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Im freien Fall

Kultur

Im freien Fall

Alles geht den Bach runter, dass es eine schiere Freude ist. Das Haus versinkt im Dreck, und der Garten hat sich in einen Urwald verwandelt. «Das Gras steht meterhoch auf seinem eigenen, verwesenden Humus, die Büsche haben sich ausgebreitet, bilden Höhlungen, sind Unterschlupf für unsichtbare Lebewesen, merkwürdige Pflanzen haben es sich bequem gemacht und auch viel mehr Tiere als früher. Vor kurzem hat er eine Schlange gesehen.» Der Sohn ist über seinen drei geleerten Flaschen Rioja eingeschlafen, eine Maus läuft über dicken Teppichflor und schleift noch das Staniolpapier der angeknabberten Schokolade hinter sich her. Die Mutter ist inzwischen ausgezogen aus dem vormals recht gutbürgerlichen Heim mit grossem Garten, finanziert vom Anwaltsgatten. Der ist seinen Job jetzt los, er lebt mit einer Kneipensexbekanntschaft, ihrer dementen Mutter und seinen Kindern im fröhlichen Verfall. Schrecklich? Nicht unbedingt. Jetzt, wo alles und alle komplett runtergekommen sind, zieht endlich so etwas wie Gemütlichkeit ins Vorortsleben ein. Ein feiner, wild wuchernder und versöhnlicher Liebesroman.

Katrin Seddig: Runterkommen. Rowohlt-Verlag, Reinbek 2010, 384 Seiten, ca. 34.90 Franken