Am Sonntag ging die 17. Ausgabe des Zurich Film Festivals zu Ende. Wir verraten euch, welche Filme uns am ZFF besonders begeistert haben.
«No Time to Die»
Regie: Cary Joji Fukunaga
Darum gehts: Daniel Craig kehrt ein letztes Mal als James Bond auf die grosse Leinwand zurück. Der neue Bond ist also ein grosses – und mit knapp drei Stunden sehr langes – Finale für den britischen Schauspieler mit viel Action und noch mehr Pathos. James Bond muss sich in «No Time to Die» mit einem Supergift, das in die falschen Hände geraten ist, rumschlagen. Und das, obwohl er eigentlich im Ruhestand ist. Hinzu kommt sein gebrochenes Agenten-Herz – er hat es wahrlich nicht leicht.
Die stärkste Szene: Ana de Armas, die James Bond als «Paloma» in Kuba empfängt und mit ihm voller Humor, Charme und Zielstrebigkeit einen ganzen Festsaal voller Bösewichte platt macht.
Deshalb ist der Film so gut: Es ist Bond! Das berührt einen – oder eben nicht. Ich habe ein Flair für Bond-Filme, vor allem mit Craig in der Agentenrolle (hier gehts zu meiner Review!) Am Anfang des Films kam ein Einspieler, in dem sich der britische Schauspieler für die Geduld des Publikums bedankte. Er wisse, dass alle lange auf «No Time to Die» warteten, aber es sei nun mal ein Film, der auf die grosse Leinwand gehöre. Dem stimme ich voll und ganz zu.
– Tipp von Stv. Chefredaktorin Kerstin Hasse
«No Time to Die» ist jetzt im Kino.
«Tina»
Regie: Dan Lindsay, T.J. Martin
Darum gehts: Der Dokumentarfilm «Tina» feiert die Karriere von Tina Turner. Sie spricht darin ausserdem über ihr bewegtes Privatleben – unter anderem über die jahrelange häusliche Gewalt durch ihren Ex-Mann Ike Turner.
Die stärkste Szene: Tina wird bei der Premiere des Broadway-Musicals über ihr Leben gezeigt, die 2019 stattfand. Während sie durch die jubelnde Menge vor dem Theater schreitet, wird sie von ihrer Freundin Oprah Winfrey und ihrem Ehemann Erwin Bach gestützt. Mit dem Besuch der Premiere habe sie sich von ihren US-Fans verabschieden wollen, erklärt Bach in der Doku. Die Szene berührt, weil sie zeigt, wie sehr Tina Turner mit ihrer Musik und ihrer Geschichte Menschen aus aller Welt inspiriert und bewegt hat – und wie sehr sie geliebt wird.
Deshalb ist der Film so gut: «Tina» ist ein wundervoll erzähltes, berührendes Porträt über eine eindrückliche Frau. Der Dokumentarfilm beleuchtet sowohl die steile Karriere als auch das tragische Privatleben der Sängerin. Mir war vor «Tina» nicht bewusst, wie viel Gewalt sie erleben musste. Tina, bürgerlich Anna Mae Bullock, wuchs in einem Kaff in Tennessee auf, wurde erst von der Mutter, dann vom Vater verlassen. Ihr Leben lang habe sie sich einfach nur Liebe gewünscht. Ihre Mutter interessierte sich später, als Tina bereits ein Star war, vor allem für Geld und Erfolg. «Ich habe alles Mögliche für sie getan. Aber sie mochte mich trotzdem nicht», sagt Tina. Auch der jahrelange Missbrauch durch ihren Ex-Mann Ike Turner wird thematisiert. Traurig ist vor allem, wie die Sängerin über Jahrzehnte immer wieder retraumatisiert wurde, weil die Zeit mit ihrem Ex-Mann wie ein Schatten an ihr haftete und sie immer wieder über ihn sprechen musste. So schwankt man zwischen Überraschung und Verständnis, wenn sie im Film sagt: «Ich hatte kein gutes Leben.» Eine von vielen Aussagen in der Doku, die bei mir nachhallten.
– Tipp von Redaktorin Vanja Kadic
«Tina» gibts als Stream bei Google Play
«The Lost Leonardo»
Regie: Andreas Koefeld
Darum gehts: «The Lost Leonardo» geht der Geschichte des berühmten Gemäldes Salvator Mundi nach. Dieses wurde 2005 für nur 1’175 Dollar in New Orleans gekauft – und könnte von Leonardo da Vinci sein. Für eine Rekordsumme von 450 Millionen Dollar wird der Salvator Mundi 2017 an einen anonymen Käufer verkauft. Handelt es sich dabei aber wirklich um ein Original? Eine spannende Dokumentation, die einen Einblick in die undurchsichtige Welt des Kunsthandels gibt.
