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Antonio Hodgers: der schärfste Politiker der Schweiz

Antonio Hodgers: der schärfste Politiker der Schweiz

  • Text: Stefanie RiguttoFoto: Dorothé Baumann/Dropout; Pop-up: Fotostudio annabelle

Antonio who? Der Fraktionspräsident der Grünen ist in der Deutschschweiz fast unbekannt – dabei ist Antonio Hodgers der wohl schärfste Politiker der Schweiz.

Verdammt, er sieht zum Anbeissen aus. Nicht nur am Fernsehen, wo er uns kürzlich aufgefallen ist. Damals sprach er vor dem Parlament, anlässlich der Bundesratswahlen. Er sagte: «Alle Parteien wollen die Konkordanz. Aber es gibt keine Konkordanz darüber, was Konkordanz ist.» Der Saal lachte, und wir dachten: Antonio Hodgers? Nie gehört, nie gesehen! Dabei sitzt er schon seit 2007 im Nationalrat, für den Kanton Genf. Seit einem Jahr präsidiert der 35-Jährige die Fraktion der Grünen.

Er begrüsst uns beim Eingang zum Bundeshaus, führt ins Café, bestellt einen Cappuccino, sagt da «Bonjour!», nickt dort einer Kollegin zu – alles mit einer Lässigkeit, die man sonst im Schweizer Parlament vergebens sucht. Den Charme hat er im Blut: Antonio Hodgers ist gebürtiger Argentinier. Er flüchtete als Kind mit seiner Mutter aus der Militärdiktatur, nachdem sein Vater von deren Schergen umgebracht worden war. Mit sechs Jahren kam er in die Schweiz und erhielt Asyl, mit 15 wurde er eingebürgert, mit 21, während er noch Internationale Beziehungen studierte, sass er bereits im Genfer Grossen Rat. Ist Jugend ein Kapital im Parlament? Oder eine Bürde? Er sagt: «Beides. Es ist wie bei einer schönen Frau: Sie generiert mehr Aufmerksamkeit, muss sich aber auch mehr beweisen.»

Flirten, das kann er. Und dass er auch noch Tangotänzer ist, erscheint einem schon fast klischiert. «Sehr klischiert», gibt er selber zu und grinst spitzbübisch. Der Eindruck der jugendlichen Unbedarftheit täuscht: Antonio Hodgers weiss genau, wie er eine Debatte lancieren muss. Eben erst erregte sein Vorschlag Aufsehen, den Zivilstand «geschieden» abzuschaffen. Und 2010 löste er eine Polemik aus, als er in der «NZZ am Sonntag» kritisierte, dass das Schweizerdeutsch am Erstarken sei und es den Romands den Zugang zur Deutschschweiz und den Ausländern die Integration erschwere. «Sprechen wir darüber, solange wir uns noch verstehen», schloss er seinen Artikel, der heftige Reaktionen provozierte. «Ich habe damals viel über die Deutschschweizer und ihr Verhältnis zum Dialekt gelernt», sagt er. Mittlerweile hat er sich selber etwas Schweizerdeutsch angeeignet. «Berndeutsch», präzisiert er und sagt: «Äuäää!»

Auf seiner Website listet er all seine Einnahmen als Parlamentarier auf. Taggelder: 34 000 Franken. Spesenvergütungen: 900 Franken. Und so weiter. «Die Bevölkerung hat ein Recht darauf, zu erfahren, wie viel der Politiker verdient, den sie gewählt hat», sagt er. «Das sollte eigentlich normal sein.» Er mag keine Spielchen in der Politik, die «Nacht der langen Messer» vor den Bundesratswahlen etwa ist ihm ein Gräuel. «Das ist einer Demokratie nicht würdig.»

Antonio Hodgers arbeitet, so schreibt er auf seiner Website, als «Mobilitätsberater». Seine Erfindung? «Fast!», lacht er. Seine Firma mit 17 Angestellten berät Gemeinden, aber auch Konzerne wie Novartis, zum Thema Mobilität. «Natürlich geht es darum: weniger Autos, mehr ÖV, mehr Velo, mehr Mitfahrgelegenheit», sagt Antonio Hodgers. Er ist schliesslich ein Grüner. Aber kein Öko-Fundi – fast wirkt er wie ein Banker, einfach ohne Krawatte. «Ein Banker?», ruft er gespielt entrüstet aus, gibt aber zu: «Die Birkenstock-Zeiten der Grünen – halt, die Birkenstock-und-Socken-Zeiten – sind vorbei.»

Er schaut auf den Monitor über der Bar, welcher die Session überträgt. Er müsse bald zurück in den Nationalratssaal, sagt er, aber derzeit gebe es noch ein paar Reden, «etwas gar viel Blabla», fasst er zusammen. Was müsste sich seiner Meinung nach im Parlament ändern? Antonio Hodgers überlegt nicht lange: «Wir sind zu reaktiv. Wir reagieren immer nur auf Probleme. Finanzkrise, Libyen, Fukushima. Wir schauen nicht voraus, haben keinen Plan für die nächsten zwanzig Jahre.» Dabei wisse man jetzt schon, welche Probleme – Energie, AHV, Verkehr – auf uns zukommen würden. Bei der UBS- Krise habe der Bundesrat zwar schnell gehandelt, aber er habe dabei die Verfassung nicht respektiert. «Das ist ja wie in Lateinamerika!»

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