Leben
Auf diese Filme freuen wir uns im Februar
- Text: Leandra Nef; Fotos: Filmcoopi Zürich/Marc Schmidt, Weit um die Welt
Die Welt umrunden, Unbekanntes entdecken, sich der Täuschung hingeben: Der nächste Monat hat cineastisch viel mehr zu bieten als «Fifty Shades of Grey» zum Dritten.
Kinobesuche sollen inspirieren, zum Träumen anregen oder durchaus auch einmal verstören. Wir stellen unsere Filmfavoriten des Februars vor – und nein, «Fifty Shades Freed» gehört nicht dazu.
«Weit»
«Wir wollen so lang nach Osten reisen, bis wir irgendwann von Westen wieder nachhause kommen.» Das ist das Ziel von Gwendolin Weisser und Patrick Allgaier. Sie wollen es erreichen, ohne ein einziges Mal in ein Flugzeug zu steigen. Und so machen sie sich auf den Weg, ohne Erwartungen, dafür mit umso mehr Neugier. Sie fahren mit dem Lastwagen durch die kasachische Steppe, per Autostopp durchs Pamirgebirge in Tadschikistan, wo man den Sommer daran erkennt, dass der Schnee, der in grossen Flocken vom Himmel schneit, nicht liegen bleibt. Sie fahren mit dem Motorrad durch die iranische Wüste, mit Begleitschutz durch Belutschistan, gegen jede Warnung durch Pakistan und merken, dass dieses Land viel mehr zu bieten hat als Terror und Gewalt. Sie wandern 200 Kilometer durchs Himalajagebirge, lassen sich in Georgien von der Musik verzaubern, im Iran von der Gastfreundschaft. Wollen über Sibirien mit dem Schiff bis nach Kanada, werden schwanger, ändern ihren Plan, reisen mit einem Containerschiff durch den Pazifik bis nach Mexiko, kaufen sich einen VW-Bus, bekommen ihren Sohn, reisen weiter.
Gwendolin Weisser und Patrick Allgaier verzaubern die Menschen mit ihrem Film. Sie haben ihn selbst gedreht, in den drei Jahren und 110 Tagen ihrer Reise um die Welt. Sie zeigen, wie unterschiedlich Menschen in unterschiedlichen Kulturen leben und wie ähnlich sie sich doch sind. Begleiten Frauen und Männer, die fast nichts haben und trotzdem strahlen. Sie fangen die Schönheit der Welt ein.
Wer nach diesem Film nicht aufbrechen und die Welt entdecken will, der hat das Leben nicht verstanden.
– «Weit», ab 1. März, Livereportagen mit Regiebesuch ab sofort, Informationen auf weitumdiewelt.de
«The Florida Project»
«The Florida Project» ist ein optisches Feuerwerk: türkisblaue Haare, ein violettes Motel, getaucht ins Licht der untergehenden Sonne, der pinke Himmel. Die Szenerie steht im krassen Kontrast zum trostlosen Leben, das die Menschen in einem billigen Motel vor den Toren von Disney World in Orlando fristen. Zu diesen Menschen gehören auch eine junge Mutter und ihre Tochter, deren bedingungslose Liebe zueinander im Film auf wundervolle Weise zum Ausdruck kommt. Es ist eine junge Mutter ohne Geld und Perspektive, die in Nachtclubs tanzt, um die Miete bezahlen zu können, und die für ihre Tochter Moonee eigentlich keine Mutter ist, sondern eine Freundin, die der Kleinen ein unbeschwertes Leben ermöglichen möchte. Sie bespasst ihre Tochter darum auch mehr, als sie zu erziehen, mit einer Attitüde irgendwo zwischen unbekümmert und unverantwortlich. Kein Wunder, dass Moonee ein rotzfreches Mädchen voller erfrischend-kindlicher Neugier ist, das gemeinsam mit seinen Freunden allerlei Dummes anstellt, um aus dem langweiligen Trott des Motelalltags auszubrechen: Autos bespucken, Geld für Glace schnorren, Touristen mit Wasserballons bewerfen. Bis die Geschichte eine traurige Wendung nimmt.
Der Regisseur des Films, Sean Baker, ist kein Unbekannter. Er sorgte für Furore, weil er seinen früheren Film «Tangerine L. A.» mit einem iPhone 5s drehte. Baker schafft es, «The Florida Project» mit viel Liebe zum Detail und subtilen Andeutungen eine ungeheure Tiefe zu geben. Und auch sein Cast besteht aus Ausnahmekönnern: Willem Dafoe, der den Motelmanager Bobby spielt, ist für einen Oscar als bester Nebendarsteller nominiert. Brooklynn Prince, Darstellerin der 6-jährigen Moonee, hat Preise für Best Breakthrough Performance und als beste Jungdarstellerin gewonnen. Und Bria Vinaite, die in ihrer Rolle als Mutter Halley aufgeht, hatte vor «The Florida Project» keinerlei Schauspielerfahrung – sie wurde via Instagram gecastet.
Die kleine Moonee zaubert dem Filmpublikum mit ihren Dummheiten unweigerlich ein Lächeln ins Gesicht. Und lässt es gleichzeitig über elementare Fragen des Lebens nachdenken. Ein starker Film!
– «The Florida Project», ab 8. Februar
«L’Amant double»
Chloé Fortin leidet unter unerklärlichen Bauchschmerzen und Depressionen. Ihre Ärzte schicken sie deswegen in die Psychotherapie. Und die schlägt besser an als erwartet: Chloé und ihr Therapeut Paul Meyer beginnen eine Affäre, ziehen kurz darauf zusammen. Doch schon bald merkt Chloé, dass Paul ihr etwas verheimlicht. Er hat seinen Namen geändert, in der Stadt scheint es ausserdem einen Doppelgänger zu geben. Der gleicht ihm aufs Haar, ist ebenfalls Therapeut, nur der Charakter stimmt nicht. Pauls Doppelgänger ist zynisch, machtgierig, arrogant. Ein böser Zwilling – im wahrsten Sinne des Wortes. Vor allem aber ist Pauls Doppelgänger unglaublich anziehend. «L’Amant double» bewegt sich zwischen Realität und Fiktion, zwischen knisternder Erotik und Hysterie. Der Film zieht seine Zuschauer magisch an und ist gleichzeitig so verstörend, dass sie mit zusammengekniffenen Augen und angehaltenem Atem in ihren Kinosesseln sitzen – in der Hoffnung, dass bald eine angenehmere Szene über die Leinwand flimmert. Mit fortschreitender Handlung ist – Sie ahnen es – eher das Gegenteil der Fall.
«L’Amant double». Der Erotikthriller des französischen Regisseurs François Ozon könnte keinen treffenderen Namen tragen. Marine Vacth, die schon in Ozons Film «Jeune et Jolie» eine hemmungslose Verführerin mimte, spielt darin die weibliche Hauptrolle.
In diesem Sinn: Lassen Sie sich verführen – und glauben Sie nicht alles, was Sie sehen.
– «L’Amant double», ab 15. Februar
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