Warum der Film «The Idea of You» wenig Ahnung vom Älterwerden hat
- Text: Linda Leitner
- Bild: Prime Video
Es ist so weit: Auch 40-Jährige dürfen sich jetzt in knackige U25-Popstars verlieben. Und hurra, junge Lover werden salonfähig. Halt, stop: Eigentlich sagt «The Idea of You», der neue Film von Anne Hathaway, etwas ganz anderes aus. Denn wehe, ihr seht so alt aus, wie ihr seid!
Wenn man am 40. Geburtstag die Kerzen auf der Geburtstagstorte ausbläst, ist man ja schlagartig für vieles zu alt: kurze Röcke, wilde Parties und junge Leute. Das Feuer des Lebens erlischt. Nun kann man auf Amazon Prime in einer herrlich debilen RomCom namens «The Idea of You» schwelgen, die all diese Zweifel wegwischen soll. Auch ich darf mich demnächst von der Dreissiger-Klippe stürzen, habe sowohl eine Schwäche für Boybands als auch für Knaben mit Bauchmuskeln unterm Cardigan.
Ich hatte Bock
Und sah Folgendes: Eine mit Traumpony ausgestattete 41-jährige Anne Hathaway spielt die anfangs noch 39-jährige Galeristin Solène, die ihre minderjährige Tochter zum Coachella-Festival bringt. Das wäre selbstredend eigentlich die Aufgabe ihres Ex-Mannes gewesen, der aber hat zu tun. Und ausserdem eine junge neue Freundin. Das nervt Solène natürlich so sehr, dass sie sich im VIP-Bereich in der Klotür irrt und sich auf der Schüssel im Trailer des 24-jährigen Hayes Campbell (gespielt vom neuen 29-jährigen Herzbuben Nicholas Galitzine) wiederfindet. Hayes ist Mitglied einer superbeliebten Boyband.
Der (für sein Alter wahnsinnig reife) Popstar ist hin und weg von der alleinerziehenden Mutter, taucht folglich in ihrer Galerie auf, kauft den Laden leer und wird von ihr mit nach Hause genommen. Dort macht sie widerwillig und doch natürlich wahnsinnig willig mit ihm rum. Und klar: während ihre Tochter im Sommer-Camp Trompete spielt, geht Solène mit Hayes auf Tour, knutscht am Strand und turtelt nachts durch diverse Altstädte. Living the Dream.
Wer war noch nie in einen Posterboy verliebt?
Wie schön es doch sein könnte! Aber: «Ich bin zu alt für dich», wimmert Solène schon nach dem ersten Kuss. Hayes kann noch so oft Einspruch erheben, sie bleibt da unentspannt. Jaja, der Altersunterschied. Ein Problem, das für Leonardo DiCaprio keins ist, für Solène aber schon. Bald fallen die Boulevardmedien über sie her, nennen sie «Cougar», also eine Frau, die per definitionem einen wesentlich jüngeren Mann für eine Beziehung oder als Sexualpartner sucht. Wenn DiCaprio ein berühmtes 20-jähriges Model datet, schreibt niemand, das Mädchen hätte sich einen alten Sack geangelt. Hollywood will uns in die Tage gekommenen Frauen also was Gutes tun. Feministisch in die Bresche springen: Gleichberechtigung nun auch beim Altersunterschied.
Aber dann ist da dieser fade, weil zu schöne Beigeschmack
Wir erinnern uns alle, als eine Regieanweisung im Kinohit «Barbie» darauf hinwies, Schauspielerin Margot Robbie sei zu schön, um in ihrer Rolle zu jammern, «not pretty anymore» zu sein. Bei «The Idea of You» verhält es sich ähnlich scheinheilig: Für einen kurzen Moment meint man, Hollywood danken zu dürfen, dass nun auch die Erfolgsquote vermeintlich alter Frauen an die Oberfläche blubbern darf, aber: Anne Hathaway ist keine durchschnittliche 40-Jährige.
Sie könnte optisch die beste Freundin ihrer Filmtochter sein (die im wahren Leben 22 ist) und ist um einiges durchtrainierter als die blutjungen Gespielinnen von Hayes Bandkollegen. Dass Solène in einer Szene mit genau denen ihren über-perfekten Körper am Pool vor Scham in einem überdimensionalen Kaftan versteckt, zeigt, was die Gesellschaft uns einzubläuen versucht: Achtung, der Ü35-Verfall droht – nur jung ist schön.
Statt das zu entkräften, wird die These fett unterstrichen. Solènes plötzliche Scheu passt nicht zu der Figur, die sonst so selbstbewusst ist und sich so auch modisch inszeniert: bauchfrei und hauteng mit einem Hauch Transparenz. Bei Anne Hathaway wirkt die Sorge, nicht mithalten zu können, grotesk – schliesslich haben wir ihr Sixpack zehn Minuten zuvor längst gesehen.
Danke für nichts, Hollywood
Als die 20-jährigen Bikini-Girls dann auch noch über den Altersunterschied zwischen Solène und Hayes witzeln (sie kennen eine, die mit Solènes Tochter zur Schule geht, hihi), ist das sowohl unfeministisch als auch altersfeindlich. Wir lernen: Wenn schon eine Anne Hathaway mit ihrem faltenfreien, straffen Hollywood-Aussehen eines jüngeren Mannes nicht würdig ist, wie zur Hölle soll es dann eine normale Frau sein?
Und obwohl Solène (und Anne!) alles macht, was wir von ihr erwarten – nämlich mit 40 nicht wie 40 auszusehen –, landet sie erstmal in einer Tragödie. Weil die Gesellschaft streng und sie eben doch 40 ist. Anne Hathaway erklärte am Filmfestival South by Southwest, warum sie die Rolle angenommen habe: «Ich möchte nicht in eine Schublade gesteckt werden, die mir vorschreibt, welche Art von Filmen ich aufgrund meines Alters, meines Geschlechts und weil ich einen Oscar gewonnen habe, zu machen habe. Ich will Spass haben, verdammt noch mal.» Hmm.
Das Fazit: Wir dürfen gerne älter werden, können auch mit 40 noch erfolgreich sein und uns easy heisse Lustknaben klarmachen – solange man uns nicht ansieht, was im Pass steht. Reife ist nur dann sexy, solange man hot ist – und das hängt stark davon ab, dass nichts hängt. Am Körper, im Gesicht. Schade. Das Empowerment, von dem so viele schreiben, suche ich immer noch vergeblich irgendwo in den Tiefen von Hayes Campbells fluffigem Cardigan.
Ich verstehe das Problem nicht. Wie haben denn laut der Autorin 40-jährige Frauen auszusehen? Anne Hathway ist 41.