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AHV: Warum der Ruf nach mehr Kindern absurd ist

Politik

AHV: Warum der Ruf nach mehr Kindern absurd ist

Mehr Nachwuchs, damit unser Rentensystem weiterhin funktioniert: so die gängige Überlegung. Autorin Charlotte Theile schreibt in ihrem Kommentar: Wir brauchen diese Kinder nicht.

Zunächst einmal das Offensichtliche: Wenn in meinem Umfeld ein Kind geboren wird, freue ich mich. Je nach dem, wie gut ich die Eltern kenne, werden Glückwünsche versendet oder ein paar Kleinigkeiten gekauft – und wenn ich die Neuankömmlinge zum ersten Mal in den Armen halten darf, finde ich das bezaubernd, magisch, unglaublich schön. Ganz egal, wie viele Babys ich schon gesehen habe, ganz egal, wie viel Schlaf mich mein eigenes gerade kostet: Jedes neue Wesen ist grossartig.

Warum glaube ich eigentlich, etwas so Selbstverständliches schreiben zu müssen? Es liegt daran, dass jetzt ein ziemlich grosses ABER folgt.

Anders als viele Eltern bin ich nicht der Meinung, dass wir diese Kinder brauchen. Ich glaube auch nicht, dass uns die Gesellschaft, der Staat oder sonst jemand dafür belohnen muss, dass wir Kinder in die Welt gesetzt haben.

Und wenn, wie vor kurzem geschehen, renommierte Ökonomen eine kinderabhängige AHV fordern (also im Prinzip wollen, dass diejenigen, die Kinder grossgezogen haben, im Alter mehr bekommen als Menschen ohne Kinder), dann habe ich das Gefühl, von Verrückten umgeben zu sein.

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«Die allermeisten Menschen, Frauen wie Männer, wollen keine Grossfamilie gründen»

Nochmal zur Erinnerung: Jedes Jahr müssen wir uns die Erde mit 70 Millionen Menschen mehr teilen als im Jahr zuvor. 2023 leben erstmals mehr als acht Milliarden Menschen auf der Welt – und aller Voraussicht nach ist 2023 auch das Jahr, in dem die Schweiz die Neun-Millionen-Einwohner:innen-Marke knackt.

Es gibt also ganz eindeutig genug Menschen auf der Welt. Es gibt auch genug Menschen in der Schweiz. Es gibt sogar Menschen, die ihr Leben riskieren, um nach Europa zu gelangen. Schätzungen zufolge sind allein in diesem Jahr 1875 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer gestorben.

Wenn Wirtschaftswissenschaftler:innen sich die Köpfe darüber zerbrechen, dass eine Schweizer Frau im Durchschnitt 1,39 Kinder zur Welt bringt, dann argumentieren sie innerhalb eines Systems, das meiner Meinung nach schon längst so marode ist, dass man es nicht mehr flicken kann.

Die Rentensysteme in der westlichen Welt bauen darauf auf, dass die Jungen die Alten finanzieren. Dieses System gerät in Schieflage, wenn zu viele ältere Menschen Altersleistungen beziehen und zu wenige arbeitende Menschen einzahlen.

Man könnte auch sagen: Das System ist eine Fehlplanung. Es ist nicht nur ein bisschen in die Jahre gekommen, es ist komplett nutzlos. Denn es basiert auf Annahmen, die sich schon vor langer Zeit als falsch herausgestellt haben.

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ging man davon aus, dass die meisten Frauen eine Handvoll Kinder bekommen – und die wenigsten Menschen älter als 75 Jahre werden würden. Der damalige deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer soll sogar gesagt haben «Kinder kriegen die Leute immer». Er hat sich geirrt. Heute werden nicht wenige älter als 90 Jahre. Wer keine Grossfamilie haben möchte, verhütet. Und ja: Die allermeisten Menschen, Frauen wie Männer, wollen keine Grossfamilie gründen.

Das liegt natürlich daran, dass Kinder, besonders kleine, sehr viel Arbeit bedeuten. Es liegt auch daran, dass Frauen heute besser ausgebildet sind, dass sie selbst über ihre Körper bestimmen. Daran lässt sich genauso wenig etwas ändern wie an der Tatsache, dass wir medizinisch so gut versorgt sind, dass wir mit 75 meist nicht auf dem Friedhof, sondern mit einem kühlen Drink in der Hand auf einem Kreuzfahrtschiff liegen.

Diese Analyse ist nicht neu. Ich habe in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr kollabierende Alterspyramiden gesehen, als mir lieb ist – und ich denke, ich bin damit nicht allein. Ich habe nur nie verstanden, warum mich das alarmieren soll.

Ich meine: Wenn dieses System so offenkundig nicht funktioniert – warum versuchen dann Politiker:innen von links bis rechts mit allen Kräften, es aufrechtzuerhalten? Warum schraubt man höchstens am Rentenalter herum, warum kenne ich Wortungeheuer wie «Sozialverträgliches Frühableben»?

