Popkultur
Es ist August! Was wir diesen Monat nicht verpassen dürfen
- Text: Linda Leitner
- Bilder: Instagram @tokiohotel, @fondationbeyeler, zvg; Collage: annabelle
Monat für Monat gibt unser Team Kultur- und Veranstaltungstipps. Dieses Mal mit Lifestyle Editor Linda Leitner.
Kunst
Der August ist der Monat der letzten Chancen. Netflix löscht wieder mächtig Content aus dem Programm (unter anderem «Parfum», eine Serienadaption von Patrick Süskinds Roman «Das Parfum»), ausserdem verkürzen sich die Tage Ende des Monats um rund drei Minuten pro Tag. Es geht also um bittersüssen Genuss. Und weil das morbide klingt, tauchen wir ab ins Reich der Gespenster: Noch bis 11. August zeigt die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel die Ausstellung «Ghost Dreams».
Zum ersten Mal in der mehr als 25-jährigen Geschichte der Fondation Beyeler werden das gesamte Museum und der umliegende Park zum Schauplatz einer experimentellen Präsentation zeitgenössischer Kunst. Und da dampfts, da rauchts, das Ganze ist ein sich lohnender lebender Organismus, der sich verändert und wandelt. Zu sehen sind Exponate von Peter Fischli, Michael Armitage, Anne Boyer oder Federico Campagna.
Bleiben wir kurz bei Dingen, die nicht zu fassen zu sein scheinen. Im Lausanner MCBA, dem Musée cantonal des Beaux-Arts, widmet man sich noch bis 25. August dem Surrealismus. Der nämlich feiert 100-jährigen Geburtstag – Happy Birthday. Vor einem Jahrhundert erschien das erste Manifest dieser Kunstströmung, ein programmatischer Text, der eine der bedeutendsten künstlerischen Revolutionen des 20. Jahrhunderts auslöste. In «Surrealismus. Le Grand Jeu» sind mehr als 60 Kunstschaffende der Vergangenheit und Gegenwart, die sich diesem Thema widmeten, zu bestaunen.
Gastro
Das Zürcher Natural Wine Taxi namens Bottle Drop hat quasi einen temporären Parkplatz gefunden. Irgendwo in der Idylle oberhalb des Friesenbergs an der Schweighofstrasse versteckt sich ending117 – eine Naturweinbar, die mit einem lauschigen Gärtlein lockt, in dem bis zum 24. August Open-Air-Kino-Nächte, Konzerte, Dinner oder rauschende Feste stattfinden. Wer gerne jede Woche eine Homeparty besuchen würde, aber ums Verrecken auf keine eingeladen ist, kommt hierher und schlürft sich in lockerer Stimmung unter knorrigen Bäumen durchs Menü aus 15 Naturweinen.
Schon wieder hat jemand Geburtstag: Am 30. und 31. August feiert das Experimental Gastronomy Studio Steinbeisser im Goetheanum in Dornach 100 Jahre biodynamische Landwirtschaft mit Elif Oskan und Selassie Atadika. Eigens für diesen Anlass kreieren die beiden Spitzenköchinnen im Kanton Solothurn ein rein pflanzliches Menü mit Erzeugnissen aus dem Garten des Goetheanums.
Wer die zwei sind? Mit ihrem türkisch-avantgardistischen Restaurant Gül hat Elif Oskan Zürich und den Rest der Welt in Windeseile erobert und sich 15 Gault-Millau-Punkte erkocht. Selassie Atadika gilt als eine der prominentesten Vertreterinnen der «Neuen afrikanischen Küche».
Was experimentelle Gastronomie ist? Das Studio Steinbeisser fragt: «Warum essen wir so, wie wir es tun, und geht es auch anders?» Künstler:innen suchen Antworten, indem sie neue Arten von Besteck, Geschirr und Textilien entwickeln, die mit Konventionen brechen. Dabei herausgekommen sind einzigartige Stücke aus organischen Materialien wie Sturmholz, Flachs, Mykorrhiza, Algen und Möhren, um das kulinarische Erlebnis auf unerwartete Weise zu bereichern. Die Stücke sind am Abend und auf jouwstore.com zu erwerben. Reservationen können unter [email protected] getätigt werden.
