«Exclusiv»-Moderatorin Frauke Ludowig: «Keith Richards steckte mir, bevor ich eine Frage stellen konnte, die Zunge in den Hals»
- Text: Jacqueline Krause-Blouin
- Bild: RTL
Wie kann man in politisch korrekten Zeiten noch People-Journalismus betreiben? Die Boulevard-Queen Frauke Ludowig muss es wissen.
Von royalen Skandalen bis zu den Eskapaden der Rockstars: Niemand prägte die Berichterstattung über Berühmtheiten im deutschsprachigen Raum so sehr wie Frauke Ludowig. Seit dreissig Jahren moderiert sie das legendäre People-Magazin «Exclusiv» auf dem Privatsender RTL und hat so einige Phasen des Boulevardjournalismus durchlebt.
Mit ihren knapp 400 000 Follower:innen auf Instagram und vielen treuen TV-Fans ist die Journalistin mittlerweile selbst ein Star. Und vielleicht ist genau das ihr Geheimnis im Umgang mit ebenjenen. Zum Gespräch erscheint die Sechzigjährige – anders als in ihrer glamourösen Sendung – ungeschminkt. Erst noch fröhlich und flapsig, zeigt die Oprah Winfrey Europas im Verlauf des Gesprächs auch ihre nachdenkliche Seite.
annabelle: Frauke Ludowig, am 2. Mai 1994 haben Sie «Exclusiv – Das Starmagazin», das wohl legendärste People-Magazin im deutschsprachigen Raum, zum allerersten Mal moderiert. Hätten Sie gedacht, dass Sie dreissig Jahre später noch immer im Glitzeroutfit vor der Kamera stehen?
Frauke Ludowig: Ich war damals dreissig und wusste: Mit vierzig scheiden die meisten Frauen im Fernsehen aus. Aber ich habe dieses ungeschriebene Gesetz ignoriert – und heute bin ich mit sechzig immer noch da.
Vielleicht auch, weil Sie sich unersetzlich gemacht haben? Sie sind ja nicht nur Moderatorin, sondern VIP-Kreativdirektorin von RTL und verantworten diverse Formate.
Ich persönlich habe seitens Arbeitgeber nie Druck empfunden. Ich habe während meiner Karriere beim Sender zwei Babys bekommen, habe tagsüber zwischendurch die Kinder gestillt und abends die Sendung moderiert. Wenn mal eins krank war, wurden keine Fragen gestellt – das war für die Zeit schon fortschrittlich. Mir war es selbst auch immer wichtig, Frauen zu fördern, ich habe Frauen in Teilzeit Führungspositionen übernehmen lassen, obwohl einige männliche Chefs gesagt haben, das gehe auf gar keinen Fall. Ging aber.
«Das Leben der Promis wird eine Art Daily Soap, die wir verfolgen, die vielleicht auch ein bisschen süchtig macht»
Warum, glauben Sie, sind wir so am Leben von Prominenten interessiert?
Es ist sicher eine Mischung aus Identifikation und Neid. Und natürlich gibt es ein voyeuristisches Element. Es hat etwas von: «Mal schauen, was die Nachbar:innen auf der anderen Seite vom Gartenzaun so machen.» Wir haben bei Celebrities teilweise das Gefühl, sie ewig zu kennen. Schon vor dreissig Jahren tauchte Boris Becker in unserer Sendung auf, und wir berichten bis heute über ihn. Das Leben der Promis wird eine Art Daily Soap, die wir verfolgen, die vielleicht auch ein bisschen süchtig macht.
Geht es auch darum, sich zu vergleichen, um sich dann mit dem eigenen Leben besser zu fühlen?
Auf jeden Fall. Um bei Boris Becker zu bleiben: Der hat zuerst sehr viele Chancen in seinem Leben gepackt, ist dann tief gefallen, hat sein ganzes Geld verbraten. Da denkt man vielleicht schon: Der ist zwar berühmt, aber mir geht es besser als dem.
Die Stars moderieren mittlerweile auf Social Media quasi ihr eigenes People-Magazin – sie verbreiten ihre News wie Heirat, Trennung oder Nachwuchs selbst. Wofür brauchen sie Medien wie Fernsehen oder Printmagazine heute noch?
