherliIllustration: Lisa Hartung

Wegen Verzehr einer Salamischeibe fristlos entlassen! Was steckt hinter einer solchen Bagatellkündigung? Die europaweit einzigartige Kündigungsfreiheit in der Schweiz, sagt Heinz Heller, Fachanwalt für Arbeitsrecht.

annabelle: Heinz Heller, ein Verkäufer wird entlassen, weil er eine Salamischeibe gegessen hat. Eine Angestellte erhält die Kündigung, weil sie ein Sandwich isst und es erst im Nachhinein bezahlt. Sind solche Bagatellkündigungen ein Mittel, um in der Krise unliebsame Mitarbeiter loszuwerden?

Heinz Heller: Nein. Der Druck der Krise wird an Massenentlassungen ersichtlich, nicht an vereinzelten Kündigungen von «kleinen» Leuten. Doch sind Bagatellkündigungen von öffentlichem Interesse, weil sich die soziale Schere immer stärker öffnet: Da die Banker, die trotz Milliardenverlusten hohe Boni kassieren, dort der einfache Angestellte, der wegen einer Bagatelle entlassen wird. Diese Diskrepanz ist einfach stossend.

Trotzdem: Eine Salamischeibe als Kündigungsgrund ist doch absurd, oder?
Sehen Sie, für deliktisches Handeln gibt es keine Untergrenze: Selbst wer fünf Rappen entwendet, begeht ein Delikt, und das sollte nicht bagatellisiert werden. Aber gerade solche kleineren Vergehen sind oft der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und zur Kündigung führt. Das heisst, es sind in aller Regel schon vorher Dinge passiert, die Animositäten verursacht haben. Das ist vor allem in kleineren Betrieben der Fall.

Salami-Gate ist aber bei einem Grossverteiler passiert.

Bei fristlosen Entlassungen in Grossunternehmen beobachte ich folgendes Phänomen: Verantwortliche von Personalabteilungen, die im Fall einer Kündigung vom Vorgesetzten mit einbezogen werden müssen, sind im Arbeitsrecht häufig mangelhaft qualifiziert und zudem weit weg vom eigentlichen Geschehen. Aus diesen Gründen kann es vorkommen, dass Entlassungen überstürzt und ungerechtfertigt ausgesprochen werden. Dennoch gilt selbst beim kleinsten Delikt: Jeder Fall hat zwei Seiten. Und die müssen angehört werden.

Sind Bagatellkündigungen überhaupt erlaubt?
Ja. Die liberale Kündigungspraxis der Schweiz wird gegenüber ausländischen Unternehmen sogar offen als Standortvorteil verkauft. Einem Arbeitnehmer darf jederzeit gekündigt werden, sofern die Kündigung nicht im Einzelfall verboten ist, weil sie missbräuchlich ist oder zur Unzeit erfolgte. In allen anderen europäischen Ländern ist es umgekehrt: Die Kündigung ist verboten, sofern sie nicht im erlaubt ist. Unsere Praxis der Kündigungsfreiheit kommt damit dem amerikanischen «hire and fire» sehr nahe.

Was heisst das für mich als Arbeitnehmerin?
Darf ich von meinem Arbeitsplatz einen Block mit nach Hause nehmen? Rechtlich gesehen nein. Der Block gehört dem Arbeitgeber. Anders ist es, wenn Sie den Block mit nach Hause nehmen, um damit von zu Hause aus für Ihre Firma zu arbeiten.

Das ist aber eine Gratwanderung, oder?
Und eine Ermessensfrage. Ich rate Arbeitnehmern deshalb, immer genau abzuchecken, welche Regelungen der Arbeitgeber erstellt hat, und im Zweifelsfall mit dem Vorgesetzten zu reden, bevor man etwas tut. Zum Beispiel fragen, ob man ein Sandwich aus der Auslage nehmen und später bezahlen darf. Dann weiss die Kollegin, dass die Absicht da war, das Sandwich zu bezahlen. Um ganz sicherzugehen, soll man sich die Bestätigung unter Umständen auch schriftlich geben lassen. In den USA nennt man dies ein «safe your ass mail».

Infos: www.rechtsanwalt-zuerich.ch