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Wie «Pam & Tommy» Profit aus Pamela Andersons Sextape-Demütigung schlägt

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Wie «Pam & Tommy» Profit aus Pamela Andersons Sextape-Demütigung schlägt

Das Sextape von Pamela Anderson und Tommy Lee war der Sexskandal der Neunziger. Die neue Serie «Pam & Tommy» zeigt die filmreifen Hintergründe der Geschichte, hinterlässt aber einen bitteren Nachgeschmack.

Die Serie «Pam & Tommy» legt die Grundstimmung gleich in den ersten Minuten fest – sie schwankt zwischen Mitgefühl, wahrem Interesse und purer Sensationslust. Der Interview-Ausschnitt zu Beginn der ersten Folge zeigt Pamela Anderson (gespielt von Lily James) bei Talkshow-Host Jay Leno (Adam Ray). Leno will natürlich dringend mit ihr über das Sextape mit ihrem Ehemann Tommy Lee (Sebastian Stan) sprechen.

Ein gestohlenes Tape, das nie für die Öffentlichkeit bestimmt war, wohlbemerkt. Anderson lächelt die creepy Fragen bestmöglich weg, spielt mit. Diese Momentaufnahme zeigt ihre Zerrissenheit: Zwischen der gedemütigten Frau, deren Privateigentum gestohlen und veröffentlicht wurde, und dem Celebrity, dessen Playboy-Cover und Auftritte im knappen roten Badeanzug in «Baywatch» scheinbar anzügliche Fragen rechtfertigt.

Der Ursprung des «Revenge Porn»

Der Hintergrund des aufsehenerregenden Skandals um ein Sextape aus den Flitterwochen von Pamela Anderson und Tommy Lee ist die Basis der neuen Hulu-Serie «Pam & Tommy». Die Veröffentlichung des Videos ist quasi der Ursprung des «Revenge Porn» (Hallo, Paris Hilton, Kim Kardashian und viele weitere). In Pamela Andersons Fall wurde das Video aber eigentlich als Rache an Tommy Lee veröffentlicht. Doch für diesen war dies schlimmstenfalls peinlich, bestenfalls Promo – während es für Anderson um einiges verheerender war: Das Video beeinflusste massgeblich ihre Karriere und ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.

Die Serie erzählt zwei unterschiedliche und doch miteinander verwobene Handlungen. Da wäre zuallererst der Raubüberfall, dessen Einzelheiten so absurd wie wahr sind: Der Bauunternehmer und frühere Pornodarsteller Rand Gauthier (Seth Rogen) wird von Lee überhitzt gefeuert und um seinen Lohn gebracht, woraufhin er Rache schwört. Er schleicht von Kameras und Sicherheitspersonal unbemerkt mit einem Pelz als Hund verkleidet (!) in die Villa Lees und stiehlt dessen Tresor. Darin befindet sich nebst Waffen und jeder Menge Schmuck eine unbeschriftete Videokassette. Diese bringt er zu seinem Freund, einem Pornoregisseur – und die Geschichte nimmt ihren Lauf.

Love Bombing statt leidenschaftliche Romanze

Zudem wird mit Zeitsprüngen die Liebesgeschichte von Anderson und Lee erzählt. Die beiden lernen sich kennen, verbringen vier Tage voller Schaumpartys und Badewannen-Fummeleien, um dann wie im Wirbelwind am Strand von Mexiko im weissen Bikini und Badeshorts zu heiraten. Nach der Ankunft zurück in Los Angeles werden sie nicht nur von Paparazzi belagert, sondern es dämmert ihnen auch allmählich, dass sie sich eigentlich überhaupt nicht kennen – weder Lieblingsfilme noch Familienkonstellationen, nicht einmal den jeweiligen Wohnort. Und doch inmitten aller Absurditäten etwas aneinander finden, das sie verbindet: ein Zuhause.

Doch die Liebesgeschichte von Anderson und Lee war sehr viel weniger romantisch als in der Serie dargestellt. Die Beziehung war von Anfang an eher problematisch als eine leidenschaftliche Romanze, als die sein Love Bombing verkauft wird. Und Lee ist nicht der harmlose Bad Boy, als der er dargestellt wird: Er sass im Gefängnis wegen häuslicher Gewalt, schlug Anderson, als sie ihren kleinen Sohn im Arm hielt.