Ja, früher haben wir die News verkündet, heute machen die Stars das selbst – das hat uns eine neue Rolle verschafft: Wir kuratieren, sondieren das Chaos auf Social Media und entscheiden dann, an welcher Meldung wir weiterrecherchieren, wo wir tiefer gehen. Die Zuschauer:innen haben ein gutes Gespür dafür, was eine komplette PR-Nummer und was journalistisch ist. Alles, was zu schönfärberisch, zu gefiltert wirkt, ist langweilig.
Wenn Sie zurückblicken auf die letzten dreissig Jahre, welches war Ihr schlimmstes Interview?
Joan Collins! Die hat die Rolle des Biests in der Serie «Denver Clan» definitiv zu ernst genommen. Ihr war gar nichts recht: Der Raum zu hell, die Heizung zu warm eingestellt, der Stuhl zu hart, der Kameramann der falsche, und sie hat mich im Gespräch wirklich zur Schnecke gemacht. Als ich sie dann bei der Krönung von King Charles noch einmal traf, war sie wie ausgewechselt. Zuvor war sie zur Dame geschlagen worden und ich fragte sie, wie ich sie denn nun korrekt ansprechen solle. Sie erwiderte nur zuckersüss: «Sie können mich Joan nennen, wir sind doch alte Freundinnen.»
Gibt es solche Diven heute noch?
Absolut. Da steckt auch viel Kalkül dahinter, weil dieses Getue unterhaltsam ist. Kim Kardashian weiss natürlich auch, dass es zum Starappeal beiträgt, sich etwas exaltiert zu verhalten. Als ich einmal mit Mariah Carey auf der Bühne der Echo Preisverleihung stand, sollte sie zwei Stufen hochgehen und sagte eiskalt: «I don’t do steps.» Und dann wurde sie tatsächlich von zwei Bodyguards die zwei Stufen hochgetragen.
Erzählen Sie uns von Ihrem legendären Interview mit Keith Richards und Mick Jagger …
Keith Richards kam mir mit einem Glas Campari in der Hand entgegen, nannte mich nur «Baby» und «you little chick» und steckte mir als Erstes, noch bevor ich eine Frage stellen konnte, die Zunge in den Hals. Heute würde man das ganz anders sehen, ich habe mich in dem Moment nicht sexuell belästigt gefühlt. Aber es war eine Herausforderung, nach so einem Moment ein halbwegs vernünftiges Interview zu führen. Es war zudem auch noch eines meiner ersten. Dieses Gefühl seiner klebrigen Zunge spüre ich jedenfalls noch heute! Danach kam Mick Jagger, und der war das Gegenteil von Keith – der hat mich nur auflaufen lassen und war komplett arrogant. So haben sich Rockstars damals eben gesehen, die wollten auch einem Bild entsprechen – vielleicht das männliche Äquivalent zur Diva.
Würde das heute noch so passieren?
Nein, mit Sicherheit nicht. Es hat sich viel getan, und das ist auch richtig.
Es haben also inzwischen auch die letzten Rockstars verstanden, dass sie sich Frauen gegenüber nicht mehr alles leisten können?
So etwas kommt nicht mehr vor, zumindest bei den jüngeren Generationen. Keith Richards wäre es aber womöglich nach wie vor scheissegal.
Was heute hoffentlich auch nicht mehr so passieren würde, ist die Art der Berichterstattung wie bei Prinzessin Diana. Das war sicher einer der Tiefpunkte im People-Journalismus.
Wir haben die Bilder der verstorbenen Diana auch angeboten bekommen, uns aber dagegen entschieden, sie zu senden. Als die Todesnachricht kam, haben wir sofort eine Sondersendung auf die Beine gestellt, dann flog ich nach London, wo natürlich Chaos herrschte. In solchen Momenten muss man schnell sein und eine Geschichte, die grosse Teile der Welt beschäftigt, auf besondere Weise erzählen.
«Kate Middleton ist eine Person des öffentlichen Lebens, natürlich berichten wir. Weil es die Leute nun mal interessiert»
Wie beurteilen Sie die heutigen Berichte über Kate Middletons Krebsdiagnose? Hat sich da im Vergleich zu Diana etwas getan?
