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Lena Dunhams neue Netflix-Serie

Lena Dunhams neue Netflix-Serie "Too Much" ist alles, nur nicht zu viel

Ist sie wieder zu laut, zu viel, zu ehrlich? Egal – Lena Dunham ist zurück. Und ihre neue Serie «Too Much» zeigt, warum genau das gerade jetzt so wichtig ist. Zu viel ist nicht genug!

Wann ist eine Frau zu viel? Und was soll das überhaupt heissen, «zu viel»? In ihrer neuen Serie, der ersten seit dem bahnbrechenden Erfolg «Girls», geht Millennial-Mastermind Lena Dunham genau dieser Frage nach. Die beschäftigt sie durchaus persönlich, wurde Dunham doch in der Vergangenheit selbst oft als zu laut, zu nackt, zu feministisch, zu dick, zu vulgär, zu ich-bezogen – zu menschlich – kritisiert.

Zwischen New York und London angesiedelt, folgt «Too Much» der Geschichte von Jessica (absolut umwerfend: Meg Stalter, bekannt aus «Hacks»), einer – sagen wir mal – gefühlsbetonten New Yorkerin, die sich mit gebrochenem Herzen in die britische Hauptstadt absetzt und eventuell hofft, dort ihren Mark Darcy zu treffen. Stattdessen trifft sie auf Felix (Will Sharpe, bekannt aus «The White Lotus»), einen – sagen wir mal – komplexen britischen Indie-Musiker, der so clevere Lyrics schreibt wie: «She likes her eggs runny, she thinks crossing her legs is funny.»

Die Charaktere seien lose inspiriert von Lena Dunham selbst und ihrem Ehemann, dem Musiker Luis Felber, mit dem sie die Serie gemeinsam geschrieben hat, sagt Lena Dunham. An wen der toxische Ex, der immer wieder in Flashbacks auftaucht, angelehnt ist, sagt sie hingegen nicht; es könnte sich um den Taylor-Swift-Produzenten Jack Antonoff handeln, mit dem sie fast sechs Jahre zusammen war, aber wer weiss das schon.

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In einer Schlüsselszene sagt Felix jedenfalls zu Hauptfigur Jessica: «Du bist zu viel» und die Antwort klingt wie einstudierter, Beyoncé-untermalter T-Shirt-Feminismus: «Vielleicht bin ich nicht zu viel, sondern du bist einfach zu wenig!» Aber Felix lacht nur gerührt und erläutert, dass «zu viel» für ihn etwas Gutes sei, nicht weniger als ein Kompliment. «Genau richtig viel und sogar noch etwas mehr.» Sie knutschen. Sie knutschen sehr oft.

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"Lena Dunham erobert sich die Kontrolle über ihr eigenes Narrativ zurück"

Und man kommt nicht umhin sich zu fragen, ob wir dieses Anliegen nicht sowieso schon längst überwunden hatten? Die Debatte darum, ob und wann eine Frau Raum einnehmen, ihre Neurosen und ihre Verletzlichkeit nicht nur nicht verstecken muss, sondern umarmen darf, wirkt leicht veraltet. Aber Dunham führt sie auch nicht mehr so recht, sondern erobert sich mit «Too Much» lediglich die Kontrolle über ihr eigenes Narrativ zurück.

Platte Selbstliebe-Parolen wie «Warum schreit man ‹Hexe!›, sobald eine leidenschaftliche Frau das Feuer berührt?» oder «Du bist nicht durcheinander, du bist ein Kunstwerk im Entstehen», die wie eine Dove-Werbung von 2005 klingen, entlarven die hohle Rhetorik der Selbstermächtigung. Diese Serie ist tatsächlich viel: lustig, traurig, berührend und entwaffnend in ihrer Verletzlichkeit.

Natürlich lässt sich «Too Much» nicht ohne den Schatten von «Girls» betrachten. Damals spaltete Lena Dunham das Publikum mit ihrer gnadenlos narzisstischen Hauptfigur Hannah Horvath, ihrer kompromisslosen Körperlichkeit und ihrer manchmal schwer auszuhaltenden Authentizität. «Girls» war zynisch und mutig, aber oft auch überfordert von sich selbst.

"Jessica ist radikal weich und das ist vielleicht revolutionär"

In «Too Much» wendet sich Dunham nun einer zarteren, erwachseneren Form von Intimität zu und der Frage, wie man liebt, ohne sich selbst zu verlieren. Jessica ist radikal weich und das ist vielleicht revolutionär in einer Zeit, in der Emotionalität zwar performt, aber selten wirklich zugelassen wird.

Es ist eine Serie über Verbindung und Verlust, über die Fremdheit zweier Städte, zweier Menschen, zweier Versionen von sich selbst. Dunham zeigt: Man kann sich ändern, ohne sich zu verraten, und wenn man sich gefunden hat – wenn auch nur für einen Moment – , stellt sich die Frage, ob man eventuell zu viel sein könnte, gar nicht mehr.

Ein Cast zum Niederknien

Die Serie strotzt vor Popkulturreferenzen, nimmt Grossstadt-Hipster genauso wie die britische Upperclass aufs Korn, erinnert manchmal an eine coolere Version von «Emily in Paris» und überzeugt nicht nur mit einem Cast zum Niederknien und Celebrity-Cameos (Jessica Alba, Emily Ratajkowski, Naomi Watts, Richard E. Grant, Adwoa Aboah!) sondern nicht zuletzt auch mit einem fantastischen Soundtrack.

«Ich wollte keine Diskussionen mehr um mich und meinen Körper führen,» sagte Lena Dunham in einem Interview mit Entertainment Weekly über den Grund, warum sie selbst nur in einer Nebenrolle auftaucht. Als Schauspielerin nimmt sie sich in «Too Much» zurück und erzählt gerade deshalb vielleicht mehr über sich selbst als je zuvor. Als Autorin und Regisseurin, als scharfsinnige Übersetzerin des Zeitgeists zeigt sie: Zu viel? Kann es gar nicht geben. Jedenfalls nicht von Lena Dunham.

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