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Priscilla Presley im Interview: «Ich bereue gar nichts»
- Text: Jacqueline Krause-Blouin
- Bild: Alamy
Bei unserem Treffen 2018 mit Priscilla Presley wurde schnell klar: Die vermeintliche Lolita ist in Wahrheit eine komplexe Frau, die Beachtliches geleistet hat.
Dieser Artikel ist erstmalig im Juni 2018 erschienen und wurde aktualisiert.
«I’ll guess I’ll never know the reason why you love me like you do. That’s the wonder, the wonder of you.» Leuchtende Handys in den hochgestreckten Händen der Fans sehen von oben in der Londoner O2-Arena aus wie Glühwürmchen, und manchmal hört man die Musik vor lauter Kreischen kaum. Dabei ist der, der da singt, längst tot. Elvis Presley, nun ja, eine Projektion von Elvis Presley. Eine Einladung zum Mitschunkeln ist dieser Song, dieser Hit von Elvis aus dem Jahr 1970, der seiner aktuellen Tour den Namen schenkte: «The Wonder of you».
Und Mitschunkeln, das könnte man vielleicht, wenn diese ganze Situation nicht so bizarr wäre. Angesagt werden die Songs von seiner Frau, genauer seiner Ex-Frau Priscilla Presley, die dort vom Royal Philharmonic Concert Orchestra umrahmt auf der Bühne steht. Der Tourtitel ist natürlich kein Zufall: «The Wonder of you» ist nur auf den ersten Blick eine Würdigung des wohl grössten Popstars der Menschheitsgeschichte. Auf den zweiten ist es – selbst wenn sie das wohl niemals selbst so sehen würde – eine Würdigung Priscillas selbst.
«Er war sehr grosszügig»
Ihr Haar ist heute nicht mehr pechschwarz und maximal toupiert, wie Elvis es am liebsten hatte, sondern rötlich und glatt. Sie trägt eine bestickte mitternachtsblaue Abendrobe und läuft etwas planlos auf der Bühne auf und ab. Zeigt Fotos und Super-8-Video-Schnipsel aus der gemeinsamen Vergangenheit mit Elvis, zum Beispiel von Weihnachtsfesten in Graceland, sagt Dinge wie: «Er machte an Weihnachten immer die tollsten Geschenke, er war sehr grosszügig.» Die langen Pausen zwischen ihren eingeübten Sätzen tun manchmal fast ein wenig weh. Man hat noch immer das Gefühl, es mit einem zaghaften Mädchen zu tun zu haben, einem, das vorsichtig vorfühlt, ob es auch gemocht wird.
Man kann ihr das nicht verdenken. Partner:innen von männlichen Pop-Ikonen haben es noch nie leicht gehabt. Zu gern tritt der Yoko-Ono-Effekt ein, es gibt im Englischen einen regelrechten Fachjargon für Popstar-Freundinnen. Diese Art von Frau steht permanent unter Generalverdacht, entweder ein Gold Digger, ein Star Fucker oder ein Control Freak zu sein, der den kreativen Output des geliebten Künstlers negativ beeinflusst. Priscilla Presley ist eine solch umstrittene Figur.
«Ich wurde immer gehasst»
Ihr Leben lang bekam sie den Neid und die Eifersucht der Fans zu spüren, hat Hassbriefe und sogar Morddrohungen bekommen. «Ich wurde immer gehasst. Ich wurde gehasst, weil ich ihn geheiratet hatte, und dann gehasst, weil ich mich von ihm scheiden liess», sagte Presley, geborene Wagner, 1973 in ihrem ersten Interview nach der Scheidung, ihrem ersten Interview überhaupt. Aber die Eifersucht war beidseitig: Priscilla wollte ihre grosse Liebe auch nicht mit der ganzen Welt teilen. Musste sie aber.
