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Diese Bücher sollten Sie im März lesen

Literatur & Musik

Diese Bücher sollten Sie im März lesen

  • Text: Miriam Suter, Verena Lugert

Jeden Monat stellt die annabelle-Kulturredaktion die besten Bücher und Bildbände für Sie zusammen. Lassen Sie sich inspirieren!

Im März können wir bereits das erste Mal im Jahr die Sonnenbrille montieren. Trotzdem hält sich das kalte, nasse Wetter noch immer hartnäckig und wir bleiben abends auch gerne mal mit einer Tasse Tee in der Wärme und widmen uns einem guten Buch. Auch diesen Monat hat die annabelle-Kulturredaktion für Sie in den Neuerscheinungen gestöbert.

Diesen Monat empfehlen wir Ihnen unter anderem das tausend Seiten starke neue Werk von Paul Auster, in dem der Autor seinen Protagonisten ganze vier Leben leben lässt, oder die subtil-verstörende Abhandlung über Erschütterung nach der grossen Liebe der US-Autorin Katie Kitamura.

Wir wünschen Ihnen viel Spass beim Lesen!

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1.

Immer wieder stossen wir auf unserem Lebensweg auf Gabelungen. Robert Lee Frost hat dies in seinem Gedicht «The Road Not Taken» wunderschön beschrieben: «Two roads diverged in a wood, and I / I took the one less traveled by / And that has made all the difference.» Archibald Ferguson, der jugendliche Held in Paul Austers Roman, zitiert eine Zeile dieses Gedichts – in einem seiner Leben. Denn vier Leben hat Ferguson in «4321», Paul Austers Opus magnum. Vier Leben, vier Archies variieren und durchdringen sich, vier Wege werden gewählt, vier Charaktere werden geformt. Nicht alle Archies überleben. Aber alle Archies werden 1947 geboren, alle vier schreiben, alle lieben Paris. Wie Paul Auster, ihr Schöpfer. Er wird siebzig in diesem Jahr. Und hat sich und uns mit diesem grandiosen Roman die Möglichkeit geschenkt, nicht nur den einen Weg zu sehen. Sondern viele.

– Paul Auster: 4321. Rowohlt-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2017, 1259 Seiten, ca. 45 Franken

2.

«So wie es Räume in unserem Innern gibt, die wir nie ohne Entschuldigung betreten, sollten wir auch die Siegel anderer respektieren.» Haben die beiden jungen Eheleute die versiegelten Räume im jeweils anderen zu sehr respektiert? Das Paar hat sich getrennt und vereinbart, von der Trennung erst einmal niemandem etwas zu erzählen. Christopher zieht aus. Doch Wochen später meldet sich seine Mutter bei Christophers Frau: Sie solle ihren Sohn suchen, er sei in Griechenland, sie könne keinen Kontakt herstellen. Die junge Frau reist nach Griechenland, sucht nach Christopher und den Trümmern ihrer Ehe – und gesteht sich ein, wie wenig doch beide voneinander wussten. Ein kluger, subtil-verstörender Roman über Erschütterungen. Und wie man mit ihnen umgeht.

– Katie Kitamura: Trennung. Hanser-Verlag, München 2017, 255 Seiten, ca. 25 Franken

3.

Pelleossa, Haut und Knochen, nannten sie Ninetto damals, vor über fünfzig Jahren, im bitterarmen Sizilien. Hungrig war er, wie viele seiner Schulkameraden. Als die Mutter einen Schlaganfall erlitt, musste er aufs Feld, mit dem Vater, der sich als Tagelöhner verdingte. Doch weil auch das nicht reichte, um die Armut abzuwenden, reiste er allein in den reichen Norden, nach Mailand, um da sein Glück zu suchen, obwohl er noch ein Kind war. Ein halbes Jahrhundert später erkennt sich Ninetto in den Emigranten aus Afrika wieder. Wie bei Ninetto ist auch der Ausgang ihrer Irrfahrt ungewiss. Ein warmherziger Roman über die Suche nach einem menschenwürdigen Leben.

– Marco Balzano: Das Leben wartet nicht. Diogenes-Verlag, Zürich 2017, 300 Seiten, ca. 32 Franken

4.

Für die 14-jährige Jackie ist die Anstalt Beckomberga, eine Art schwedischer Zauberberg, normaler Alltag. Jeden Tag besucht sie ihren Vater dort. Er wurde nach einem Cocktail aus Alkohol und Tabletten hierhin, in die Psychiatrie gebracht. Jackies Vater balanciert am Rand des Selbstmords, Jackie liebt ihn und er sie – doch kann ein grosses Herz ein Leben retten? «Ich habe mir immer eingebildet, ich besässe eine übermenschliche Stärke, ich weiss nicht, woher dieser Gedanke kommt. Ich habe nie jemanden gerettet, war auch nie kurz davor, jemanden zu retten.» Poetisch, zart und melancholisch.

– Sara Stridsberg: Das grosse Herz. Hanser-Verlag, München 2017, 319 Seiten, ca. 34 Franken

5.

Garry Winogrand (1928–1984), Erfinder der Street Photography, und Peter Lindbergh, Fotopionier der Supermodel-Ära (Foto links), treten in diesem tollen Bildband in einen vier Jahrzehnte umspannenden Dialog über die Stadt als Bühne flirrender (Selbst-)Inszenierungen von Weiblichkeit. Erstmals zu sehen sind auch Winogrands seltene Farbaufnahmen aus dem New York der frühen Sechzigerjahre.

Peter Lindbergh, Garry Winogrand: Women. Verlag Walther König, Köln 2017, 152 Seiten, ca. 48 Franken

6.

In seiner Heimat China galt er als kontroverse Figur, in der restlichen Welt wurde er gefeiert. Ren Hang fotografierte seine Freunde gern nackt, auf Bäumen und Dächern, umwickelt von Schlangen und anderem Getier. Der 29-Jährige wollte sich selbst nicht als Rebell bezeichnen, doch seine Darstellungen brachen Tabus – und zwar nicht nur in China. Im Taschen-Verlag erscheint die erste internationale Werkschau des Künstlers. Für alle, die seine Soloausstellung «Naked/Nude» im Foam in Amsterdam verpasst haben (läuft noch bis 12. 3.). Ende Februar 2017 verstarb der prägende Künstler, nachdem er sich Medienberichten zufolge wegen einer klinischen Depression in Behandlung begeben hatte.

Ren Hang: Ren Hang. Taschen, Köln 2017