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Movie Style: Annie Halls Look in «Der Stadtneurotiker»

Kultur

Movie Style: Annie Halls Look in «Der Stadtneurotiker»

  • Text: Claudia MüllerFoto: Metro Goldwyn Mayer

Woody Allens Film «Der Stadtneurotiker» entwickelte sich rasch zu einem Klassiker. Und nicht nur die Handlung selbst ist bekannt. Auch der dandyhafte Look der Hauptfigur Annie Hall blieb bis heute in Erinnerung.

Alvy Singers (Woody Allen): «I love what you’re wearing.»
Annie Hall (Diane Keaton): «This tie’s a present from Granny Hall.»

 

Die Krawatte, die in Woody Allens Filmklassiker «Der Stadtneurotiker» so prominent daherkommt, ist in Wirklichkeit natürlich nicht von Annie Halls Grossmutter. Also ja, ein Stück weit schon. Denn sowohl Filmfigur als auch Schauspielerin heissen so. Annie Hall wird ja von Diane Keaton gespielt. Und Keatons Kosename ist Annie. Die Krawatte die sie trägt, die ist allerdings von Designer Ralph Lauren. Keaton hat sie für die Rolle der Annie einfach aus ihrem eigenen Kleiderschrank hervorgekramt. Die Kostüm-Designerin Ruth Morley fand das eigentlich gar keine gute Idee. Doch Woody Allen winkte ab: «She’s a genius. Let’s just leave her alone, let her wear what she wants.» Und so kam Annie mit Hosen, Hemd und Krawatte daher und entzückte damit Film- und Modewelt. Eine Frau in Männerklamotten?

Schon ab den Zwanziger-Jahren wurden in Unterhaltungsfilmen mit Accessoires Geschlechterrollen- und bilder verschoben. Taschen, Schmuck oder Hüte wurden eingesetzt, um die Grenzen zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit verschwimmen zu lassen. Die Annäherung der beiden Geschlechter hatte mit dem Erscheinungsbild der Frauen, den Flappers zu tun, die mit Bubikopf und gerade geschnittenen, taillenlosen Hemdkleidern die Frauen aus dem Korsett befreiten. Was am Anfang als Spiel mit den Kleidern, als blosse Maskerade, begann, zog immer weitere Beispiele nach sich. Marlene Dietrich alias Amy Jolly mit Smoking und Zylinderhut im Film «Morocco» (1930). Greta Garbo als Königin Christine, Katharine Hepburn als Mary Tyrone in «Long Day’s Journey Into Night»(1961) von Sidney Lumet. Im Jahre 1977 folgte schliesslich Annie. Was war bei ihr anders? Die Hauptfigur im Film, Alvy Singer (Woody Allen), würde die Frage wohl mit der Penisneid-Theorie von Freud beantworten. Die Männerklamotten also Ausdruck ihrer unbändigen Lust das Glied zu besitzen. Das würde wiederum erklären, warum beim ersten Aufeinandertreffen mit Alvy Singer Annies maskuliner Look mit Hut und Krawatte komplettiert ist. Doch wie in den Woody-Allen-Filmen selbst ist am Ende alles nicht so kompliziert, wie es anfänglich scheint. Annie trug ja sonst schon im Film dauernd Hemd, Hose und Gilet. T-Shirt nur bei schmerzlicher Trennung. Die Krawatte? Wahrscheinlich war dies wirklich nur ein instinktiver Griff in den Kleiderschrank.

Der maskuline Look von Annie hat bis heute überlebt. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, dass Frau auch in Männerkleidung verführen kann. Was versteckt und verhüllt ist, entfacht Fantasien. Danke Annie, dass du deine Krawatte aus dem Kleiderschrank gekramt hast.

 

Der Stadtneurotiker, Woody Allen, 1977, USA, 93 Minuten. Kostüm-Designerin: Ruth Morley
Hier sehen Sie den Trailer zu «Der Stadtneurotiker».