Doch von vorn: Priscilla Ann Beaulieu erfährt als Teenager durch Zufall, dass sie adoptiert ist und eigentlich Wagner heisst. Zu der Zeit lebt sie mit ihrer Familie im deutschen Wiesbaden. Ihr Adoptivvater, ein US-Air- Force-Offizier, ist in Deutschland stationiert, genauso wie der junge Soldat Presley. 1959 ist Priscilla gerade einmal 14 Jahre alt, als sie dem King of Rock’n’Roll zum ersten Mal begegnet. Es ranken sich viele Mythen um dieses erste Treffen. Mehrere Dokumentationen und Biografien behaupten, Priscilla hätte es darauf angelegt, sich gezielt an den Star herangepirscht.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Alles mithilfe ihrer Mutter, eines ehemaligen Fotomodells mit den Ambitionen einer Eislaufmutter, die ihre Tochter nach dem Vorbild von Elvis’ Starlet-Freundinnen aufgebrezelt habe. Priscilla Presley selbst tut diese Version bis heute als Fiktion ab, sie habe kaum gewusst, wer dieser Elvis überhaupt war, und sei nur zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Oder doch zur richtigen Zeit im richtigen Bett? Dies zumindest behauptet ein gewisser Curry Grant, ein damals guter Freund von Elvis, der bis heute damit prahlt, dass Priscilla ihren späteren Ehemann nur kennengelernt habe, weil sie vorher – sozusagen als Eintrittsbillett – mit ihm, Grant, geschlafen habe.
Presley selbst ist es so wichtig, dass ihre Version des Kennenlernens in die Geschichtsbücher eingeht, dass sie selbst zwanzig Jahre nach der Scheidung von Elvis noch darüber vor Gericht gestritten hatte. Und gewann. Die Frage jedoch bleibt, was Curry Grant für ein Motiv hätte, solche Lügen zu verbreiten, da er damals nicht nur verheiratet war, sondern auch vor aller Welt Sex mit einer Minderjährigen eingestand.
Abgöttische Liebe oder Stockholm-Syndrom?
Diese alte Geschichte ist deswegen relevant, weil sie zeigt, dass im vermeintlich schüchternen Mädchen offenbar doch eine Frau steckt, die sehr genau weiss, was für eine Aussenwirkung sie erzielen möchte. In ihrer Autobiografie «Elvis and me» hat sie deshalb ihre Liebesgeschichte mit Elvis en détail beschrieben. Es bleibt ihre Wahrheit, die Wahrheit, die sie heute, viele Jahrzehnte nach Elvis Presleys Tod im Jahr 1977, noch immer vermarktet.
Vielleicht ist es dieses Mysterium, das ihre Liebesgeschichte bis heute so faszinierend macht. War es eiskalte Berechnung oder doch die Hand des Schicksals? Abgöttische Liebe oder Stockholm-Syndrom? Auch der Lolita-Effekt trägt seinen Teil zur öffentlichen Faszination dieser Beziehung bei: Denn dass die Eltern einen Teenager für immer in die Obhut eines zehn Jahre älteren Rockstars übergeben, ist, gelinde gesagt, ungewöhnlich. Mit 15 setzte sich das Mädchen allein in ein Flugzeug, um fortan bei Elvis in seinem Anwesen Graceland in Memphis, Tennessee, zu leben.
Zahlreiche Affären
Zwischen Reisen nach Hollywood, nächtelangen Parties und Tourneebegleitung besuchte sie eine katholische Mädchenschule, wo sie nach durchzechten Nächten regelmässig im Unterricht einschlief. So gedieh «Cilla» unter Presleys Fittichen zu seiner selbsterschaffenen Traumfrau. Nur Sex gab es angeblich auch in den wildesten Nächten keinen bis zur Hochzeit ganze sechs Jahre nach ihrem Einzug in Graceland, als Priscilla bereits 21 war.