Andersons Körper als öffentliches Eigentum

Im «Rolling Stone»-Artikel, auf dem die Serie basiert, schreibt die Reporterin Amanda Chicago Lewis über die Popkultur im Jahr 1995 und über die Stimmung, die damals herrschte. Sie hält fest, dass sich Anderson damals auf absolut unbekanntem Terrain zurechtfinden musste und keinerlei Unterstützung erfuhr. Niemand habe damals innegehalten und die öffentliche Meinung hinterfragt, dass eine Frau, die sich für bestimmte Fotos auszieht, ihren Körper zu öffentlichem Eigentum macht und sich infolgedessen nicht beschweren darf, wenn noch intimere Inhalte von ihr verkauft und weltweit verbreitet werden.

Die Serie veranschaulicht so auch den Anfang jener Ära, als die Popkultur zwar sexuell immer offener wurde, der Spielraum für Frauen aber weiterhin restriktiver blieb als für Männer. Eine Ära, die in vielerlei Hinsicht eine Übergangszeit war. Während auf der einen Seite Pornoproduzenten davon träumten, mit VHS-Kassetten reich zu werden, begann auf der anderen Seite mit piependen Einwahlmodems das Zeitalter des Internets. Die Reichweite von sexuellen Inhalten explodierte dadurch. Und so waren das Sextape und die unfreiwillige Entblössung von Pamela Anderson innert Kürze weltweit verbreitet.

Sensationslust und Profitgier

Das gestohlene Sextape wurde mit grossem Gewinn vertrieben. Ohne dass die Personen, die darin vorkommen, zugestimmt oder daran mitverdient hatten. In einem Interview von 2015 (ja, sie wird bis heute darauf angesprochen) sagte Anderson über ihre Demütigung zu Andy Cohen in «Watch What Happens Live» Folgendes: «Ich war im siebten Monat schwanger mit Dylan und ich hatte das Gefühl, dass der Stress dieser ganzen Erfahrung meine Schwangerschaft gefährdete. Und so sagte ich, dass ich nicht mehr vor Gericht gehen und mich von diesen aufgegeilten, merkwürdigen Anwälten verhören lasse würde. Ich wollte mit niemandem mehr öffentlich über meine Vagina oder über Sex oder irgendetwas sprechen.»

Und doch wird ihre Geschichte erneut vermarktet und als Fernsehserie mit grossem Gewinn für die Produzenten verkauft. Ohne Zustimmung von Anderson, wie mehrere amerikanische Medien berichteten. Dass ihrer Einwilligung so wenig Beachtung geschenkt wird, ist ironisch in Anbetracht dessen, dass sich die ganze Serie um die Bedeutung von Einwilligung – oder eben des Fehlens dieser – dreht. Die Macher betonen, dass sie Andersons Stärke hinter den Kulissen darstellen wollen und wie sie mit der Geschichte umging. Gleichzeitig werden Ausschnitte des Sextapes rekreiert und es wird erneut Profit daraus geschlagen.

«Pam & Tommy» ist unterhaltsam, zieht einen rein und lässt rasch vergessen, dass es sich um wahre Ereignisse handelt. Was auch an der Performance der Hauptdarsteller:innen liegt, die für ihre verblüffende Ähnlichkeit mit Anderson und Lee bis zu vier Stunden in der Maske sassen, Perücken und Prothesen inklusive. Aber vielleicht sieht man sich die Serie im Wissen darüber an, dass ein Team von grösstenteils Männern die Geschichte einer Frau erzählt, deren Privatsphäre wiederholt verletzt wurde – ohne die Unterstützung dieser Frau. Die Serie ist der manifestierte Beweis dafür, dass wir noch lange nicht an dem Punkt sind, an dem die Autonomie einer Frau über unsere Sensationslust nach pikanten Inhalten gestellt wird.

«Pam & Tommy» läuft auf Disney+. 

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Johannes hechler

Toller Artikel super unterhaltsam geschrieben. Weiter so, die Serie Pam & Tommy ist einfach toll haben aus dieser eigentlich lächerlichen Story ein spannendes Meisterwerk kreiert.