Werbung
Auch nette Kerle wie Sergio Agüero können Sexisten sein

Auch nette Kerle wie Sergio Agüero können Sexisten sein

  • Text: Kerstin Hasse; Foto: Getty Images

Der Fussballer Sergio Agüero hat in einem Spiel mit seiner Mannschaft Manchester City der Linienrichterin Sian Massey-Ellis an die Schulter gegriffen, weil er mit ihrer Entscheidung nicht einig war. Die Grenzüberschreitung war auf mehreren Ebenen nicht okay – und trotzdem bleibt er unbestraft.

Es war nur ein kleiner Augenblick in diesen neunzig Minuten. Der Spieler Sergio Agüero steht letzten Samstag für Manchester City auf dem Fussballfeld und diskutiert mit Linienrichterin Sian Massey-Ellis über ihre Entscheidung, er scheint unzufrieden. Als die beiden an der Seitenlinie entlanggehen, packt Agüero Massey-Ellis an der Schulter, sie zuckt zusammen und löst sich flink aus seinem Griff.

«Er sollte gesperrt werden»

Die Szene sorgte sofort für Furore in der Presse und auf Social Media – die Diskussionen wurden über die letzte Woche hinweg immer hitziger. «Guardian»-Journalistin Suzanne Wrack nannte das Verhalten des Fussballers «eine Schande, unprofessionell und bevormundend». Die Sportjournalistin Leanne Prescott forderte eine nachträgliche Strafe. «Wenn das ein Mann gewesen wäre, dann hätte er das niemals gemacht», twitterte Prescott. «Er realisiert nicht einmal, was er tut. Er sollte dafür gesperrt werden.

 

Da waren aber auch viele andere Kommentare – off- und online, und in erster Linie von Männern – die Agüero verteidigten. Allen voran Trainer Pep Guardiola, der nach dem Spiel erklärte: «Kommt schon Leute. Sergio ist der netteste Mensch, den ich je in meinem Leben getroffen habe. Sucht nach Problemen in anderen Situationen, nicht in dieser. Come on!»

Blinde Verteidigung

Guardiola bedient sich damit der ziemlich naiven Ausrede, dass nette Männer keine Sexisten sind. Ach was, come on, er meinte es ja nicht so, seid mal nicht so streng! Jede Frau, die schon mal von einem Typen unangebracht angemacht oder angepöbelt wurde, hat solche Sprüche gehört.

Aber: Auch wer nett ist in seinem Alltag, wer anderen die Türe offenhält, Omas in den Bus hilft oder immer freundlich im Büro grüsst, kann ein sexistisches Ekel sein. Wie ein Mann mit anderen Männern umgeht, so nett es auch sein mag, lässt ausserdem leider nicht darauf schliessen, dass er ähnlich nett zu Frauen ist. Das zu durchschauen, ist eigentlich nicht schwer – und es wundert mich, dass der grosse intellektuelle Pep Guardiola seinen Spieler so blind verteidigt.

Vielleicht liegt das auch daran, dass Guardiola selbst schon diese Grenzen überschritt. Als Trainer von Bayern München im Jahr 2014 beschwerte er sich bei der vierten Offiziellen Bibiana Steinhaus und legte dabei seine Hand auf ihre Schulter. Steinhaus schob Guardiolas Hand daraufhin weg. Auch dieses Verhalten war nicht okay.

Es kann schon sein, dass Agüero sonst ein lieber Typ ist. Dass es nicht seine Absicht war, die Linienrichterin aggressiv oder herablassend zu behandeln. Das heisst aber nicht, dass die Aktion weniger bedrohlich oder sexistisch rüberkam. Man sollte sich doch eigentlich erst recht für einen Fehltritt entschuldigen, der dem eigenen Charakter so gar nicht entspricht. Wenn es total untypisch für ihn ist, dass er eine solche Grenze übertritt, ist es doch auch in seinem Interesse, das klarzustellen und – ganz im Sinn des Fair Play – sich dafür zu entschuldigen. Doch Agüero schwieg bis jetzt zu dem Vorfall.

Klarer Regelverstoss

Selbst wenn man die Genderdebatte zur Seite schieben würde, wäre da noch die Grenzüberschreitung zwischen Spieler und Unparteiischer, die komplett unangebracht ist. Die Regeln besagen, dass eine Berührung der Unparteiischen erst dann ein Vergehen darstellt, wenn diese aggressiv oder bedrohlich ist – die Sachlage ist also eigentlich klar.

Dennoch: Folgen wird Agüeros Verhalten nicht haben – und das liegt allen voran an Schiedsrichter Chris Kavanagh. Wenn er nämlich die Situation als das eingestuft hätte, was sie war – einen klaren Regelverstoss –, hätte Agüero eine gelbe oder sogar rote Karte erhalten können. Kavanagh hätte ein Zeichen setzen können – das vor allem in den noch immer sexistischen Fussballstrukturen wichtig gewesen wäre.