Kurz vor dem Start des Human Rights Film Festival Zurich verrät Festivaldirektorin Sascha Lara Bleuler, was das Publikum in den kommenden Tagen erwartet.
Bereits zum dritten Mal findet das Human Rights Film Festival Zurich statt. Los geht es heute, am 6. Dezember in den Kinos Riff Raff und Kosmos. Bis zum 10. Dezember, dem internationalen Tag der Menschenrechte, werden 20 internationale Dokumentar-, Spiel- und Kurzfilme gezeigt. Im Anschluss an die Filme kann das Publikum mit geladenen Gästen diskutieren.
annabelle.ch: Sascha Lara Bleuler, das diesjährige Festival ist eine visuelle Gebrauchsanweisung für den Umgang mit autoritären Mächten. Gleichzeitig ist es mutigen Menschen gewidmet, die sich gegen Unterdrückung und für Freiheit einsetzten. Was hat Sie zu diesem Fokus inspiriert?
Sascha Lara Bleuler: Im vergangenen Jahr gab es besorgniserregende politische Entwicklungen, die viele ratlos zurückliessen. Die Wahl von Donald Trump als US-Präsident oder die Ereignisse in der Türkei sind konkrete Beispiele dafür. Im Fall der Türkei hat sich dies auch auf die Filmschaffenden ausgewirkt. Ihre künstlerische Freiheit wurde extrem eingeschränkt, die Arbeit ist gefährlich oder oft gar nicht mehr möglich. Das wirkt sich natürlich auch auf die Filmauswahl an unserem Festival aus. Wir zeigen Stellvertreter-Filme für diese aktuelle Problematik. Denn autoritäre politische Verhältnisse und eingeschränkte Redefreiheit findet man nicht nur in der Türkei, sondern auch in anderen Ländern. «Tickling Giants» zum Beispiel zeigt die Arbeit des Satirikers Bassem Youssef aus Ägypten. In seiner TV-Show kämpft er mit der Waffe des Humors unerschrocken gegen den Machtmissbrauch der wechselnden Regimes – nicht ohne Konsequenzen.
USA, Türkei, Ägypten – wie sieht es in Europa aus?
Der Rechtsrutsch und die Flüchtlingskrise finden auch hier statt. Es zeigt sich eine Überforderung mit diesen Themen und deren Auswirkungen. Der Spielfilm «Amerika Square» macht deutlich, was es heisst, wenn Einheimische und Flüchtlinge in Griechenland aufeinandertreffen. Der Film greift damit ein Thema auf, das auch in den umliegenden Ländern und in der Schweiz sehr aktuell ist.
Welcher ist für Sie der mutigste Film in diesem Jahr?
Der Film «Chasing Asylum» gehört mit Sicherheit dazu. Gerade, wenn es um das Risiko beim Drehen geht. Er wurde mit einer versteckten Kamera gefilmt und gibt einen erschütternden Einblick in australische Asylzentren, die – ausgelagert auf zwei Inseln – Gefängnissen gleichen. Die Menschen werden dort ohne Asylverfahren festgehalten und misshandelt – entgegen jeglicher UNO-Konventionen. Dabei handelt es sich bei Australien um ein vermeintlich modernes demokratisches Land. Der Film schockiert vielleicht gerade deswegen, weil diese Zustände unerwartet sind und aus den Medien wenig über sie bekannt ist.
Im Anschluss an die Filme finden Paneldiskussionen statt. Auf welche Gäste darf man sich freuen?
Mit grosser Spannung erwarten wir Nobelpreisträger Muhammad Yunus aus Pakistan. Für uns ist es eine Ehre, ihn am Festival zu empfangen. Er ist unter anderem für die Entwicklung eines Mikrokredit-Systems bekannt, welcher im Jahr 2006 in Zusammenarbeit mit der Grameen-Bank den Friedensnobelpreis einbrachte. Muhammad Yunus wird nach dem Film «Powerless» an der Diskussion teilnehmen – dabei soll es um den Zusammenhang zwischen Energieversorgung und Menschenrechten gehen.
Und auf wen freuen Sie sich am meisten?
Ganz persönlich freue ich mich auf den Hauptprotagonisten des Films «Tickling Giants», Bassem Youssef. Ich bin ein grosser Fan seiner Arbeit als Satiriker. Es ist toll, ihn persönlich kennenlernen zu können.
– Weitere Informationen zum Festival
1.
«Der Spielfilm zeigt die Geschichte einer jungen Frau, Zahira. Ihre Eltern stammen aus Pakistan. Von dort soll auch Zahiras zukünftiger Ehemann stammen. Doch Zahira ist in Belgien gut integriert, modern und hat eigentlich andere Pläne. Für die Eltern ist die arrangierte Ehe ein letztes Stück unumstösslicher Tradition. Was das für die junge Frau bedeutet, zeigt Lina Al Arabi als starke Hauptdarstellerin auf sehr eindrückliche Art und Weise.»
2.
«Der Dokumentarfilm besticht mit der wohl mutigsten Protagonistin am diesjährigen Festival, der Dichterin Hissa Hilal aus Saudi-Arabien. Sie trägt Gedichte in einer männerdominierten TV-Show vor und ist dabei eine wahre Inspiration. Sie ist Feministin, kämpft für die Gleichstellung von Mann und Frau und gegen religiösen Extremismus. Ihre Strahlkraft reicht aber weit über Saudi-Arabien hinaus. Was man von ihr als Figur und Heldin lernen kann, ist universell. Auch wenn die Situation in Saudi-Arabien in keinem Masse mit derjenigen in der Schweiz vergleichbar ist – auch bei uns sind wir mit dem Thema Sexismus und Gleichstellung noch nicht durch.»