Werbung
Pop-Up: Parsua Bashi

Kultur

Pop-Up: Parsua Bashi

  • Text: Frank HeerFoto: Karin Heer

Der Liebe wegen war sie aus Teheran nach Zürich gekommen. Der Heimatliebe wegen ist sie nun zurückgekehrt – und beschreibt in einem Buch ihr Leben zwischen Freiheit und Unterdrückung.

Vor sechs Monaten tat Parsua Bashi das scheinbar Undenkbare. Sie zog zurück nach Teheran. Richtig: zurück, nicht weg aus Teheran. Dabei fand die Iranerin in ihren sechs Zürcher Jahren alles, was sich andere Einwanderinnen wünschen: einen guten Mann («den besten, einfühlsamsten»), Aufträge als Grafikerin, Freunde und einen Verlag, der ihre gezeichnete Autobiografie «Nylon Road» veröffentlichte. Doch etwas fand Parsua Bashi bei uns nicht: ein glückliches Leben. Dabei sei die Schweiz ein Schlaraffenland, sagt sie, doch ihre Heimat, der Iran, sei für sie «die echte Welt».

Parsua Bashi ist eine energische Frau mit wildem Haar und schwarzen Augen. Sie raucht, lacht, gestikuliert, argumentiert. 1966 wurde sie in Teheran geboren. Im Bücherregal ihrer Eltern standen die Bände abendländischer Dichter und Denker. Doch als Parsua Bashi in den Achtzigerjahren Design und Grafik an der Universität von Teheran studierte, hatte Ayatollah Khomeinis Islamische Revolution die ehemalige Monarchie bereits in eine fundamentalistische Diktatur verwandelt. Parsua Bashi wurde von der Revolutionären Garde festgenommen und mit siebzig Peitschenhieben bestraft, weil sie sich ausserhalb der Universität mit einem Klassenkameraden unterhalten hatte. «Ich fühlte mich wie ein Tier», erzählt sie in «Nylon Road».

Sie fand einen Job in einer Werbeagentur. Sie heiratete überstürzt einen Mitarbeiter, der sie begehrte, vor allem aus Angst vor weiteren Schlägen von der Sittenpolizei. Mit 23 wurde sie schwanger. «Im Westen leben die Menschen zunächst zusammen, um sich besser kennen zu lernen, im Iran war es genau umgekehrt. Zuerst heiraten, dann kennen lernen.» Die Ehe wurde zum Drama. Nach sechs Jahren verlangte sie die Scheidung. Das Sorgerecht für die Tochter sprachen die Mullahs ihrem Ex-Mann zu.

Immer mehr Verwandte und Freunde verliessen in den Neunzigern das Land. Parsua Bashi blieb. Sie arbeitete als Buchgestalterin und gewann Preise für ihre Illustrationen. Sie war überzeugt, dass es falsch wäre, den Iran zu verlassen. Sie sagte: Wenn jeder begabte Mensch sich selbst rettet, steht es schlecht um dieses Land. Sie harrte aus – bis sie sich verliebte. In einen Schweizer Jazzmusiker, der in Teheran ein Konzert gab. Entgegen ihrer innersten Überzeugung zog sie 2004 zu ihm nach Zürich. Um noch einmal von vorne zu beginnen. Sie passte sich an, gewöhnte sich an Ungewohntes, lernte neue Regeln, zügelte ihr Temperament. Obschon sie sich bestens assimilierte, wurde Bashi das Gefühl nie los, am falschen Ort zu leben. Das Gefühl wurde zur Belastung, auch für ihre Ehe. «Aus dem Heimweh wurde eine Depression, aus der Depression eine Tragödie.» Die iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 verstand sie als Aufforderung: «Da starben Menschen auf den Strassen im Namen der Freiheit. Ich musste zurück, um mich für mein Land zu engagieren, selbst wenn es die Trennung von meinem Mann verlangte.»

Parsua Bashi lebt heute mit ihrer erwachsenen Tochter aus erster Ehe in Teheran. Für den Zürcher Kein-&-Aber-Verlag hat sie seit ihrer Rückkehr eine Reihe Kurzgeschichten verfasst. «Briefe aus Teheran» erzählt vom Alltag zwischen Freiheit und Unterdrückung. Von der Herausforderung, eine bezahlbare Wohnung zu finden oder einen Fussgängerstreifen zu überqueren; von modebewussten Frauen, die für ihre Rechte kämpfen; vom Leben in Teheran, das sich so sehr nicht vom Leben in jeder anderen Grossstadt unterscheidet. «Ihr Schweizer habt eine ähnlich verzerrte Vorstellung vom Iran wie die Iraner von der Schweiz», sagt Bashi. «Wir denken, bei euch gibt es nur Käse, Schokolade und Uhren. Ihr denkt, bei uns dreht sich alles nur ums Kopftuch und das Alkoholverbot. Und wenn wir uns kennen lernen, sind wir erstaunt, wie wenig wir voneinander wussten.»

Parsua Bashi: Briefe aus Teheran. Verlag Kein & Aber, 192 Seiten, ca. 32 Franken