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Netflix-Serie «Transatlantic» mit Zürcherin Deleila Piasko: «Spielen ist für mich Therapie»

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Netflix-Serie «Transatlantic» mit Zürcherin Deleila Piasko: «Spielen ist für mich Therapie»

Heute Freitag startet die Netflix-Serie «Transatlantic». Mit dabei: Deleila Piasko. Mit uns sprach die Zürcher Schauspielerin über Katharsis beim Spielen, ihre Hassliebe zur Schweiz und Quentin Tarantino.

Marseille im Jahr 1940–1941: Eine internationale Gruppe junger Menschen organisiert einen Fluchtweg über die Pyrenäen, um Verfolgten zu helfen. Die neue Netflix-Serie «Transatlantic» erzählt von Krieg, Flucht und unbändigem Mut – inspiriert von der wahren Geschichte des US-Journalisten Varian Fry, der Erbin Mary Jayne Gold und der Hilfsorganisation «Emergency Rescue Committee».

In der Netflix-Produktion ist mit Deleila Piasko auch eine Schweizerin dabei: Die Zürcherin spielt in der Dramaserie Lisa Fittko, die österreichische Widerstandskämpferin, die im Zweiten Weltkrieg tatsächlich unzähligen Flüchtenden über die Pyrenäen zwischen Frankreich und Spanien half.

annabelle: Sie spielen in «Transatlantic» die antifaschistische Kämpferin Lisa Fittko. Was hat Sie an dieser Rolle am meisten gereizt?
Deleila Piasko: Lisa Fittko ist eine sehr komplexe Persönlichkeit. Ich fand spannend, mit welcher Entschiedenheit sie Widerstand leistete. Damit hat sie schon früh angefangen: Lisa war im sozialistischen Schülerbund, kämpfte in einer Untergrundbewegung gegen Nazis und verteilte im Exil Flugblätter. Ihren unbedingten Willen, gegen den Faschismus zu kämpfen, fand ich inspirierend. Und die Selbstverständlichkeit, mit der sie handelt.

Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Ich habe sehr viel gelesen und alles aufgesogen, was ich über Lisa Fittko und über diese Zeit in Marseille gefunden habe. Weil «Transatlantic» eine Mischung aus Wahrheit und Fiktion ist, hatte ich zwei Ressourcen – die historische Lisa Fittko und die etwas abgeänderte Figur im Drehbuch. Ich versuchte bei beiden herauszufinden, wer die Person ist und wie sie tickt. Was treibt sie an? Wonach sehnt sie sich? Man kann sich aber so viel vorbereiten, wie man will. Schlussendlich ist es eine Teamarbeit zwischen Regie und Schauspieler:innen, ein Spiel vor der Kamera. Und manchmal muss man sich einfach treiben lassen.

Wie meinen Sie das?
Ich weiss meistens nicht, wie es herauskommt. (lacht) Das ist Teil des Prozesses und auch das Reizvolle! Man versucht, gut vorbereitet zu sein, hat das Gefühl, die Figur gefunden zu haben – kommt ans Set und da ist alles anders: Die Szene funktioniert zum Beispiel ganz anders, als man sich das ausgemalt hat, braucht etwa eine gewisse Energie, mehr Wut oder sie ist viel leiser. Es ist wichtig, dass man offen dafür ist, dass alles ganz anders kommt, als man denkt.

Was war die grösste Herausforderung an «Transatlantic»?
Lisa Fittko ist eher introvertiert. Deshalb war mir wichtig, dass man trotzdem merkt, was in ihr vorgeht, auch wenn sie es nicht ausspricht. Und: Wir drehten bei 40 Grad in Marseille, in Winterkleidern. Es war so heiss!

Sie haben selbst jüdische Wurzeln. Wie war es für Sie, sich intensiv mit dieser Materie und dieser Rolle zu befassen?
Es ist schwierig, das zu beantworten. Ich bin in einer jüdischen Familie aufgewachsen und weiss nicht, wie ich mich gefühlt hätte, wenn ich das nicht wäre. Einerseits macht es vielleicht einen Unterschied, wenn man mit dieser Kultur gross geworden ist. Ich ging in den jüdischen Kindergarten, bin heute traditionell, aber liberal – es ist eine Teilidentität von mir. Und natürlich ist der Nationalsozialismus Teil unserer Familiengeschichte, es gibt Traumata. Dementsprechend kann ich mir vorstellen, dass ich dadurch andere Triggerpunkte habe. Andererseits erzählen wir eine Geschichte von Flucht und Krieg. Man muss nicht unbedingt jüdisch sein, um dafür Empathie aufzubringen.

