Heute startet die Netflix-Serie «Halston» über den legendären Designer, der die amerikanische Mode in den Siebzigern revolutionierte. Ein Gespräch mit der Kostümdesignerin Jeriana San Juan über Halston, sein Erbe und Ewan McGregors Fingerfertigkeit.
annabelle: Viel zu selten kommt Kostümdesignerinnen die Aufmerksamkeit zu, die sie eigentlich verdienen. In einem Film über einen Modedesigner aber rückt die Kleidung unweigerlich ins Zentrum der Story. War das für Sie Fluch oder Segen?
Jeriana San Juan: Für mich ist es aufregend, endlich mit Leuten über meine Arbeit zu sprechen, die etwas von Mode verstehen oder sich zumindest für sie interessieren. In dieser Serie sind die Kostüme zentral, ja die Kleider sind Protagonisten. Es ging aber nicht allein um die Entwürfe von Halston. Wir mussten eine modische Landschaft gestalten, mit ihren typischen Textilien, Oberflächen und Designs. Jene ästhetische Welt, in der seine Mode überhaupt erst entstehen konnte. Erst in diesem Kontext wird deutlich, wie revolutionär und zukunftsweisend sie war.
Was macht die Mode von Halston aus?
Halston fand immer Wege, um das Material zu manipulieren. Am Anfang seiner Karriere arbeitete er als Hutmacher bei Bergdorf Goodman – diese Arbeit prägte ihn auch als Designer. Er hat die Seide schräg zum Fadenverlauf gedreht, so dass sie viel natürlicher fällt. Das gab seinen Kleidern eine Leichtigkeit. Sie fühlten sich nie erzwungen an, obwohl er Textilien in eine Form zwängte. Er vereinte harte Struktur und Architektur mit einfacher, lose fallender Eleganz. Seine Kleider sind gemacht, um darin zu tanzen. Darum trug auch Liza Minnelli nur Halston. Und darum passte sie in die Disco-Ära. Getragen wurde sie ohne Unterwäsche. In ihnen wollten sich Frauen frei fühlen, sich bewegen.
Sie haben bereits die Kostüme für Baz Luhrmann’s Netflix-Serie «The Get Down» verantwortet und die Kostüme für die HBO-Miniserie «The Plot against America» gestaltet. Wie hat sich Ihre Arbeit an «Halston» davon unterschieden?
Ich musste einen Einblick in den kreativen Prozess gewinnen, Halstons Denken verstehen. Ich wollte wissen, was er getragen hat, was seine Freunde wie Elsa Peretti, Liza Minnelli oder sein Liebhaber Victor Hugo getragen haben. Ich musste in Erfahrung bringen, an was Halston künstlerisch glaubte, was ihn inspirierte, welche Musik er mochte. Ich kopierte nämlich nicht nur seine Designs, sondern nutzte seine Inspirationen und seine Stimme, entwarf in seinem Sinne. Denn wir brauchten Looks, die zur Farbpalette des Films, zu den Schauspielerinnen und zur Story passten. Hätte ich einfach seine Entwürfe kopiert, würde das im Film aussehen wie eine Museumskollektion. Ich kopierte also ein Stück und ging von da aus weiter, entwarf eine passende Kollektion mit seinen Silhouetten, seinen Schnitten und Materialien.
Sie haben also nicht mit Originalen gearbeitet?
Ich habe Originale als Referenz benutzt für meine Entwürfe. Viele der Originale aus dem Halston-Archiv oder aus privaten Sammlungen konnten von den Schauspielerinnen nicht getragen werden, weil oft die Grösse nicht gepasst hätte. Und weil ihr Zustand es nicht zugelassen hätte. Bei einem Dreh werden die Kleider stark beansprucht, viele der fragilen Stücke hätten dem nicht standhalten können.
Sie standen also eigentlich vor derselben Herausforderung wie Ewan McGregor. Sie beide mussten zu Halston werden.
Genau! Bei unserem ersten Treffen für ein Fitting haben wir zwei Stunden lang überhaupt keine Kleider anprobiert, sondern nur geredet. Ewan hatte schon viel recherchiert, sich Halstons Gestik angeeignet, die Art wie er rauchte und wie er redete. Mein Teil der Recherche war es, sein kreatives Denken zu verstehen, zu wissen, was er trug und warum. Ewan und ich hatten uns viel zu erzählen. Wir haben über seine zwei Seiten gesprochen, seine Kreativität und die Art, wie er sich der Welt präsentierte.
Ewan McGregor spielte einen Mann, der sein Leben lang Mode entworfen hat. Was konnten Sie als Designerin ihm beibringen?
Ewan spielte Halston in einer Show, die Halston heisst. Also war er in jeder einzelnen Szene. Aber wenn immer sich die Gelegenheit bot, kam er in mein Atelier und erarbeitete mit mir die Choreografie eines Modedesigners. Wie man Stecknadeln setzt, die Schere hält, wie man Stoff zerreisst. Wie Tänzer haben auch Modedesigner ihre ganz eigenen Bewegungsabläufe, ihre spezifische Muskulatur. Ich führte ich ihn durch den Prozess. Ewan war ein wundervoller Lehrling. Er verwandelte sich wirklich in Halston, es war pure Magie.
Ewan McGregor entwirft jetzt also seine eigene Kleidung?
Er hat mich tatsächlich gebeten, ihm eine Nähmaschine nachhause zu schicken. Er hat nähen gelernt und mir Bilder von seinen Werken gesandt. Die sind beachtlich, schliesslich hat der Mann Stil.
Als Roy Halston Frowick Ende der Achtzigerjahre vom neuen Management aus seiner Firma gedrängt wurde und das Recht auf seinen eigenen Namen verlor, wurden auch sämtliche Samples für ein paar Dollar verscherbelt und Archivmaterial zerstört. Wie schwer war es, Originale zu finden?
