Leben
7 einfache Formeln, die gegen Stress & Schlafstörungen helfen
- Text: Insa Grüning; Foto: iStock/jacoblund Dieser Artikel erschien zuerst bei Refinery29 Germany / Instagram / Facebook
Unsere Autorin stellt fest: In ihrem Umfeld fühlen sich immer mehr Menschen gestresst, sind unkonzentriert oder schlafen am Abend schlecht ein. Um dem entgegenzuwirken, klärt sie hier die wichtigsten Fragen zu Autogenem Training.
In letzter Zeit habe ich mich ziemlich häufig in Gesprächen wiedergefunden, in denen es im weitesten Sinne um das Thema Selfcare ging. Begriffe wie Mindfulness oder das deutsche Synonym Achtsamkeit werden momentan meiner Wahrnehmung nach schon fast inflationär gebraucht. Klar, man könnte jetzt argumentieren, dass es sich hierbei mal wieder um eine Handvoll gehypter Trends handelt, die schon immer Dagewesenes einfach mit einem neuen Wort umschreiben. Andererseits kann man die ganzen Hypes auch einfach mal beiseite lasssen und probieren, sich ernsthaft auf Dinge einzulassen, oder zumindest versuchen, die positiven Aspekte darin zu sehen. Denn immer mehr Menschen fühlen sich in ihrem Alltag gestresst, sind andauernd unkonzentriert oder schlafen jeden Abend schlecht ein. Befindet man sich dauerhaft in einem Zustand der Aktivität oder Anspannung, kann das bewiesenermassen langfristig zu körperlichen Erkrankungen führen. Deshalb bin ich grundsätzlich der Meinung, dass alles, was zu Stressabbau und Entspannung führt, eine absolut legitime Daseinsberechtigung hat.
Entspannungstechniken, die dabei helfen, Stress zu mindern, Ängste zu überwinden oder sogar Depressionen vorbeugen, gibt es allerdings viele. Für alle, die nach einer Methode suchen, die ganz einfach in den Alltag zu integrieren ist und rasch Erfolge und Erholung verspricht, könnte Autogenes Training (AT) aber wirklich eine Lösung sein. Wir sagen, worauf es ankommt:
Was ist Autogenes Training & wofür ist es gut?
Autogenes Training ist eine Methode, die zu mehr Wohlbefinden und Entspannung beitragen soll. Als Erfinder des Autogenen Trainings gilt der deutsche Psychiater Johannes Heinrich Schulz, der schon 1926 im Bereich der «konzentrativen Selbstentspannung» forschte. Die Wurzeln der Entspannungstechnik liegen offensichtlich in der Hypnose, einem Verfahren, das beispielsweise auch schon sehr früh in der Psychotherapie angewendet wurde, um tiefer in das menschliche Bewusstsein vorzudringen. Schulz entwickelte ausgehend von der Hypnose jedoch eine abgeänderte Methode, die zwar auch mithilfe der eigenen Vorstellungskraft arbeitet, um in einen Entspannungszustand zu gelangen, aber keine so tiefe Bewusstseinsveränderung wie die Hypnose hervorruft. Er selbst beschrieb die Technik des Autogenen Trainings auch als «Yoga des Westens» und nahm damit schon sehr früh Bezug auf die aus Indien stammende Meditationsphilosophie, die bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts gelehrt wird.
Wie funktioniert Autogenes Training?
Im Unterschied zum Yoga und anderen Meditationsformen setzt Autogenes Training nicht auf den Wechsel von An- und Entspannung, sondern verzichtet grösstenteils komplett auf körperliche Aktivität. Vielmehr stehen hier wirklich leichte, autosuggestive Übungen zur Tiefenentspannung im Fokus. Der Grundgedanke beim Autogenen Training ist, dass in einer möglichst bequemen Körperhaltung (entweder im Sitzen oder Liegen) bei völliger Ruhe (!) eine optimale gedankliche Fokussierung auf einen Gegenstand gelingt, um so körperliche sowie psychische Entspannung herzustellen. Die Person soll sich beim Autogenen Training ganz auf sich selbst konzentrieren, ihre Aufmerksamkeit nach innen lenken, in dem sie sich bestimmten Formelsätzen hingibt und versucht, sich diese innerlich vor Augen zu führen. Ziel dieser Konzentrations- und Fokussierungsübungen ist es, im Hier und Jetzt anzukommen und sich von nichts im Aussen ablenken zu lassen.