Die britische Boulevard-Presse ist nach wie vor sehr brutal mit den Royals. Auch wir werden immer wieder gefragt, warum wir über Kate Middleton berichten, wenn sie doch ihre Ruhe haben will. Nun, sie ist eine Person des öffentlichen Lebens, natürlich berichten wir. Weil es die Leute nun mal interessiert. Aber was die Paparazzi angeht, hat sich etwas getan, wenn man Diana und Kate vergleicht: Es geht heute respektvoller zu, Diana wurde ja geradezu unter den Rock gefilmt, das würde man heute nicht mehr wagen.
Die Royals verklagen hin und wieder britische Boulevard-Medien, benutzen sie aber auch als Plattform für Meldungen, die sie verbreiten möchten. Wie beurteilen Sie das?
Was da für Transaktionen laufen, kann ich nicht genau sagen. Für uns ist so ein Fall dann Gegenstand der Berichterstattung. Zu Kate Middletons Erkrankung haben wir eine Sondersendung gemacht – die war die meistgesehene Sendung des Tages auf RTL, was für uns natürlich toll war. Und Kate Middleton hat ja ihre Ruhe, ob wir jetzt für den deutschsprachigen Raum darüber berichten oder nicht.
Gibt es, was Ihre Berichterstattung angeht, Dinge, die Sie heute anders machen würden? Die Sie vielleicht sogar bereuen?
Das kann ich so pauschal nicht sagen. Es gab natürlich Zeiten, in denen auch wir etwas härter im Ton waren. Heute fordert die Gesellschaft eine andere Tonalität.
Aber diese Storys benötigen doch Pointiertheit. Man kann sie gar nicht vorsichtig erzählen.
Vorsichtig muss man nicht und pointiert darf man sein, aber was nicht mehr geht, ist, dass man von oben herab berichtet, im Stil: Der sieht hässlich aus, die spricht schlecht Englisch, der wirkt krank – manchmal ging in der Vergangenheit wohl auch vergessen, dass es sich um Menschen handelt.
«Man hat sich damals über Stars erhoben, es war irgendwie interessant, wenn es diesen privilegierten Menschen schlecht ging»
Der People-Journalismus soll heute also rücksichtsvoller sein?
Die Form des Verrisses einer Person wird heute kritischer gesehen. Früher hat man von «draufhauen» gesprochen. Den Ausdruck fand ich schon immer furchtbar. Ich gehe ja nicht auf die Strasse und «haue» Menschen, die ich nicht mag. Und ich finde, man darf das auch verbal nicht tun. Mit unserer Reichweite sind wir in der Pflicht, ein Vorbild zu sein und uns einer respektvollen Sprache zu bedienen. Die Boulevardpresse war früher respektloser. Ich betrachte heute einiges, was wir damals gesendet haben, anders.
Eine torkelnde Amy Winehouse würde man nicht mehr zeigen?
Nun, ich glaube, die Häme ist weniger geworden. Man hat sich damals über Stars erhoben, es war irgendwie interessant, wenn es diesen privilegierten Menschen schlecht ging.
Ist an die Stelle der Schadenfreude eher Sorge getreten? Ist die Berichterstattung empathischer geworden, wenn wir zum Beispiel Britney Spears nehmen?
Ich glaube schon, dass man für Britney Spears heute eher Mitleid als Häme empfindet. Man kennt nun die Geschichte hinter der Person, weiss, was sie alles mitmachen musste. Mit ihren Eltern, die sie früh auf die Bühne gedrängt, mit all den Menschen, die sie ausgenutzt haben. Nicht umsonst gab es die «#Free Britney»-Bewegung. Es ist eine ganz andere Tonart in der Berichterstattung als damals, wo sie sich vor den Augen der Weltpresse den Kopf rasierte. Man darf heute nicht mehr so rücksichtslos verurteilen.
Dafür haben wir ja heute Social Media, wo das mit dem Verurteilen munter weitergeht.
