Jeden Tag dasselbe Outfit tragen, macht angeblich kreativer. Aber: Ist das langweilig? Und fällt es jemandem auf? Junior Online Editor Miriam Suter hat es dreissig Tage lang ausprobiert.
Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich viele Gedanken um ihr Outfit machen. Mode ist für mich zwar auch Ausdrucksmittel meiner Persönlichkeit, aber die scheint eher auf der existenzialistischen Seite angesiedelt zu sein: Ich trage gern Kleidung, die es mir einfach macht, mit wenig Aufwand von der knallharten Journalistin zum Rockbabe zu werden – optisch zumindest.
Als ich aber in einem Artikel der «Los Angeles Times» von der Studie der US-Professorin Kathleen Vohs gelesen hatte, dass unser Hirn effizienter und kreativer arbeitet, wenn ihm eine Entscheidung am Tag abgenommen wird – am besten eine der ersten am Morgen – wurde ich hellhörig.
Das Konzept einer Alltags-Uniform haben sich schon diverse sehr erfolgreiche Persönlichkeiten zu Herzen genommen. Etwa Steve Jobs mit seinen Rollkragenpullis, Hillary Clinton mit ihren Hosenanzügen oder Vera Wang mit Leggins und Tunika. Auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg trägt jeden Tag das Gleiche und sagt dazu: «Ich will so wenige Entscheidungen treffen wie möglich, was mein Outfit betrifft. So kann ich mich besser darauf konzentrieren, wie ich unsere Gesellschaft zu einer besseren machen kann.»
Auch in der annabelle-Redaktion fand ich eine Gleichgesinnte: Monica Pozzi, unsere Photo Director at Large. Schon als Teenager trug sie jeden Tag das gleiche Outfit, heute vor allem Schwarz – wie ich. Sie erzählt: «Ich denke nicht nur der Morgen, sondern das ganze Leben wird einfacher. Dem Hirn bleibt mehr Zeit, sich mit Relevanterem zu beschäftigen, sei es kreativ oder nicht.»
Die Idee, jeden Tag das gleiche Outfit zu tragen, ist also nicht neu. Die US-Bloggerin Sheena etwa hat die Idee auf die Spitze getrieben: Sie trägt sogar jeden Tag das gleiche schwarze Kleid. In ihrem Blog «Uniform Project» zeigt sie aber, dass selbst ein Little Black Dress immer wieder anders aussehen kann – und dass man eben wirklich nicht viele Kleider braucht, wenn man nur genug Fantasie hat.
An dieser Idee muss also etwas dran sein. Das machte mich neugierig: Was, wenn ich mir morgens noch weniger Gedanken über mein Outfit machen muss? Nämlich gar keine, weil ich immer dasselbe trage? Ob ich das schaffe? Und ob das überhaupt jemand merkt? Wagen wir das Experiment.
Mein Outfit: Schwarze Skinnyjeans und Bluse. Dazu trage ich ein Paar offene und ein Paar geschlossene Schuhe: Den bis vor wenigen Wochen noch hohen Temperaturen entsprechend fiel meine Wahl auf Birkenstock-Sandalen und Ballerinas mit Leoprint – der einzige Farbfleck für 30 Tage.
Erste Woche: Easy Take Off
Die erste Arbeitswoche in meiner neuen Uniform überstehe ich ohne weiteres. Von meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen scheint sich niemand zu wundern, dass ich immer das Gleiche trage. Fair enough: Mein Test-Outfit ist nicht sonderlich auffällig. Aber anscheinend wird man von seinen Mitmenschen viel weniger sorgfältig gescannt, als man denkt.
Schwieriger wirds am erstes Wochenende des Experiments: Ich gehe an ein Konzert und fühle mich ein bisschen underdressed. Ich greife daher auf meinen Notfalltrick zurück: Bluse in die Hose stecken, roten Lippenstift und Kajal auftragen, Haare durchwuscheln, und schon fühle ich mich weniger wie ein Charakter aus einem Jane-Austen-Roman und ein bisschen mehr, als würde ich in den Backstage gehören. Problem gelöst!
Zweite Woche: Was riecht hier so?