Zum Schluss noch eine Portion Family Business: Die beiden Köche Micha und Stefan Merz übernehmen bis 10. August die Exer-Bar an der Zürcher Tellstrasse, während sich die Original-Crew eine wohlverdiente Sommerpause gönnt. Aus Exer wird MExer. Vater und Sohn servieren in ihrem Pop-up von Mittwoch bis Samstag raffinierten Apéro und ein 4-Gang-Menu mit frischen, leichten Produkten, kleinen Twists und Überraschungen.
Theater
Die Landiwiese am Züriseeufer verwandelt sich vom 15. August bis zum 1. September wieder in ein Open-Air-Erlebnis voller Performances und Theateraufführungen. Auf 13 Bühnen spielen sich Künstler:innen übers diesjährige Zürcher Theater Spektakel. Highlights gibts en masse.
Das Festival eröffnet mit dem chorischen Theaterabend «Mothers. A Song for Wartime». Mit einundzwanzig Frauen aus Belarus, Polen und der Ukraine und einer kraftvollen musikalischen Theatersprache hat die polnische Regisseurin Marta Górnicka einen Weg gefunden, auf der Bühne über sexualisierte Gewalt gegen Frauen, über Krieg und über das Überleben zu sprechen.
Musik
Von 3.-17. August steht das Davos Festival dieses Jahr unter dem Motto «Utopia» und folgt der Verlockung, vergangene Fehler zu korrigieren, neue Spuren zu legen und die Zukunft positiv zu verändern. Doch die Utopie ist sprachlich betrachtet auch ein unerreichbares Ideal. In zahlreichen Kammermusik- und Solokonzerten erkundet das Ausnahme-Event vielfältige Zukunftsvisionen, sei es in Form von traumhaften, gescheiterten, bereits realisierten, alten oder neuen Ideen – mit Musik, die gekonnt die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft schlägt. Tickets gibts hier.
Am 23. und 24. sowie am 30. und 31. August findet an zwei Wochenenden das Zürich Openair 2024 statt. Diesmal mit Traum-Acts wie Sam Smith, Raye, Peggy Gou – und ESC-Gewinner:in Nemo.
Und jetzt mal tief durchatmen und glauben, was da nun geschrieben steht: Am Summerdays in Arbon nahe St. Gallen und Konstanz geben sich deutsche Legenden das Zepter (also das Mikrofon) in die Hand. Manche mögen es Trash nennen, wir (oder zumindest ich) nennen das den Gipfel der Popkultur: Am Openair, das am 30. und 31. August stattfindet, fragt HP Baxxter von Scooter ins Megafon, how much denn the fish sei und Tokio Hotel singt sich mit uns durch den Monsun. Zur Vorbereitung empfehlen sich die Netflix-Dokus «FCK 2020» und «Kaulitz & Kaulitz».
Ausserdem dabei: The Kooks, James Blunt, Bligg, Stress und Baschi. Tickets gibts hier.
Kino
Ein Openair auf der prachtvoll illuminierten Piazza Grande, das gibt es nicht in Cannes und nicht in Venedig, sondern nur in Locarno. Von 7.-17. August stehen 225 Filme auf dem Programm, darunter 104 Weltpremieren. Die Leinwand des 77. Locarno Film Festivals ist mal wieder eine der grössten der Universums, was darauf läuft, ist dieses Mal stark Schweiz-dominiert.
Filme wie «Electric Child» vom Regisseur Simon Jaquemet, der als Weltpremiere gezeigt wird, könnte von der Qualität her von überall herkommen. Tipp: Das Festival startet schon ganz ausserirdisch gut. Nämlich mit dem Prefestival am 4. August, bei dem der Spielberg-Klassiker «E.T.» gratis gezeigt wird. Tickets gibts hier.