Matthias Mölleney ist Präsident der Zürcher Gesellschaft für Personal-Management. Im Interview spricht er über Chancengleichheit, fatale Fragen beim Vorstellungsgespräch und erklärt, warum er die Frauenquote für sinnlos hält.
Matthias Mölleney, Chancengleichheit ist in der Schweiz gesetzlich verankert. Aber haben Frauen und Männer heute beruflich wirklich die gleichen Chancen?
Früher scheiterten die beruflichen Wünsche von Frauen oft an den Möglichkeiten. Wenn beispielsweise eine Mutter hätte arbeiten wollen, wäre ihr Traum vermutlich an einem fehlenden Betreuungsplatz für ihr Kind geplatzt. Hier hat sich in den letzten Jahren viel verbessert.
Dennoch lautet das am weitesten verbreitete Familienmodell in der Schweiz: Die Frau arbeitet Teilzeit, der Mann Vollzeit.
Wenn jemand – egal ob Frau oder Mann – ins obere Kader aufsteigen möchte und sieht, dass es dort nur Vollzeitmitarbeitende hat, dann ist es schwierig, sich für Teilzeit zu entscheiden. Frauen waren bisher tendenziell weniger aufstiegsorientiert als Männer und haben das Teilzeitangebot eher genutzt.
Wer Teilzeit arbeitet, kann also keine Karriere machen?
Diese Ansicht besteht nach wie vor, sie stimmt aber nicht mehr. Eine Führungskraft, die Vollzeit arbeitet, ist nicht zwangsläufig besser als eine, die nur 60 Prozent arbeitet. Das ist tatsächlich etwas, was die Unternehmen überdenken müssen. Es gibt aber noch andere Gründe, warum Männer eher Vollzeit arbeiten: Teilzeitarbeitende Männer sind, was den Lohn betrifft, die am stärksten diskriminierte Mitarbeitergruppe.
Wie jetzt? Sind das nicht die Frauen?
Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern gibt es leider nach wie vor. Aber die Lohnunterschiede zwischen Vollzeitlern und Teilzeitlern sind viel gravierender. Vollzeitarbeitende Männer verdienen in der Schweiz am besten. Danach kommen Frauen mit Vollzeit- und Teilzeitstellen. Männer mit Teilzeitstellen bilden das Schlusslicht. Bei ihnen heisst es schnell einmal: Der kann froh sein, dass er Teilzeit arbeiten darf, der will eh keine Karriere machen.
Das ändert aber noch nichts daran, dass Frauen auch heute noch bis zu 20 Prozent weniger verdienen als Männer. Was kann man gegen ungerechtfertigte Lohnunterschiede tun?
Man darf den Vorgesetzten gar nicht erst die Chance geben, Frauen zu diskriminieren. Darum kämpfe ich seit zwanzig Jahren dafür, dass die unsinnige Frage «Welche Lohnvorstellungen haben Sie?» bei Vorstellungsgesprächen nicht mehr gestellt wird. Solange man über Löhne verhandeln kann, wird es nie Lohngleichheit geben – irgendjemand argumentiert immer besser.
Wie soll der Lohn denn festgelegt werden?
Ein seriös geführtes Unternehmen hat ein mehr oder weniger ausgeklügeltes System, um Stellen zu bewerten und Mitarbeitenden einen adäquaten Lohn zuzuordnen. Die Kriterien, nach denen Mitarbeitende beim Lohn eingestuft werden – Leistung, Erfahrung, Schnelligkeit –, müssen transparent sein. Ein Unternehmen weiss so schon vor dem Bewerbungsgespräch, welcher Lohn einem Kandidaten zusteht. Thema erledigt.
Gut, so viel zum gerechten Lohn. Wie aber bringt man mehr Frauen in die Führungsetage?
Schon mal vorweg: Ich bin strikt gegen eine Frauenquote. Eine Studie der Universität St. Gallen hat zwar herausgefunden, dass männliche Vorgesetzte bevorzugt Männer einstellen. Wer aber denkt, das ändert sich mit einer weiblichen Vorgesetzten, der irrt: Auch Frauen bevorzugen eher Männer. Die Annahme, dass Frauen in Kaderpositionen automatisch andere Frauen fördern, stimmt also nicht.
Was also kann ein Unternehmen für die Frauenförderung tun?
Das eben erklärte Phänomen gilt für männlich dominierte Unternehmen – also für die meisten Unternehmen in der Schweiz. Bei Unternehmen mit mehr Frauen funktioniert es aber genau anders herum: Hier werden Frauen bei der Stellenbesetzung sowohl von männlichen als auch von weiblichen Vorgesetzten bevorzugt. Man könnte also versuchen, dem Unternehmen einen weiblicheren Charakter zu geben.
Wie soll das denn gehen, wenn nicht mit einer Frauenquote?
Das Ziel ist es, als Unternehmen so attraktiv zu sein, dass schon bei der Ausschreibung von Kaderstellen ein hoher Anteil der Bewerbungen von Frauen kommt. Nehmen wir das Beispiel Fluggesellschaft: Dort arbeiten meist viel mehr Frauen als Männer. Trotzdem ist das Kader oft überwiegend männlich – das darf man ruhig hinterfragen. Wenn sich auf Führungspositionen deutlich weniger Frauen als Männer bewerben, dann macht das Unternehmen vermutlich etwas falsch. Es muss kreativ werden und Frauen gezielt ansprechen. Wenn der Anteil der Bewerberinnen steigt, steigt auch automatisch der Anteil von Frauen in Chefpositionen.
Hinweis: Am Donnerstag, 9. März, zeigt SRF 1 um 20:05 Uhr den Dok-Film «Zwischen Kind und Karriere» unter anderem mit Matthias Mölleney