Mit 23 ins Kloster zu gehen
- Aufgezeichnet von Ines Häfliger; Foto: iStock
Lea Heinzer wusste früh, dass ihr Glauben in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielen würde. Seit sechs Jahren lebt sie im Kloster. Zweifel, ob sie ihr Leben als Ordensschwester verbringen will, hat sie noch immer. «Solange die Bedenken nicht dominieren, sind sie normal und wichtig», sagt die junge Frau.
Mit einem Polterabend und im 1970er-Jahre-Look verkleidet, stiess ich auf den neuen Lebensabschnitt an. Als einige Leute fragten, wer denn heirate, streckte ich auf. Viele konnten meinen damaligen Entschluss nicht nachvollziehen: eine junge Frau, die ins Kloster gehen will – unvorstellbar! Für mich hingegen war das Ordensleben nie etwas Exotisches. Eine Tante von mir lebt im Kloster, meine Eltern sind sehr religiös. Als Kind war der Kirchenbesuch am Sonntag nicht gerade mein Wochenhöhepunkt. Lieber hätte ich länger geschlafen. Als ich 16 Jahre alt wurde, änderte sich meine Beziehung zu Gott. Ich entwickelte meinen eigenen, persönlichen Glauben. Bei meiner Arbeit in einer Kinderkrippe konnte ich diesem jedoch nicht den nötigen Raum geben. Zeit für Gebete blieb nicht. Im Kloster hingegen gehört der Glaube zum Alltag. Und so begann ich, mich nach und nach fürs Ordensleben zu interessieren, kontaktierte und besuchte verschiedene Gemeinschaften. Nirgends fühlte ich mich so zuhause wie im Stanser Kapuzinerinnen-Kloster St. Klara. Die Schwestern waren offen – ich war immer willkommen. Ich verbrachte meine Ferien dort, ass und betete mit den Schwestern. 2013 entschied ich mich für eine dreimonatige Probezeit. Geblieben bin ich bis heute.
Der Glaube gibt mir Kraft und Halt, auch in schwierigen Zeiten. Wir Schwestern treffen uns fünfmal am Tag zum gemeinsamen Gebet. Dazwischen erledigen wir verschiedenste Aufgaben. Ich verwalte die Website des Klosters, bin mitverantwortlich für die musikalische Gestaltung der Gottesdienste, empfange Gäste, betreue das Telefon, helfe in der Küche mit, gebe Erstklässlern Religionsunterricht. Mein Lohn für den Heimgruppenunterricht fliesst in die Gemeinschaftskasse. Wir elf Schwestern teilen nicht nur unsere Einkommen, sondern auch das Auto und den Fernseher. Trotzdem fehlt es mir materiell an nichts. Das Einzige, was ich vermisse, ist eine Katze. Nach einer eigenen Familie habe ich mich nie gesehnt – obwohl ich Kinder sehr mag. Auch eine Partnerschaft war für mich nie ein zentrales Thema.
So einfach, wie wir leben, kann ich es mir nicht leisten, ständig shoppen zu gehen. Zivilkleidung trage ich ohnehin nur in meiner Freizeit. Und ja, auch Ordensschwestern machen Ferien: Pro Jahr kann ich mir nach Lust und Laune drei Wochen freinehmen. Im Klosteralltag bin ich im Ordenskleid unterwegs. An dieses musste ich mich zuerst gewöhnen. Es dauerte Wochen, bis ich mich nicht mehr wie an der Fasnacht fühlte. Auf der Strasse falle ich auf: Ich werde öfters gegrüsst und angesprochen – das finde ich etwas Schönes. Vor allem ältere Leute erzählen mir dann manchmal direkt aus ihrem Leben.
Viele glauben, eine Ordensschwester bete ständig, dürfe nicht lachen und würde den ganzen Tag hinter Mauern verbringen. Sobald mich jemand kennenlernt, lösen sich solche Vorurteile jedoch schnell in Luft auf. Denn ich bin immer noch die Gleiche wie vor meinem Klostereintritt. Einzig mein Glaube hat sich verändert. Er ist offener und tiefer geworden. Auch aufgrund einer Glaubenskrise: Es gab eine Zeit, da hinterfragte ich alles. Nicht nur die katholischen Sakramente wie Beichte oder Eucharistie, sondern auch die Existenz Gottes und damit das Leben im Kloster. Doch ich fand zurück zum Glauben an Gott.
Zweifel gibt es auch heute noch. Solang die Bedenken nicht dominieren, sind sie normal und wichtig. Noch habe ich mich nicht mit dem Ablegen des Ordensgelübdes, dem sogenannten ewigen Profess, dauerhaft an die Gemeinschaft gebunden. Ich werde das Gelübde frühestens in einem Jahr ablegen. Will ich mein ganzes Leben im Kloster verbringen? Gott wird mir helfen, diesen grossen Entscheid zu fällen.
Lea Heinzer (29) Kloster St. Klara, Stans