Wie man sich doch völlig voreilig in Rage reden kann! Ich war unterwegs zur Glasentsorgungsstelle und hatte mich eben noch über einen Haufen Sperrmüll genervt, den wieder mal jemand vor unserem Haus «zum Mitnehmen» deponiert hatte, als ich zwei Videojournalisten in die Arme lief. Sie baten mich im Rahmen einer Strassenumfrage um meine Meinung zum Vorschlag des Bundes, aus Sicherheitsgründen künftig Kinder bis zum Alter von zwölf Jahren auf dem Trottoir velofahren zu lassen. «Dichtestress für die Fussgänger?», wollte der TV-Sender wissen.
Weil ich aber gerade so schön im Radauhennen-Modus war, hörte ich bloss die Silbe «Trott» und schon legte ich los: «Ja, genau, diese saublöden E-Trottis! Höchste Zeit, dass da was geht!» Die Reporter: «Es tut uns leid …» Ich: «Überall stehen und liegen die rum! Von Ökobilanz will ich jetzt gar nicht reden.» Die Reporter: «Aber es geht hier nicht um die Trott …» Ich: «Schon in der Limmat sah ich welche liegen! Und in städtischen Pflanzenrabatten! Garantiert waren da überall die Batterien noch drin!» Die Reporter: «Das Thema sind hier aber Kinder auf dem Trott …» Ich: «Eben! Ab welchem Alter darf man die überhaupt fahren? Mit solch winzigen Lichtlein knapp über dem Boden? Welcher Autofahrer soll so was beim Eindunkeln sehen?! Und nennen Sie mir einen einzigen Autofahrer, der aus Umweltgründen auf so ein unsicheres Elektrozweirädchen umsteigt!» Die Journalisten sahen mich mit leerem Blick an. «Und apropos Energieverschleiss», randalierte ich weiter, «nach kaum zwei Monaten soll so ein E-Trotti ja schon kaputt sein. Und dann all die Lieferwagen, mit denen man die Dinger wieder einsammeln muss! Und wie wärs mit Selbertreten?! Aber nein, da ist man dann wieder zu faul!»
Inzwischen sprach das VJ-Team mit mir sanft wie mit einer kranken Kuh: «Sehr gern dürfen Sie dann mal Ihre Meinung sagen, falls wir je eine Umfrage zu den E-Trottis lancieren.» Ach so? Äähh … Und da kapierte ich endlich, dass ich hier nur eine einzige, klare Frage beantworten sollte. Der Kameramann warf also sein Gerät an, seine Kollegin richtete das Mikrofon, und ich antwortete, als hätte ich nie was anderes sagen wollen: «Klar soll man die Kinder schützen. Darum: Weg von der Strasse mit den Kleinen! Und um Dichtestress auf dem Trottoir zu vermeiden, könnte man ja erst mal die erwachsenen Velofahrerinnen und Velofahrer von dort runter auf die Strasse bugsieren. Da gehören sie nämlich hin. Und zwar samt den doofen E-Trotti-Fahrern!» – «Ein sehr interessanter Gedanke», hüstelte das VJ-Team, sichtlich erleichtert, dass das ganze Trara nun doch nicht vergeblich gewesen war.
Auf dem Heimweg kam mir in den Sinn: Aber müsste man dafür nicht erst mal ein brauchbares Veloroutennetz in der Stadt schaffen? Könnte man die E-Trotti-Fahrer mit einer klugen Kampagne zum Einhalten der offenbar noch immer unklaren Verkehrsregeln bewegen? Und was können wir tun, damit Leute ein geliehenes Fahrzeug so gut behandeln, als wäre es ihr Eigentum? «Was ich aber noch sagen wollte …», rief ich den Reportern nach, obschon sie mich längst nicht mehr hörten, «wie wärs, wenn …?»
Brigitte Zaugg (65) ist freie annabelle-Mitarbeiterin.Vor zwanzig Jahren flitzte sie selbst auf einem der damals hippen Micro-Trottinetts durch die Stadt Zürich. Aber zumindest lieferte sie damals die Energie für den Betrieb des Gerätes selber.