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Mit 15 Jahren an der Uni studieren

Mit 15 Jahren an der Uni studieren

  • Aufgezeichnet: Yvonne Eisenring; Foto: Getty Images

Zahlreiche Klassen übersprungen und jetzt auf der Uni - Julia erzählt, wie es ist, bereits mit 15 die ersten Vorlesungen zu besuchen.

Julia (16), Rotkreuz ZG

Einen IQ-Test habe ich nie gemacht. Warum auch. Es ist bloss eine Zahl, die wenig über eine Person aussagt. Ich bin auch nicht stolz, dass ich die jüngste Studentin der Schweiz bin. Es wäre mir eher unangenehm, wenn meine Mitstudenten wüssten, dass ich erst 16 bin und schon seit einem Jahr studiere. Das Einzige, worauf ich wirklich stolz bin: Dass ich seit zwei Jahren konsequent vegan lebe. Das war die wichtigste Entscheidung meines Lebens.

Sonst nehme ich den Tag, wie er kommt. Dass ich innert sieben Jahren die Schulzeit bis zur Matur absolvieren konnte, habe ich nicht forciert. Ich kann mir Dinge, die mich interessieren, einfach rasch merken, muss wenig lernen. Leider nützt mir das an der Uni nur noch bedingt. Bei den Prüfungen, ja. Aber für die Arbeiten brauche ich genauso viel Zeit wie alle anderen. Dass an der Uni alle viel älter sind als ich, stört mich überhaupt nicht. Im Gegenteil. Schon als Kind war ich lieber mit Erwachsenen zusammen. Meine beste Freundin ist meine Mutter. Freunde in meinem Alter hatte ich selten. Wenn Kinder aus dem Kindergarten an meiner Tür klingelten und mit mir spielen wollten, liess ich oft durch meine Mutter ausrichten, ich sei nicht zuhause oder ich hätte keine Zeit. Ich fand es einfach langweilig, mit ihnen zu spielen. Fangis oder Versteckis war mir zu blöd und «De Fuchs gaht ume» peinlich. Der Einschulungstest am Ende des Kindergartens zeigte, dass ich zwei Jahre überspringen und gleich in die dritte Klasse gehen sollte. Meine Eltern und ich wollten das aber nicht. Also ging ich in die zweite Klasse. Wenige Monate später wurde ich wegen totaler Unterforderung in die dritte versetzt.

Nach der dritten kam ich in eine Privatschule für Hochbegabte, die Talenta in Zürich. Ich war gerade mal acht und begann zu pendeln. Eineinhalb Stunden am Morgen, zwei Stunden am Abend. Die Schule aber war toll. Ich konnte in meinem Tempo den Schulstoff durchgehen und fühlte mich, weil es nur Hochbegabte an der Schule gab, wohl und akzeptiert. In der Talenta lernte ich auch meine beste Freundin kennen. Sie ist Engländerin. Dass ich in der Schule schneller vorwärtskam als sie, störte sie nie. Unter den Hochbegabten gibt es kaum Neid. Wir wissen, dass es viele Nachteile hat, anders zu sein. Als Hochbegabte stehst du immer unter Druck, musst immer die Bestnote erreichen. Und die Lehrer nehmen uns nie dran, wenn wir aufstrecken. Wir würden die Antwort ja sowieso wissen.

Als Neunjährige war ich mit der Primarschule fertig, machte ein Jahr Pause und ging mit meiner Mutter ins Ausland. Ein halbes Jahr in ihre Heimat Korea, ein halbes Jahr nach England. Da habe ich auch noch die Primarschule in Englisch abgeschlossen. Mit elf kam ich ins Gymnasium. In eine Privatschule in Immensee. Es war die Hölle. Unbeliebt zu sein, war nichts Neues für mich. Aber diese Klasse war so gemein, dass ich die Schule nach einem Jahr abbrechen musste. Zum Glück fand ich ein halbes Jahr später eine neue Schule, die Hull’s School in Zürich, ein britisches Gymnasium, das auch Erwachsene besuchen können.

Mit 14 habe ich die Matura gemacht und begann mit 15 an der Uni Zürich Mathematik zu studieren. Zu dieser Zeit habe ich auch entschieden, Veganerin zu werden. So kann ich aktiv zum Wohl der Umwelt beitragen. Das Essen, auf das ich verzichte, wie Fleisch oder Milch, fehlt mir überhaupt nicht. Es gibt so viele Gemüsesorten. Die meisten Leute wissen gar nicht, dass sie existieren.

Obwohl ich Mathematik sehr interessant fand, habe ich das Studium nach einem Semester abgebrochen und mit Germanistik und Anglistik angefangen. Ich geniesse das Uni-Leben. Dass ich in der Masse untertauchen kann und niemand weiss, dass ich viel jünger bin als alle anderen, das gefällt mir. Und endlich bin ich gefordert. In den Ausgang oder an Studi-Partys gehe ich nicht. Dafür fehlen mir Zeit und Lust. Ich bin gerade daran, eine eigene Sprache zu entwickeln. Einfach so. Aus Spass. Und ich schreibe viel. Fantasy und Alltagsgeschichten. Irgendwann will ich ein Buch schreiben. Ausserdem zeichne ich regelmässig. Manchmal acht Stunden am Tag. Zurzeit belege ich einen Kurs für Aktzeichnen. Fernsehen tu ich kaum. Wenn ich abschalten will, lade ich mir internationale Soaps runter.

Irgendwann will ich in einem kleinen Häuschen auf dem Land leben. Mit einem eigenen Garten vor der Tür. Vorher möchte ich mein Studium abschliessen und vielleicht noch ein zweites anhängen. Psychologie zum Beispiel. Aber ich habe keinen Stress. Ich bin ja noch jung.