Die beste Szene: Natürlich weiss man von Anfang an, dass das Gemälde ein echter da Vinci sein könnte. Der Moment, in dem Restauratorin Dianne Modestini aber erzählt, wie sie zitternd realisiert, dass nur Leonardo da Vinci den Salvator Mundi gemalt haben könnte, sorgt trotzdem für Gänsehaut.
Deshalb ist der Film so gut: Wer sich nicht mitten in der Kunstwelt befindet, hat nur wenig Einblick in die Machenschaften dieser Branche. Umso spannender ist es, den Weg eines so stark diskutierten und so oft infrage gestellten Gemäldes zu verfolgen. Von der Restauration durch Dianne Modestini, über die dubiosen Geschäfte, die in sogenannten Freeports gemacht werden, bis schliesslich zum Verkauf für den höchsten Preis aller Zeiten, ist dieser Weg von grossen Egos und viel Zweifeln geprägt. Man hofft für alle Beteiligten das Beste und doch wird man das Gefühl nie los, dass etwas an der Sache faul ist.
– Tipp von Lifestyle Praktikantin Irina Eftimie
«Nose»
Regie: Arthur de Kersauson und Clément Beauvais
Darum gehts: Ein Dokumentarfilm über den Chefparfümeur des Hauses Dior, François Demachy. Zwei Jahre begleitete ein Filmteam die Nase bei seiner Arbeit und auf seinen Reisen, um die besten Rohstoffe für seine Düfte zu finden. Ausserdem zeigt der Film Demachys Arbeitsweise und seine Verbundenheit zu seiner Heimatstadt Grasse, wo er immer noch tätig ist. Dort bemüht er sich auch, einheimische Rohstoff-Lieferanten zu fördern und mit ihnen zusammen zu arbeiten.
Die stärkste Szene: Wie sich Francois Demachy auch im tiefsten Dschungel von Sri Lanka über eine besonders gute Patschuli-Sorte freuen kann.
Deshalb ist der Film so gut: Der Film gewährt einen spannenden Einblick in die Arbeit eines Parfümeurs. Er erklärt die Hintergründe des Metiers und zeigt einen sympathischen, trotz aller Erfolge sehr bescheidenen Meister seines Fachs.
– Tipp von Beauty-Chef Niklaus Müller
«Nose» gibts als Stream bei YouTube Movies
«Spencer»
Regie: Pablo Larraín
Darum gehts: 1991, Weihnachten. Lady Diana (Kristen Stewart) verfährt sich auf dem Weg nach Sandringham, einem opulenten Landsitz der Royal Family, obwohl sie ganz in der Nähe aufgewachsen ist. Damit beginnen drei Feiertage, die mehr einer Tortur ähneln als einem freudigen Familienfest: Diana weiss von Prince Charles’ Untreue. Sie merkt, wie sie sich zwischen den jahrhundertealten Traditionen, den gestohlenen Freiheiten und der konstanten medialen Beobachtung mehr und mehr selbst verliert. Und sie versucht, aus dem viel zu eng geschnürten Korsett auszubrechen.
Die stärkste Szene: Die erste! Offenes Dach, laute Musik, zerknitterte Landkarte, karierter Blazer, mundtote Dorfbewohner:innen und vor allem der erste Satz: «Where the fuck am I?» Die ganze Absurdität von Dianas Situation wird schlagartig klar, obwohl sie hier noch von Lachern begleitet wird. Kristen Stewarts Diana wirkt zuerst wie eine Karikatur – man möchte ihr gar nicht richtig glauben. Aber sobald man vom Charme überrumpelt wird, hat man irgendwie gar keine Wahl.
Deshalb ist der Film so gut: «Spencer» nimmt der Monarchie jegliche glitzernde Magie, falls das nicht schon lange geschehen ist. Sandringham wird stattdessen zum «Zauberberg»-mässigen Spukschloss: Hier sind Vergangenheit und Gegenwart dasselbe, wie Diana ihren kleinen Söhnen William und Harry erklärt. Oft weiss man nicht genau, was wahr ist und was bloss Vorstellung, wer Freund:in ist und wer Feind:in. Nebelschwaden und mürrische Gesichter werden zur perfekten Kulisse für Stewart, die als Diana langsam ihre Nerven verliert. Und weil die Mode bei Diana immer-präsent ist: Die grossartigen Kostüme von Jacqueline Duran (mit ganz viel Chanel, natürlich) steuern zusätzliches Drama und diese immer-gesuchte Diana-ness bei.
– Tipp von Reportage Praktikantin Jana Schibli
«Spencer» startet in der Deutschschweiz am 27. Januar 2022 im Kino.