Mit ihren irritierenden Bildern lotet Taryn Simon die Tabuzonen der amerikanischen Gesellschaft aus.
Glasklar folgte eins aus dem anderen: das Motiv, der Tatort, die Indizien, das Todesurteil.Doch plötzlich hiess es: «Sorry. Ein Irrtum. Sie sind frei.» Was fängt ein Mensch mit einem neuen Leben an, wenn ihm das alte genommen wurde? Diese Frage trieb die US-Künstlerin Taryn Simon um, als sie für ihre Fotoserie «The Innocents» zum Tode verurteilte Unschuldige an die Orte ihrer vermeintlichen Verbrechen begleitete. Das war vor zehn Jahren. Seither gilt ihr Blick den Tabuzonen der US-Wirklichkeit. Ihr «American Index of the Hidden and Unfamiliar» zeigt eine geheime Welt hinter der Welt: Stillleben aus einem Labor zur Erforschung menschlicher Verwesung wechseln mit Szenen aus einer Klinik für Hymenplastik, eine «Playboy»-Ausgabe in Blindenschrift mit Porträts von missgebildeten Tigern aus kontrollierter Inzestzucht. In Genf ist nun das jüngste Projekt der 35-Jährigen zu sehen: Für ihre Serie «Contraband» fotografierte sie im New Yorker John-F.-Kennedy-Airport sämtliche illegal eingeführten und vom Zoll beschlagnahmten Güter: nüchterne und doch spektakuläre Bilder von den Grenzen der US-Gesellschaft.
Taryn Simon, Centre d’art contemporain, Genf, 21. 4. bis 24. 7.