Die drei Grundstufen des Autogenen Trainings:
Grundsätzlich wird das Autogene Training in drei Stufen gegliedert, wobei die erste nicht nur für Anfängerinnen und Anfänger geeignet ist, sondern auch die Voraussetzung für die nächsten Stufen ist, die sich in ihrer Intensität weiter steigern:
Die Grundstufe:
Die in dieser Phase angewendeten Techniken richten sich in erster Linie an das vegetative Nervensystem, an spezielle Muskelpartien und das gesamte Herz-Kreislauf-System. Diese Stufe enthält ein komplettes Programm zur körperlichen Entspannung, das besonders für Anfängerinnen und Anfänger geeignet ist – und das wir Ihnen gleich noch genauer vorstellen werden.
Mittelstufe & formelhafte Vorsatzbildung:
In dieser Stufe, die für Fortgeschrittene gedacht ist, geht es darum, die in der ersten Stufe erlernten Übungen mittels selbstformulierter oder vorgegebener Formeln (Leitsätzen) zu beeinflussen. In dieser Stufe stehen insbesondere seelische und soziale Faktoren im Mittelpunkt, da es auch um Veränderungen des Verhaltens oder der Einstellung geht.
Die Oberstufe:
Die Methoden, die in der Oberstufe Anwendung finden, zielen noch stärker auf Selbsterfahrung und Selbstfindung ab. Mithilfe der formelhaften Vorsatzbildung werden hier noch stärker Bereiche unseres Unterbewusstseins angesprochen, sodass es auch zum Ausbruch bisher unbekannter Emotionen und Erlebnisse kommen kann. Diese Stufe ist nicht unbedingt für Anfängerinnen und Anfänger geeignet, da es dafür mehr Erfahrung braucht.
Die 7 Grundformeln des Autogenen Trainings:
Für den Anfang genügt es, sich auf die Grundstufe zu konzentrieren, die aus insgesamt sieben Übungen besteht. Jede Übung wird durch eine Formel, die Sie sich gedanklich vorsagen, eingeleitet und gesteuert:
1. Die Ruhe-Formel
Ich bin ganz ruhig, nichts kann mich stören: Die Ruhe-Übung hat eine einleitende Funktion. Sie dient der Beruhigung und soll insbesondere die Konzentration fördern. Schliessen Sie dafür die Augen und versuchen Sie, sich die Formel vor Ihren Augen vorzustellen.
2. Die Schwere-Formel
Die Arme und Beine sind ganz schwer: Die Schwere-Übung soll ein Schweregefühl in den gewünschten Körperpartien auslösen, indem man sie sich immer wieder gedanklich vorspricht.
3. Die Wärme-Formel
Die Arme und Beine sind warm: Diese Formel soll die Durchblutung der verschiedenen Gliedmassen anregen.
4. Die Atem-Formel
Mein Atem fliesst ruhig und gleichmässig: Mit der Übung soll sich Entspannung durch gezieltes Atmen einstellen. Lesen Sie sich die Formel vor Ihrem inneren Auge vor. Aber aufgepasst: Es geht nicht darum, den Atem anzuhalten, sondern er soll im Rhythmus Ihres Körpers fliessen. Sie werden sehen, wie schnell er sich ganz von allein beruhigt.
5. Die Herz-Formel
Mein Herz schlägt ruhig und regelmässig: Bei diesem Wortlaut soll sich Ihre volle Konzentration auf den lebendigen Herzschlag richten.
6. Die Sonnengeflechts-Formel
Mein Leib wird strömend warm: Konzentrieren Sie sich bei dieser Übung intensiv auf das Zentrum Ihres Bauches.
7. Die Kopf-Formel
Der Kopf ist klar, die Stirn ist kühl: Diese Formel hilft Ihnen dabei, wach zu bleiben (oder wieder zu werden) und sich besser zu konzentrieren.
Autogenes Training sowie viele andere Formen der Meditation kann jede und jeder lernen. Das Wichtigste ist, dass Sie offen sind und sich darauf einlassen. Ob Sie sich die Meditationstechnik innerhalb einer Gruppe von einem professionellen Trainer, über CD und Video oder aber selbst aneignen wollen, ist Ihnen ganz allein überlassen. Bei YouTube finden Sie beispielsweise eine Reihe von Video-Clips mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen für Autogenes Training. Probieren Sie es einfach mal aus. Falsch machen können Sie eigentlich nicht viel. Aber Obacht: Sie könnten vor lauter Entspannung ziemlich schnell einschlafen. Also besser nicht auf dem Bürostuhl bei der Arbeit nachmachen!