Sie haben in Ihrer Laufbahn häufig historische Figuren wie Anne Frank verkörpert und in zahlreichen Projekten mitgewirkt, die sich mit Geschichte befassen. Was reizt Sie besonders an solchen Rollen?
Ich fände es schön, in mehr Komödien zu spielen! Es zieht mich nicht unbedingt zu dramatischen Rollen hin. Es ist eher abhängig von den Angeboten, die reinkommen, ob mich eine Figur interessiert oder nicht. Aber es stimmt, ich wurde eher für historische Stoffe besetzt. Woran das liegt? I don’t know. Ich sehe das auch als eine Art Katharsis. Also dass man Dinge, die einem im Leben passiert sind, mit einer anderen Situation verarbeiten kann. Das neu zu erleben, ist vor allem in dramatischen Stoffen sehr reizvoll.

Inwiefern?
Es ist eine Art Therapie. Das Spielen generell – aber auch das Durchleben emotionaler Szenen. Das sehe ich als kathartischen Prozess. Wo eine Figur beginnt und man selbst aufhört, kann man nicht rational sagen. Im besten Fall verfliesst man mit einer Figur – es ist ein sinnlicher Vorgang. Man sagt ja auch: Wir tragen alle ein Ensemble in uns. Es gibt verschiedene Varianten von Deleila, es gibt viele Rollen. Dafür muss man nicht mal Schauspieler:in sein: Ihre Mutter bringt etwas anderes aus Ihnen raus als Ihre beste Freundin oder ein Ex-Partner. Beim Spielen ist es mehr so, dass man in sich kehrt und sich überlegt: Welche Teile einer Figur finde ich in mir? Wo kann ich diese Seite rausbringen und wieder erleben?

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Sie wohnen in Berlin. Zur Schweiz und zu Zürich empfinden Sie eine Hassliebe, sagten Sie in einem Interview. Warum?
Ach ich weiss nicht, vielleicht hätte ich auch eine Hassliebe zu Berlin, wenn ich in Berlin aufgewachsen wäre. Mich zieht es eigentlich immer weg, ich habe immer Fernweh. In der Schweiz funktioniert alles immer wie ein perfektes Uhrwerk. Ich wollte erleben, was andere Städte in sich tragen, welche Geschichten sie erzählen. Ich musste einfach raus. Aber es ist der Ort, an dem ich gross geworden bin. Es ist Heimat und trotzdem musste ich gehen.

Sie sagten, dass Sie sich anfangs in Berlin an der Schauspielschule für Ihren Schweizer Akzent geschämt haben. Wie schwierig ist es, als Schweizerin in der internationalen Film- und Theaterszene Fuss zu fassen?
Es gibt tolle Schweizer Schauspieler:innen und tolle Schweizer Filme, die gemacht werden. Ich weiss nicht, wie schwierig es ist – ich kenne viele Gegenbeispiele. Schlussendlich ist es ein ökonomisches Problem und die Schweiz einfach ein kleinerer Markt. Natürlich gibt es eine gewisse Sprachbarriere, wenn man einen harten Akzent hat, ob in der Schweiz, in Deutschland oder Österreich.

Sie sind Teil des Ensembles des Wiener Burgtheaters, spielen neu in einer Netflix-Serie mit – wo zieht es Sie künftig hin, vor die Kamera oder auf die Bühne?
Am liebsten würde ich es kombinieren, denn ich finde, dass sich diese beiden Disziplinen gegenseitig befruchten. Es ist schön, den Beruf auf verschiedene Arten ausleben zu können. Man hat andere Mittel zur Verfügung, wenn man auf der Bühne oder vor der Kamera steht. Mich interessiert aber auch die Arbeit als Cutterin oder Produzentin. Also alles, was damit zu tun hat, Utopien zu kreieren und Geschichten zu erzählen.

Was wollen Sie unbedingt erreichen?
Ich würde gerne mit Tarantino arbeiten (US-Regisseur Quentin Tarantino, Anm. d. Red.). Ich liebe seine Fantasie. Er ist wahnsinnig mutig, entschieden und radikal. Das gefällt mir. Alles, was nicht lauwarm ist, interessiert mich.

«Transatlantic» ist ab dem 7. April bei Netflix zu sehen.

Deleila Piasko (32) wuchs in Zürich auf und absolvierte ihre Schauspielausbildung an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Nach dem Abschluss ihres Studiums war sie bis 2017 festes Ensemblemitglied am Konzert Theater Bern, danach war sie im Ensemble am Staatsschauspiel Dresden tätig. Seit 2019 ist Piasko Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters, ausserdem wirkt sie in TV- («Das Weisse Haus am Rhein») und Kinoproduktionen («Stasikomödie») mit.

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Katarina

Danke, Lisa Fittko wurde von Ihnen wunderbar dargestellt, die Körpersprache, die Mimik und die Gesten- eine der besten und authentischsten Figuren in diesem Film.