Einige Originale waren tatsächlich schwer zu finden. Sie waren aber wichtig für mich, sie lehrten mich viel über die Arbeitstechnik von Halston. Meine Arbeit war wie die eines Detektivs: ich habe Leute ausfindig gemacht, die mit Halston gearbeitet haben oder jemanden kannten, der seine Stücke getragen hat. Chris Royer, sie modelte für Halston, machte mir ihre Sammlung zugänglich. Und Gino Balsamo, damals persönlicher Schneider von Halston, erzählte mir alles über die Kleidung, die der Designer trug. Wo wollte er seine Taschen haben? Wie waren die Ärmel geschnitten? Welche Teile waren ersetzbar, weil er immer dort Zigarettenlöcher eingebrannt hatte? Und Tiffany war wichtig, sie haben mir Elsa Perettis Schmuck geliehen. Die ikonischen Stücke von Halstons Weggefährtin konnte ich nicht fälschen, sie sind zu spezifisch, zu perfekt. Ich wusste ja, dass diese Serie von einem modekundigen Publikum gesehen wird. Es hätte den Unterschied erkannt.
Wie gross ist Ihre Angst, dass dieses Publikum die von Ihnen entworfenen Halston-Designs sofort entlarvt?
Natürlich gibt es diese Angst. Sie gehört zu einem solchen Projekt dazu, aber genauso ist Mut notwendig, um es trotzdem zu tun. Ähnlich ergeht es einem Schauspieler, der eine ikonische Figur spielt. Er muss ein gewisses Mass an Angst mitbringen, weil man ja verglichen wird mit der Person, die man spielt. Der Schauspieler ist aber niemals diese Person, er ist ein Ausdruck dieser Person. Das ist nicht dasselbe. So ist es auch mit den Kostümen. Ich wollte so authentisch wie möglich sein, Halstons Kreativität einfangen, so dass die Zuschauer seine Designsprache fühlen können und sie auch mal bewusst wahrnehmen, aber ihrer Imagination auch erlauben, den Rest einfach zu glauben.
Was ist das wichtigste Erbe von Halston als Designer?
Sein Vermächtnis ist Kleidung, die bequem ist und Frauen selbstbewusst macht. Eine magische Kombination. Seine Entwürfe fühlen sich elegant an, erhaben und luxuriös, sie verleihen den Frauen Stärke, ohne sie zu überwältigen. Halstons Kleider sind wahre Kunstwerke, aber sie geben eine Einfachheit vor, die es erlaubt, dass man die Frau darin sieht. Wichtig war aber auch sein demokratischer Ansatz. Er hatte Models in verschiedenen Körpergrössen, wie Pat Ast – und Elizabeth Taylor war seine Muse. Er war einer der ersten Modedesigner, der seine Kollektionen an afroamerikanischen Models zeigten. Pat Cleveland, Billie Blair, Iman. Für mich war Halston als junge Modestudentin genau aus diesem Grund wichtig. Ich komme aus einer kubanischen Familie, im Studium am Fashion Institute of Technology in New York gab es nur wenig andere Frauen, die aussahen wie ich.
Die nächste Met-Gala findet im September statt zur Eröffnung der Ausstellung «In America: a Lexicon of Fashion». Welche Rolle wird Halston spielen?
Halston ist eine so wichtige Figur der amerikanischen Mode, er wird in der Ausstellung prominent vertreten sein. Er hat die Mode Amerikas in den Siebzigerjahren grundlegend verändert und dafür gesorgt, dass Europa amerikanische Mode überhaupt erst ernst nimmt. Ich habe meine Einladung zur Gala noch nicht bekommen. Ich war in der Vergangenheit eingeladen und will definitiv dabei sein. Und ich weiss auch schon genau, welches Halston-Kleid ich tragen werde. Mehr verrate ich nicht.
Was ist das wichtigste Erbe von Halston als Designer?
Sein Vermächtnis ist Kleidung, die bequem ist und Frauen selbstbewusst macht. Eine magische Kombination. Seine Entwürfe fühlen sich elegant an, erhaben und luxuriös, sie verleihen den Frauen Stärke, ohne sie zu überwältigen. Halstons Kleider sind wahre Kunstwerke, aber sie geben eine Einfachheit vor, die es erlaubt, dass man die Frau darin sieht. Wichtig war aber auch sein demokratischer Ansatz. Er hatte Models in verschiedenen Körpergrössen, wie Pat Ast, und Elizabeth Taylor war seine Muse. Er war auch einer der ersten Modedesigner, der seine Kollektionen an afroamerikanischen Models zeigten. Pat Cleveland, Billie Blair, Iman. Für mich war Halston als junge Modestudentin genau aus diesem Grund wichtig. Ich komme aus einer kubanischen Familie, im Studium am Fashion Institute of Technology in New York gab es nur wenig andere Frauen, die aussahen wie ich.
Die nächste Met-Gala findet im September statt zur Eröffnung der Ausstellung «In America: a Lexicon of Fashion». Welche Rolle wird Halston spielen?
Halston ist eine so wichtige Figur der amerikanischen Mode, er wird in der Ausstellung prominent vertreten sein. Er hat die Mode Amerikas in den Siebzigerjahren grundlegend verändert und dafür gesorgt, dass Europa amerikanische Mode überhaupt erst ernst nimmt. Ich habe meine Einladung zur Gala noch nicht bekommen. Ich war in der Vergangenheit eingeladen und will definitiv dabei sein. Und ich weiss auch schon genau, welches Halston-Kleid ich tragen werde. Mehr verrate ich nicht.