Es ist schon seltsam, da wird immer gesagt, wir müssten achtsam und rücksichtsvoll sein – und auf Social Media gibt es so viel Aggression gegenüber anderen, das ist schockierend. Leider muss ich das mal festhalten: vor allem von Frauen gegenüber anderen Frauen. In der Hinsicht können wir noch jede Menge lernen. Es waren übrigens auch immer die Frauen, die mich kritisiert haben; etwa dass ich mit zwei kleinen Kindern wieder Vollzeit arbeitete.
Über Frauen und ihre Körper wurde früher ganz anders berichtet, wenn ich da an Rubriken in den Illustrierten denke – «Vorher/Nachher» oder «Wer trug es besser», wenn zwei Frauen im gleichen Kleid auftraten …
Da hat sich einiges getan – zum Glück! Ich habe das bei meiner eigenen Hochzeit erlebt: Ich habe am gleichen Tag geheiratet wie Moderatorin Sonja Zietlow. In der Presse wurden wir zwei Bräute dann verglichen und bei mir hiess es: Die Frauke sieht aus wie ein Elefant. Ich war im achten Monat schwanger. Das wäre heute nicht mehr denkbar.
Der People-Journalismus wird gegenüber News- oder Wirtschaftsjournalismus belächelt. Warum?
Weil er das Image des Seichten hat. Dabei ist unsere Arbeit teilweise anspruchsvoller als blosser Newsjournalismus. Wenn du über einen Krieg berichtest, dann kannst du dich an eindeutige Ereignisse, Zahlen und Fakten halten. Wir hingegen müssen immer schauen, wo ist die Story? Und dazu muss alles unterhaltsam sein.
2021, während der Coronapandemie, haben Sie zusammen mit einem Kollegen die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel interviewt. Wie kam es dazu?
Ihr sind verschiedene Journalistinnen vorgeschlagen worden und sie hat sich für mich entschieden, was mich selbst erst erstaunt hat. Merkel ist eine grossartige Frau und ich habe mit ihr eine gute Ebene gefunden. Ich habe sie unter anderem danach gefragt, wer ihre Haare macht, während die Friseursalons geschlossen hatten. Und natürlich hiess es danach: Ja, die Frauke fragt wieder nur nach den Haaren! Tatsächlich aber hat diese Frage alle interessiert, weil nämlich niemand in einen Salon durfte. Und jetzt raten Sie mal, welche Antwort aus diesem langen Interview in der Tagespresse am meisten zitiert wurde.
Braucht man eigentlich die goldene Erzählregel des Aufstiegs, Falls und des Comebacks für eine gute Boulevard-Geschichte?
Man braucht sie nicht, aber oft bedient man sich dieses Narratives, weil es natürlich auch wunderbar funktioniert.
Wir sprechen heute über Empowerment und Bodypositivity, aber der Jugend- und Schönheitswahn ist kein bisschen weniger geworden. Sonst gäbe es doch keine so grosse Nachfrage nach Abnehm-Medikamenten wie Ozempic, oder?
Auf den Laufstegen und auf den roten Teppichen tragen immer noch die meisten Size Zero. Das passt alles hinten und vorne nicht zusammen. Am Ende ist eben vieles gleich geblieben und ich finde das teilweise schon sehr verlogen. Es heisst immer, alle sollen tun und lassen, was sie wollen. Aber wenn man wirklich tut, was man will, kriegt man Hasskommentare. Was glauben Sie, ist passiert, als ich neulich in einer Show ein Minikleid trug. Mit sechzig! Ich bin von Frauen angegriffen worden.
Eine Gossip-Frage zum Schluss: Diese Chemie zwischen Ihnen und Arnold Schwarzenegger bei Ihren diversen Zusammentreffen, die war schon beachtlich. Im Ernst, der war doch verschossen in Sie!
Also das weiss ich jetzt nicht. (lacht) Wir mögen uns sehr, nach wie vor, wir haben uns immer gut verstanden und aus einem einstündigen Interview mit ihm wurde einmal eine viertägige Reportage, die dann später auch in New York mit einem wichtigen Preis ausgezeichnet wurde. Aber der hatte ja damals noch seine Maria …
Die er dann aber verlassen hat …
(lacht) Ja, ganz genau.
Danke für das sehr interessante Interview mit einer Frau, die ich (gefühlt) doch deutlich unterschätzt habe und die signifikant mehr “in der Birne hat” als ich annahm.