Die Schweiz stimmt am 3. März über eine 13. AHV-Rente ab. Insbesondere Frauen haben heute oft eine knappe Pension – das hat mehrere Gründe.
Weiblich, pensioniert, alleinstehend: Wer diese drei Kriterien erfüllt, muss vermutlich mit wenig Geld im Ruhestand auskommen. Der Zivilstand ist dabei ein Faktor. Grundsätzlich prägt jedoch insbesondere das Geschlecht die finanzielle Situation übers ganze Leben hinweg – und eine Frau zu sein, ist dabei kein Vorteil.
Die Gründe sind vielfältig. Da ist das Lebensmodell Familie. Kinder kosten Geld, ganz besonders die Mütter. Knapp 70 Prozent weniger verdienen Frauen im Schnitt nach der Geburt des ersten Kindes – und das langfristig. Väter spüren diese sogenannte Child Penalty, die Kinder-Strafe, nicht.
Denn mit den Kindern leben bei vielen Paaren die klassischen Rollenmodelle auf: Mütter bleiben (mehr) zu Hause, Väter verdienen das Geld. Zwar ist es heute nicht mehr ganz so schwarz-weiss, trotzdem leisten Frauen noch immer 50 Prozent mehr unbezahlte Haus- und Familienarbeit als Männer.
«Die Welt, in der viele Frauen arbeiten, ist nicht jene der grossen Löhne und Boni»
Rund 40 Prozent der Mütter haben Unterbrüche in ihrer Karriere. Mehr als 75 Prozent der erwerbstätigen Mütter arbeiten Teilzeit. Bei den Vätern sind es 13 Prozent. Neben der Familie hält das Frausein weitere finanzielle Herausforderungen bereit. Die Welt, in der viele Frauen arbeiten, ist nicht jene der grossen Löhne und Boni. Im Gegenteil: Branchen mit einem hohen Frauenanteil sind gleichzeitig oft Tieflohnbranchen. Dazu zählen Pflege, Gastronomie, Detailhandel oder Reinigung.
Und auch heute noch bekommen Frauen für dieselbe Arbeit weniger Lohn: Der Gender-Pay-Gap beträgt 14 Prozent.
Mit der Pensionierung wirds nicht etwa besser – im Gegenteil: Hier kumulieren sich dann die Folgen des ganzen bisherigen Lebens. Frauen erhalten in der Schweiz rund ein Drittel weniger Rente als Männer.
Gemäss einer Studie des Versicherungskonzerns Swiss Life müssen Rentnerinnen pro Jahr mit 21 000 Franken weniger auskommen als Rentner. In der ersten Säule, der AHV, ist der Gender-Pension-Gap klein. In den anderen beiden Säulen der Altersvorsorge jedoch erheblich.
«Der Grund ist simpel: Das System ist nicht auf Frauen zugeschnitten»
Die grösste Lücke klafft in der beruflichen Vorsorge, der zweiten Säule. Die Renten von Frauen sind hier rund 60 Prozent tiefer, nur knapp die Hälfte der heutigen Rentnerinnen bekommt überhaupt Geld aus der zweiten Säule. Bei den Männern sind es rund 70 Prozent.
Der Grund ist simpel: Das System ist nicht auf Frauen zugeschnitten. Die berufliche Vorsorge belohnt lückenlose Lebensläufe, hochprozentige Erwerbspensen und gut bezahlte Jobs. Einzahlen kann hier, wer berufstätig ist und mindestens 22 050 Franken im Jahr verdient. Jede:r spart für sich. Je mehr man verdient, umso mehr Geld hat man im Alter zur Verfügung.
Hinzu kommt der Koordinationsabzug, der das Sparen in der zweiten Säule insbesondere bei kleinen Löhnen zusätzlich erschwert. All das verträgt sich schlecht mit der Lebensrealität vieler Frauen und ihren beruflichen Biografien,
die geprägt sind von Unterbrüchen, Teilzeitarbeit und Tieflohnjobs. In der dritten Säule zu sparen, ist für Frauen übrigens genauso schwierig. Zum einen ist auch die freiwillige Vorsorge nur zugänglich, wenn man berufstätig ist. Zum anderen liegt es für viele auch gar nicht drin, Geld zur Seite zu legen.
«Es geht um weniger traditionelle Arbeitsverteilung und um einen Wechsel im Rentensystem»
Die Bilanz ist ernüchternd: Heutige Rentnerinnen haben ein Leben lang weniger verdient und müssen nun vornehmlich von der AHV leben. Das ist nicht nur bei alleinstehenden Frauen, sondern auch bei Paaren so. Doch: «Bei Verheirateten hat der Gender-Pension-Gap den geringsten Einfluss. Die meisten legen die Einkommen zusammen», heisst es in der Swiss-Life-Studie.
Seien pensionierte Frauen alleinstehend – dies trifft laut Bund auf eine halbe Million zu –, hätten sie deutlich mehr Mühe, über die Runden zu kommen. Wer alleine ist, hat keine Konten, über die man gemeinsam verfügen, oder Kosten, die man teilen kann. Alleinstehende sind laut Pro Senectute auch deutlich mehr von Altersarmut betroffen als Paare. «Das gilt ganz besonders für geschiedene Frauen», sagt Beat Hauenstein von Pro Senectute.
Das Alleinsein im Rentenalter macht also einen Unterschied. Die finanzielle Ungleichheit beginnt aber viel früher. Daran etwas zu ändern, ist nicht leicht: Es geht um bessere Vereinbarkeit, um weniger traditionelle Arbeitsverteilung, um eine finanzielle Aufwertung der Care-Arbeit, um einen Wechsel im Rentensystem und um die Aufwertung typisch weiblicher Berufe.
Samantha Taylor ist Chefredaktorin von Ellexx, einer Medien- und Finanzplattform für Frauen.