Nach eigener Aussage wollte Priscilla das zwar unbedingt, Elvis jedoch nicht. Jedenfalls nicht mit ihr. Es ist kein Geheimnis, dass der King of Rock’n’Roll zahlreiche Affären hatte, auch in Priscilla Presleys Buch ist dies ein Thema. Trotzdem kommt sie immer wieder darauf zurück, dass sie letztlich doch immer die einzig Wahre gewesen sei – «that’s the wonder of you».
Ständige Angst verlassen zu werden
Selbst an diesem Abend in London zeigt Presley Bilder der Schauspielerin Ann-Margret – ihrer wohl schärfsten Konkurrentin. «Und hier ist Elvis sehr vertraut mit Ann-Margret», sie kichert, so als sähe man auf dem Bild ein Kind, das man gerade bei einem Streich erwischt hat. In Wahrheit starb der verliebte Teenager damals tausend Tode, als sie aus Zeitungen von der Affäre erfuhr. Sogar von einem Suizidversuch erzählt sie offen in ihrer Autobiografie. Und von der ständigen Angst verlassen zu werden, weil sie dann als Versagerin zu ihren Eltern hätte zurückkehren müssen, die sie ständig mit Fragen nach einer Hochzeit mit Elvis bedrängten.
Adoptivvater Beaulieu rief schliesslich persönlich bei Elvis an und befahl ihm, aus seiner Tochter endlich eine ehrbare Frau zu machen. Es gibt sogar Stimmen, die behaupten, Beaulieu habe mit einer Klage wegen Verführung einer Minderjährigen gedroht. Die Zeremonie fand 1967 jedenfalls überstürzt im Hotel Aladdin in Las Vegas statt. Neun Monate später wurde die einzige Tochter des Ehepaars, Lisa Marie, geboren. Priscilla war darüber unglücklich, weil sie vorher gern noch mehr Zeit mit Elvis allein verbracht hätte, ausserdem hatte sie grosse Probleme damit, dass sich ihr Körper veränderte und Elvis sie nach der Geburt nicht mehr als sexuelles Wesen betrachtete. Sie begann eine Affäre mit ihrem Karatelehrer.
«Ich liess mich nicht scheiden, weil ich ihn nicht mehr liebte»
Fünf Jahre nach der Hochzeit wurde die Ehe der Presleys auf Priscillas Wunsch hin geschieden. «Ich liess mich nicht scheiden, weil ich ihn nicht mehr liebte», sagte sie später. «Aber ich musste die Welt kennenlernen.» Am Tag der Scheidung verliess das Paar Hand in Hand das Gericht und blieb befreundet. Weitere vier Jahre später, am 16. August 1977, starb der Sänger. Die Legende lebt weiter. Der Tod von Elvis wird in der Show «Elvis in Concert, The Wonder of you» nicht thematisiert, und es soll auch am nächsten Morgen, beim Interview in einem Londoner Grandhotel, nicht darauf eingegangen werden.
Das wurde im Voraus explizit vom Management so gewünscht. Wir treffen Priscilla Presley in einer kalten Suite, sie klammert sich an einen Becher Starbucks-Kaffee, lächelt höflich distanziert, so gut das eben geht, denn ihre Mimik ist starr. Was eine Herausforderung ist, weil man als Interviewerin nicht weiss, was sie von den Fragen hält, ob man ihr zu nah tritt, ob sie amüsiert ist oder genervt. Wenn es jemals ein perfektes Pokerface gab, dann an diesem Tag bei Priscilla Presley. Sie spricht bedacht, langsam und sehr leise. Eigentlich haucht sie mehr.
annabelle: Priscilla Presley, wie fühlt sich das an, wenn Tausende Fremde einer Projektion Ihres verstorbenen Mannes zujubeln?
