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Diese Bücher lesen wir im April

Literatur & Musik

Diese Bücher lesen wir im April

  • Redaktion: Frank Heer, Claudia Senn; Texte: Verena Lugert (Romane), Dietrich Roeschmann (Bildband), Jessica Prinz; Foto: Unsplash

Gezeichnet, fotografiert, geschrieben: Die Büchertipps im April sorgen für Abwechslung.

Langsam bekommt man Lust, wieder draussen zu lesen. Ein gutes Buch und ein paar Sonnenstrahlen im Gesicht reichen oft schon aus, um den Energiespeicher aufzufüllen und die Frühlingsmüdigkeit zu vertreiben. Lassen Sie sich von den Büchertipps unserer Kulturredaktion inspirieren.

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1.

Drei Frauen, drei Lebenswege: Eine indische Unberührbare, eine italienische Perückenmacherin und eine kanadische Staranwältin eint der Mut, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Da ist Smita aus Indien, ärmer als bitterarm, sie sammelt den Kot aus den Latrinen, ihr Mann fängt Ratten, die sie essen. Auch ihre Tochter soll Kotsammlerin werden, so will es das Karma, so will es die Ordnung der Kasten. Doch Smita lehnt sich auf, sie opfert ihr prächtiges Haar dem Gott Vishnu, damit ihre Tochter zur Schule gehen kann. In Palermo steht die Perückenfabrik von Giulias Vater vor dem Aus, doch mit diesem indischen Haar, an das Giulia gelangt, rettet sie die kleine Fabrik. Und Sarah, die Anwältin, schwer erkrankt, schöpft durch das Tragen einer dieser Perücken wieder Lebensmut … Ein kraftvolles Buch – eine Feier des Lebens.

– Laetitia Colombani: Der Zopf. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2018, 285 Seiten, ca. 30 Franken

2.

Die Zürcher Illustratorin Anna Sommer hat eine berührende Graphic Novel gezeichnet über eine junge Frau, die in der Umkleidekabine ihrer Boutique ein Baby findet – und es behält. Zum Comix-Festival Fumetto in Luzern (14. bis 22. April) erscheint diese zarte, hochkomplexe Geschichte über Identität und Kinderwunsch nun auf Deutsch. Beim Comic-Festival von Angoulême (F) war Anna Sommers «L’Inconnue» für den Grand Prix 2018 nominiert.

– Anna Sommer: Das Unbekannte. Edition Moderne, Zürich 2018, 104 Seite, ca. 37 Franken

3.

Hier ist der Romankracher zur #MeToo-Debatte: Von einem Tag auf den andern können alle Mädchen und Frauen auf der Welt mit ihren blossen Händen Stromschläge verteilen, die entsetzlich schmerzhaft sind und sogar töten können. Auf einmal sind die Frauen das stärkere Geschlecht, in den USA wird erwogen, alle Mädchen zu erschiessen, in Saudiarabien marodieren schleierfreie Frauen durch die Strassen. Die Weltordnung kippt. Aber ist Frauenpower die sanftere Kraft? Oder waren Männer nur das kleinere Übel?

– Naomi Alderman: Die Gabe. Heyne-Verlag, München 2018, 465 Seiten, ca. 23 Franken

4.

Selbstporträts im Badezimmerspiegel, schlafende Kinder in zerwühlten Betten, der zarte Flaum am Ohr des Geliebten: Seit über dreissig Jahren gibt Ruth Erdt mit der Kamera intime Einblicke in ihr Privatleben. Auf verträumte Weise entführen ihre Bilder in eine Welt zwischen Realität und Fiktion. Nun hat die Zürcher Fotografin eine Autobiografie geschrieben. Ein reich bebildertes Essay über die Kunst, Nähe herzustellen durch die fotografische Dokumentation kaum wahrnehmbarer Wirkungen von Beziehungen.

– Ruth Erdt: Nicht zittern. Lars Müller Publishers, Baden 2018, 272 Seiten, ca. 50 Franken

5.

Sie waren sich die Welt füreinander: Ada und August Steinhauer, Glamourpaar der deutschen Kunstszene. Wer störte, war der kleine Sohn Karl, der bald ins Internat abgeschoben wurde. Er ist nun selbst ein gefeierter Künstler, ohne den Namen der Eltern und ohne Kontakt zu ihnen. Doch dann erfährt Karl vom Selbstmord seines Vaters und vom Hirntumor seiner Mutter. Er fährt nachhause, wo die alten Dämonen über ihn herfallen und ein wunderliches Mädchen ihm eine Lichtspur zurück ins Leben legt. Das wunderbare, bitterböse, traurige, romantische Debüt einer Autorin, die man sich merken wird.

– Anne Reinecke: Leinsee. Diogenes-Verlag, Zürich 2018, 362 Seiten, ca. 36 Franken