Und, aus meiner Sicht am allerunvernünftigsten: Warum versucht man allen Ernstes, Männer und Frauen dazu zu motivieren, neue Einzahler:innen für dieses kaputte System auf die Welt zu bringen?

In Deutschland, wo vor einigen Wochen intensiv darüber diskutiert wurde, ob Paare, die zusammen mehr als 150’000 Euro im Jahr verdienen, Elterngeld bekommen sollen oder nicht, tauchte dieses Argument auch immer wieder auf. Oft sogar mit dem Hinweis, ob es nicht gerade gut ausgebildete, gut verdienende Familien seien, deren Kinder man besonders dringend brauche.

Und ja, das war ernst gemeint.

Genau wie die Aussage von Tesla-CEO Elon Musk, seines Zeichens etwa neunfacher Vater, der die sinkenden Geburtenraten in einem Interview mit dem Wall Street Journal als «grösste Bedrohung unserer Zivilisation, schlimmer als die globale Erwärmung» bezeichnet hatte.

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«Aussagen wie diese kommen auffallend oft von Männern, die zwar Kinder haben, aber keine Ahnung, was es heisst, diese zu betreuen»

  1. Ich glaube, das Gegenteil ist richtig. Dass die Geburtenraten zurückgehen, ist angesichts der endlichen Ressourcen unseres Planeten absolut folgerichtig.

Dazu kommt: Aussagen wie diese kommen auffallend oft von Männern, die zwar Kinder haben, aber keine Ahnung, was es heisst, diese zu betreuen. Aus dieser Position heraus stellt sich die Forderung nach finanziellen Nachteilen für Kinderlose besonders bequem.

Ich finde: Statt immer neue Rädchen für ein kaputtes System zu fordern, müssen wir akzeptieren, dass diese Welt nicht mehr existiert. Unsere Sozialsysteme brauchen nicht nur ein Update, sie müssen völlig neu entwickelt werden – so, dass sie zu uns und unseren Ressourcen passen.

Ideen dafür gibt es genug. Am bekanntesten ist wohl das bedingungslose Grundeinkommen, das 2016 gut 23 Prozent der Schweizer Stimmberechtigten überzeugt hat. Ein anderer Ansatz: In vielen europäischen Ländern werden Gesetzesvorstösse geprüft, die es ermöglichen sollen, mehr als nur zwei Eltern für ein Kind eintragen zu lassen – ein Modell, das zwar aus dem queeren Kontext kommt, aber auch für viele Heteropaare interessant ist.

So würde nicht nur das berühmte Dorf, das es dem Volksmund nach braucht, um ein Kind grosszuziehen, Realität. Es würde mehr Raum schaffen für Lebenskonzepte, die zwar sinnstiftende Elternschaft und Verantwortung, aber keine biologischen Kinder beinhalten – und würde zudem dafür sorgen, dass Care-Arbeit auf mehr Schultern verteilt wird.

Über herzige Babys dürfen wir uns dann übrigens immer noch freuen. Und auch wenn sie im Durchschnitt nur 0,39 Geschwister haben, können sie zumindest sicher sein, dass sie nicht gezeugt worden sind, um die Pyramiden ihrer Grossväter vor dem Einsturz zu bewahren.

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Carine Schwab

Solange man sich nicht mehr bemüht, alle Bewohnerinnen und Bewohner unseres Landes in der Arbeitswelt zu behalten (z.B ü50) oder zu integrieren (z.B. Flüchtlinge) und die Produktivität zu steigern muss man über solches wohl nicht diskutieren. Zudem habe ich schon gelesen, das die meisten Kinder den Staat lebenslänglich mehr kosten als sie einbringen (daher wohl obgenannte Theorie betreffend Kinder von Wohlhabenden).

Heike

Ich finde den Artikel ziemlich nichtssagend. Das System ist also kaputt und was ist die Alternative dazu? Es wird keine geben, denn das Geld wird von der arbeitenden Bevölkerung erwirtschaftet und kommt nicht aus dem Nichts.

Außerdem sind Kinder die Zukunft der Gesellschaft wenn niemand mehr nachkommt können wir einfach den Laden zu machen.

Also länger arbeiten für alle oder mehr Zuzug.

Kinder sind verdammt teuer, es gibt nicht genug Betreuungsplätze usw. Das ist sicher Weltweit mit ein Grund für den Rückgang der Geburtenrate.

Es wird noch ein paar Jahre dauern aber ich denke Musk hat nicht ganz unrecht. Weltweit wird die Bevölkerung bald zurück gehen bis auf ein paar Ausreißer in Afrika tut sie das in vielen Ländern jetzt schon.

Kinder haben und diese gut aufwachsen zu lassen ist kein Privatvergnügen der Eltern sondern für mich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.