Priscilla Presley: Nun, das zeigt, wie viel Kraft Elvis noch immer hat. Wir waren uns nicht sicher, ob die Leute Elvis nach so vielen Jahren noch live sehen wollten. Nun ja, fast live. Aber sie haben es ja gemerkt, es sind fünfjährige Kinder und 100-jährige Greise im Konzertsaal. Wir haben vierzig Jahre nach seinem Tod die O2-Arena in London ausverkauft – über 12’000 Menschen, so etwas schafft nur er. Man hat wirklich das Gefühl, dass Elvis nach der Show rauskommen wird, um sich zu verbeugen, und «Thank you very much» (imitiert ihn mit Südstaatenakzent) sagt.
Ist das nicht bizarr für Sie?
Absolut. Für mich ist es eine sehr emotionale Angelegenheit. Aber eben auch sehr schön, weil ich bei jedem Konzertabend meine Zeit mit Elvis noch einmal erleben darf. Ich erinnere mich dann an seine Persönlichkeit, an seine Witze, sein Lächeln.
Elvis war nie in Europa auf Tournee …
Genau, er wollte aber unbedingt in Europa mit einem Orchester performen, das war ein Traum von ihm. Drei Monate vor seinem Tod hat er seinem Manager gesagt, dass er nun endlich seine Fans in Übersee kennenlernen wolle. Die Leute haben ihm tonnenweise Briefe geschickt, alle wollten, dass er kommt. Nun, jetzt ist er ja da.
Sie mussten Ihren Mann immer teilen. Heute, über vierzig Jahre nach seinem Tod, machen Sie es sogar freiwillig. Warum tun Sie sich das an?
Ein gesunder Umgang damit war ein sehr langer und schwerer Prozess für mich. Ich wollte ihn doch auch nur für mich selbst haben. Als Frau, als Mutter, als Vertraute. Und meistens konnte ich das eben nicht, weil er so viel unterwegs war und auch sonst immer Leute um ihn herum waren. Ich musste für meine Zeit mit Elvis kämpfen. Und ich war sehr eifersüchtig. Ich hatte keine Wahl, ich nahm das, was ich von ihm bekommen konnte. Aber ein Leben im Zeichen des Rock’n‘Roll ist eben kein bürgerliches Leben.
Aber von Ihnen wurde erwartet, dass Sie von Kopf bis Fuss perfekt und stets für Ihren Mann da sind. Ein ziemlich bürgerlicher Anspruch, der auch von einer gewissen Doppelmoral zeugt, nicht?
Hören Sie, das Rock’n’Roll-Leben ist nicht glamourös. Es tut weh. Vor allem dann, wenn man mit einem Rock’n’Roller verheiratet ist. Damit muss man sich abfinden oder gehen.
Elvis wusste sehr genau, wie seine perfekte Frau sein sollte. Er soll Ihnen sogar ein Buch auf den Kopf gelegt haben, um Ihre Haltung beim Gehen zu verbessern.
Ach Gott, ja. Und er hat immer all meine Kleidung für mich ausgesucht. Er mochte keine Hosen, wollte, dass ich mich feminin kleide und Jupes und Kleider trage. Manchmal konnte ich ihm einen Hosenanzug unterjubeln (lacht). Er wollte nicht, dass ich Prints trage, und mochte gedeckte Farben an mir. Er meinte, das unterstreiche meine Schönheit. Ja, Elvis wusste ganz genau, wie ich ihm gefiel. Ich habe mich nicht gewehrt, weil ich wusste, dass er einen grossartigen Stil hatte. Er war eben ein Ästhet, und ich habe mich immer an ihm orientiert. Auch von Nägeln, Make-up und Haaren hatte er sehr klare Vorstellungen. Er mochte mein Haar schwarz und lang.
Aber einmal haben Sie es kurz schneiden lassen …
Oh, das fand er ganz furchtbar! Er hat gar nicht mehr aufgehört, davon zu reden!
Welchen Rat würden Sie heute der 14-jährigen Priscilla geben?
