5 aktuelle Bücher, die wir jetzt gerne lesen
- Text: Marah Rikli, Darja Keller
- Bilder: Unsplash, ZVG; Collage: annabelle
Neues Jahr, neue Lektüre: Hier kommen fünf aktuelle Büchertipps aus der Redaktion.
Keine Angst
«Mandel», der Kultroman von Won-pyung Sohn von 2017, ist nun endlich auf Deutsch erhältlich. Darin nimmt uns die südkoreanische Autorin mit in das Leben des jungen Yunjae, der aufgrund einer angeborenen Unterentwicklung der Amygdala Mühe hat, Gefahren zu erkennen oder Gefühle zu benennen; die Amygdala – auch Mandelkern genannt – steuert im Gehirn die Emotionen. Das Verhalten von Yunjae führt zu vielen Missverständnissen und absurden Situationen. Der Aussenseiter wächst behütet bei seiner Mutter und Oma auf – bis zu einem schockierenden Wendepunkt, der ihn dazu zwingt, selbst zurechtzukommen. Ein Roman, der noch lange nachwirkt.
Kammerspiel
«Schwindel», der zweite Roman von Hengameh Yaghoobifarah, ist ein Feuerwerk an Sex, Gefühlen und Abgründen. Ava steckt plötzlich mit ihren drei Liebhaber:innen, die bislang nichts voneinander wussten, auf einem Hochhausdach fest. Im Laufe der Geschichte lernen wir alle vier kennen, regen uns über sie auf und schliessen sie ins Herz – und stellen uns Fragen: Wie frei können wir lieben? Wie viel Verantwortung tragen wir gegenüber Situationships und Affären? Wie prägen uns unsere eigene Biographie und Generation? Eine wahnsinnig kluges, lustiges und selbstironisches queeres Kammerspiel.
Abschiede
«Draussen wurde es still, als hätte sich dichter Nebel übers Fjäll gelegt. Der Wind hielt die Luft an, die Bäche hörten auf zu singen, und das sanfte Knistern der Glut verstummte abrupt», schildert die Autorin die Stimmung im Norden Schwedens. Dort lebt die alte Mariddja zusammen mit ihrem dementen Mann Biera in einem verfallenen Haus. Als Mariddja erfährt, dass sie selbst ebenfalls krank ist und bald sterben wird, hält sie es geheim, auch vor ihrem Mann. Hilfe für seine und ihre Pflege nimmt sie keine an, sie möchte die Dinge selbstregeln. Vor ihrem Tod hat sie dennoch einen Wunsch: sich von ihrem Neffen verabschieden, von dem sie aber nicht weiss, wo er lebt. Eine Suche mit unvorhergesehener Hilfe beginnt. Dieser Familienroman über Liebe, Selbstbestimmung und das Alter ist so imposant wie die Natur Schwedens. «Als wir im Schnee Blumen pflückten» von Tina Harnesk ist die perfekte Winterlektüre.
Nichts ist sicher
Für ihre «intensive poetische Prosa, die sich mit historischen Traumata auseinandersetzt und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens offenlegt», erhielt die Koreanerin Han Kang diesen Herbst den Literaturnobelpreis. Ihre Romane gehen unter die Haut, so auch der neue: «Unmöglicher Abschied». Die Protagonistin Gyeongha reist nacheinem Unfall ihrer Freundin Inseon auf die Insel Jeju. Was sie nicht ahnt: Die Reise wird zum Überlebenskampf und deckt ein Familiengeheimnis auf, das in Verbindung steht mit einem lang verdrängten Kapitel der koreanischen Geschichte. Poetisch und kraftvoll schildert Han Kang, wie im Leben nichts sicher und selbstverständlich ist und sich dennoch unter widrigsten Umständen Liebe und Zuversicht einstellen können.
Solidarisch
Charlotte Inden schreibt seit 15 Jahren erfolgreich Kinder- und Jugendbücher, ihr erster Roman für Erwachsene, «Im Warten sind wir wundervoll», basiert auf wahren Begebenheiten: 1948 erschien ein Zeitungsartikel über eine der sogenannten «War Brides» – junge Frauen, die mit einem Soldaten verlobt waren und deshalb in die Vereinigten Staaten einreisen durften. Diese eine «Bride» aus dem Zeitungsartikel wurde aber nicht abgeholt: Hunderte Menschen schickten ihr daraufhin Briefe und versuchten zu helfen. Inden erzählt dieses Schicksal anhand einer Grossmutter und ihrer Enkelin fiktiv nach: humorvoll, romantisch und unterhaltsam.