Eins vorweg: Natürlich trage ich nicht jeden Tag die gleichen Kleidungsstücke, die kommen zwischendurch in die Wäsche. Ich habe also nie das Gefühl, unangenehm zu riechen. Jedenfalls nicht ab den Knöcheln aufwärts. Die Tatsache, dass ich nur zwei Schuhe zur Auswahl habe, macht mir nämlich bereits ab der zweiten Woche zu schaffen. Wegen der sommerlichen Temperaturen schlüpfe ich immer barfuss in meine Ballerinas – und das rächt sich früher oder später mit strengem Geruch, da werden mir alle Ballerinafans beipflichten.
Was ich dafür herausgefunden habe: Sowohl Stoffballerinas als auch Birkenstock-Sandalen überstehen einen Waschgang in der Maschine im Wollprogramm bei niedriger Drehzahl.
Dritte Woche: Rot für Glamour
Mein Outfit langweilt mich. Seltsam, denn Skinnyjeans und Bluse sind eigentlich immer mein Go-to-Outfit, wenn ich morgens zu wenig Zeit habe, mich um meine Kleiderwahl zu kümmern. Nach knapp drei Wochen habe ich aber das starke Bedürfnis, ein Kleid anzuziehen. Vor allem, weil ich die Abwechslung vermisse, wer hätte das gedacht.
Kreativer oder effizienter fühle ich mich übrigens nicht. Ich bin aber morgens oft erleichtert, mir keine Gedanken machen zu müssen, was ich anziehe. Das finde ich super, meistens kann ich mich nicht einmal entscheiden, ob ich einen Eyeliner ziehen soll oder nicht.
Am Wochenende mache ich mit meiner besten Freundin eine Bartour und hätte mich gern ein bisschen herausgeputzt. Ich würde zum Beispiel Schuhe mit Absatz tragen. Liegt nicht drin. Also nehme ich meinen neu gekauften antibakteriellen Fussspray zur Hand, ziehe meine Ballerinas an (schon! wieder!) und probiere einen Lippenstift in einer für mich ungewohnt dunklen Rot-Nuance aus. Das hilft immerhin, ein bisschen Glamour in meinen Samstagabend zu bringen. Man tut, was man kann.
Vierte Woche: Shoppen gegen Langeweile
Die letzte Woche meines Experiments ist die härteste. Mein Outfit langweilt mich dermassen, dass ich etwas für mich sehr Ungewöhnliches tue: Ich gehe shoppen. Und ich verbringe nicht wie sonst zwei Stunden in Buchläden oder Brockenhäusern, sondern in Kleiderläden.
Zudem hänge ich viel öfter in Onlineshops herum als gewöhnlich. Und das, obwohl mein Kleiderschrank zwar sehr reduziert, aber doch gut gefüllt ist. Aber irgendwie habe ich das Bedürfnis nach neuen Stücken, wenn ich immer nur die gleichen tragen darf.
Das Fazit
Was ich nach meinem Experiment feststelle: Die Wahl meiner Uniform war klug. Ich habe mich die meiste Zeit sehr wohl gefühlt und konnte mit kleinen Tricks zwischen elegant, legere und badass wechseln. Das bestärkt mich in meiner Einstellung, dass ich auch mit sehr wenig Kleidung glücklich bin und auch weiterhin eher in langlebige Klassiker investieren werde, als auf Fast-Fashion zu setzen. Seit ich Anfang zwanzig bin, besteht mein Kleiderschrank aus einer Kleiderstange und einem schmalen Regal für Hosen und T-Shirts, und ich fühle mich je wohler, je weniger Kleider ich besitze.
Kreativer habe ich mich während des Experiments nicht gefühlt. Ich kann die These der Studie also nicht bestätigen. Es gab aber mehr als einmal die Situation, dass mir ein paar Stress-Schweissperlen erspart blieben, weil ich mir morgens nicht auch noch Gedanken machen musste, was ich anziehe.
Wirklich interessant fand ich allerdings, dass niemand aus meinem Umfeld gemerkt hatte, dass ich vier Wochen lang dasselbe Outfit getragen habe. Das hat dazu geführt, dass ich seit dem Experiment (noch) gelassener geworden bin, was meine Kleiderwahl angeht. Das wäre sicherlich anders gewesen, hätte ich ein Etuikleid mit Blumenmuster gewählt, aber trotzdem: Wie wir von unserem Umfeld wahrgenommen werden, entspricht selten unserer Vorstellung. Können Sie sich etwa erinnern, was Ihre Chefin gestern anhatte? Oder Ihre Partnerin, Ihr bester Freund, Ihre Arbeitskollegin? Eben.
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