Ich bereue gar nichts, wenn es das ist, worauf Sie hinauswollen. Ich habe ein grossartiges Leben geführt, obwohl ich überhaupt nicht darauf vorbereitet war, an der Seite eines Megastars zu leben. Ich vermisse diese Zeit oft – all den Spass, den wir hatten. Es war sehr besonders für mich, ich war immer die einzige Frau, die mit den Jungs unterwegs war. Ich schaue gern zurück, aber ich bin auch froh, dass ich heute mein eigenes Leben führe und mich selbst gefunden habe. Ich bin zufrieden.
Sie gingen mit 15 Jahren aus der Obhut Ihrer Eltern in die Obhut eines erwachsenen Mannes über. Nach der Trennung von Elvis waren Sie zum ersten Mal in Ihrem Leben allein. Wie schwer war das für Sie?
Darüber möchte ich nicht reden. Daraus machen Sie dann die Story, und das will ich nicht. Mir geht es um die Show und um Elvis.
Fühlt man sich eigentlich unglaublich bedeutend oder furchtbar klein mit einem solchen Übermenschen als Ehemann?
Mir war die Grösse seiner Strahlkraft am Anfang nicht bewusst. Ich wusste, er war beliebt, aber die Dimension überstieg meine Vorstellungskraft als Teenager. Für mich war die Anpassung unglaublich schmerzhaft. Ich musste für mich die Entscheidung treffen, ob ich das Leben eines anderen Menschen leben wollte. Weil ich persönlich ab sofort kein eigenes Leben mehr hatte. Sein Leben wurde mein Leben.
Auch Ihre Tochter, Lisa Marie, hat 1994 den grössten Popstar ihrer Generation – Michael Jackson – geheiratet. Eine überraschende Parallele. Konnten Sie ihr da Ratschläge aus erster Hand geben?
Einige. Aber natürlich handelt es sich um zwei komplett unterschiedliche Beziehungen. Für jede Mutter kommt ein Moment, in dem sie aus der Schusslinie treten muss. Und als Lisa Marie geheiratet hat, war das so ein Moment. Sie hat ihre eigene Reise angetreten, und da musste ich mich zurückziehen.
Warum ist es Ihnen so wichtig, Elvis’ Flamme am Brennen zu halten?
Weil er uns so viel gegeben hat. Er hat uns sein Herz und seine Seele geschenkt. Er wollte noch so viel erleben, und wann immer ich die Chance habe, ihm einen Traum zu erfüllen, will ich das tun. Ich möchte zeigen, dass er nicht nur ein Star war, sondern ein begnadeter, sehr vielseitiger Musiker. Diese Vielseitigkeit konnte er nie ausleben, weil er oft nur auf seinen Sexappeal reduziert wurde. Sein Label und sein Management waren an Veränderung und Reifungsprozess nicht interessiert. Sie wollten, dass er für immer gleich, für immer jung bleibt. Aber Elvis wollte mehr, und ich empfinde es als meine Aufgabe, das den Menschen zu zeigen.
In gewisser Weise ist dieser Zwang, für immer jung, für immer schön sein zu müssen, nicht nur das Drama von Elvis, sondern auch das von Priscilla Presley, einer Frau, die ihr Leben lang vor allem über ihr Äusseres definiert wurde. Von ihrer Mutter, von ihrem Mann und von der Öffentlichkeit. Sie wurde von der atemberaubend schönen Lolita zur perfekten Ehefrau und zur perfekten Ex-Ehefrau. Selbst im Zusammenhang mit ihrer erfolgreichen Schauspielkarriere – immerhin spielte sie in den 80ern fünf Jahre lang eine Hauptrolle in der Kultserie «Dallas» und übernahm später einen Part im Serienhit «Melrose Place» – war die Optik immer Thema Nummer eins.
Kampf für die ewige Jugend
Heute geht es eher um ihren Kampf für die ewige Jugend. Einen Kampf, den man natürlich nur verlieren kann. In Magazinen werden hämisch «Damals»- und «Heute»-Bilder gezeigt, Chirurgen spekulieren mit diabolischer Freude darüber, was Priscilla Presley wohl alles in ihrem Gesicht hat machen lassen. Nein, sie ist keine Helen Mirren, die entspannt mit ihrem Alter umgeht, die mit ihrer spritzigen Persönlichkeit und ihrer fundierten Meinung überzeugt, die jedem Journalisten, der sie auf ihr Äusseres reduziert, verbal den Stinkefinger zeigt und sich auf Feminismus und Gleichstellung beruft. Presley ist eine im Grunde schüchterne Frau, der ein Leben lang eingebläut wurde, in absolut jeder Situation perfekt sein zu müssen.
Beim Abschied noch die letzte Frage, was für ein Opa Elvis Presley heute mit 83 wohl wäre. Da lacht sie zum allerersten Mal richtig unkontrolliert, glockenhell und fröhlich. «Ich kann ihn mir überhaupt nicht als Opa vorstellen! Er war so ein liebender Vater, so wäre er bestimmt auch als Grossvater gewesen. Aber ich weiss, dass er die Bezeichnung Opa nicht gemocht hätte!» Sie schaut sich im Raum nach Verbündeten um, zieht die Augenbrauen hoch, so als hätte sie etwas Unerlaubtes getan. Als sich ihr Lachen fast überschlägt, erkennt man die verspielte, die mädchenhafte Seite der Priscilla Presley. Einer komplexen Figur, einer Frau, die ihr Leben für einen Mann aufgegeben hatte. Aber sie selbst würde wohl sagen, «die ihr Leben einem Mann gewidmet hatte.»
Sie schuf aus der Marke Elvis Presley ein Imperium
Gerade in Zeiten von #MeToo hätten wir gerne, dass Priscilla Presley sich befreit von diesem vermeintlichen Unterdrücker. Aber so tragisch bittersüss diese Geschichte von aussen aussehen mag, Priscilla Presley selbst empfindet die 14 Jahre, die sie mit Elvis verbracht hat, als Segen. Diese 14 von bisher 72 Jahren waren die wichtigsten ihres Lebens. Und sie hat sich ihr Leben lang von der Öffentlichkeit darauf reduzieren lassen. Dass sie von 1984 bis 2006, also 22 Jahre lang, an der Seite eines anderen Mannes, Marco Garibaldi, gelebt und sogar einen Sohn mit ihm hat, weiss kaum jemand.
Oder dass sie angeblich im vergangenen Jahr den Musiker Tom Jones, einen engen Freund von Elvis, geheiratet haben soll. Auch weil Priscilla Presley eine Marke ist, zu der nun mal kein anderer Mann als Elvis passt. «Elvis lebt», und dafür sind in erster Linie Presley und ihre clevere Vermarktung verantwortlich. Sie war es, die aus Graceland, Elvis heiligem Rückzugsort, eine der beliebtesten Touristenattraktionen der USA machte, sie bringt eine Re-Edition nach der anderen heraus, organisiert Ausstellungen, schreibt Bücher, lizenziert Parfums: Sie schuf aus der Marke Elvis Presley ein Imperium und machte sich selbst zur Strippenzieherin.
Ein Megastar wird nun mal nicht von allein unsterblich. Die vermeintliche Lolita hat Beachtliches geleistet, besitzt Schätzungen zufolge ein Vermögen von über hundert Millionen Dollar. Allein Graceland spült jedes Jahr Einnahmen von über dreissig Millionen Dollar in die Kassen.
Die Konservierung des All-American-Superstars Elvis Presley hat sich diese Frau sehr bewusst zur Lebensaufgabe gemacht, denn Elvis am Leben zu erhalten, hält sie selbst am Leben. Was aber das Wichtigste ist: Priscilla Presley sieht sich nicht als Opfer. Ist es nicht das – selbst in Zeiten von #TimesUp und #MeToo –, was wirklich zählt? So gesehen ist die Geschichte der Priscilla Presley eben doch die einer Befreiung. Nur nicht auf die laute Weise.