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Die neuen Bond-Girls: Diese sieben Frauen unterstützen James Bond
- Text: Ulf Lippitz
- Bild: Universal Pictures
Endlich fertig Macho! Der «sexistische Dinosaurier» James Bond bekommt im neuen Film die Unterstützung, die er dringend braucht – von 007 Frauen.
James Bond und seine Frauen – das ist kein besonders emanzipatorisches Kapitel der Filmgeschichte. Jahrelang dienten ihm weibliche Geschöpfe vor allem als nette Ein- und Beischlafhilfen, taugten manchmal als Schutzschild im Kugelhagel und verstörten gelegentlich als biestige Kontrahentinnen. Bond ist eine Männerbastion im Kino-Universum, ein gigantischer Abenteuerspielplatz für toxische Männlichkeit, auf dem Frauen im besten Fall eines dürfen: der sinnliche Lohn aller Mühen sein.
Erst Daniel Craig spielt seit 2006 einen emotional verwundbaren 007, der mit einer Übermutter als Chefin (Judi Dench als M) und manch verlorener Liebe kämpfte. Langsam dringen Frauen in diese Welt vor, in die Hinterzimmer von Geheimniskrämern, in denen nicht nur der Zigarrenrauch abgestanden ist, sondern auch das Geschlechterverhältnis. Doch nun stehen die Vorzeichen gut, dass bald der weiblichste James-Bond-Film aller Zeiten in die Kinos kommen wird. Zumindest lassen das Geraune hinter den Kulissen und die wenigen bisher bekannten Szenen darauf schliessen. Vier Mal wurde der Film verschoben, nun soll er am 30. September starten. «No Time to Die» wird Daniel Craigs letztes Abenteuer im Dienste Ihrer Majestät sein. Und diese sieben Frauen helfen ihm dabei, es zu bestehen.
Lashana Lynch: Die Nachfolgerin
Die Medien überschlugen sich mit der Meldung: Lashana Lynch soll die neue 007 werden! Die Nachricht stimmt – und sie stimmt nicht. Die britische Schauspielerin rückt im neuen Film auf Bonds Stelle nach, der zu Beginn der Geschichte im selbstgewählten Ruhestand weilt. Als Geheimagentin Nomi erbt sie seinen Titel, ablösen wird sie Daniel Craig jedoch nicht.
Allerdings ist die 33-Jährige die erste Frau, der solch ein prestigeträchtiger Doppelnull-Status überhaupt zuerkannt wird, und dazu die erste Woman of Color. Viel mehr durfte Lashana Lynch bisher nicht über die Rolle verraten. Nur dass sich ihre ursprünglichen Bedenken, bloss «die Frau hinter Bond» zu spielen, nach einem Gespräch mit Barbara Broccoli auflösten.
Der Trailer verrät viel Selbstbewusstsein. Sie kommandiert den alten 007 herum: «Bleiben Sie auf Ihrem Platz!», hat genauso unterkühlte Auftritte wie er und wundert sich, dass dieser ausgemusterte Martini-Trinker wieder in den Dienst zurückkehrt. Stirbt oder überlebt sie? Bisher unklar. Jedenfalls schlägt sie ebenso gezielt um sich wie ihr Mitstreiter. Ist das der Beginn einer geschlechtergerechten Verteilung der Kampfmaschinen?
Léa Seydoux: Die Geheimniskrämerin
Grosse Liebe, grosses Geheimnis. Léa Seydoux verkörpert zum zweiten Mal das «Love Interest» von James Bond, die Psychologin Madeleine Swann. Sie schafft es nicht nur, den Agenten an sich zu binden, sondern auch, rätselhaft zu bleiben. Eigentlich wäre das ein Erfolgsrezept für jede funktionierende Beziehung, doch Mister Bond tickt halt anders.
Im Trailer sieht man, wie ein beleidigter 007 durch die Gassen der italienischen Stadt Matera fährt und eine etwas derangierte Swann ihn fragt: «Warum sollte ich dich betrügen?» Tja, wo anfangen? Hang zur Promiskuität, versteckter Alkoholismus, unübersichtliche Anzahl Feinde …
Es ist nach jetzigem Kenntnisstand ungewiss, ob diese Liebe bis ans Ende des Films trägt. Eines ist jedoch sicher: Bond scheint nicht mehr so leicht loszukommen von seinen Frauen. Die Französin spielt die erste Partnerin, die in zwei Verfilmungen auftaucht und integraler Bestandteil der Story zu sein scheint. Serielle Monogamie, das wäre doch mal ein ganz neues Abenteuer für James Bond.
Ana de Armas: Die Draufgängerin
Bond-Girl scheint keine Berufung mehr zu sein. Als die kubanisch-spanische Schauspielerin Ana de Armas das Angebot erhielt, in «No Time to Die» mitzuspielen, zögerte sie. «Bond-Girls wurden immer sexualisiert in der Vergangenheit», sagte sie in einem Interview. Darauf mochte sie nicht reduziert werden.
Zum Glück soll sie im Film keine Figur mit blossen Kurven, sondern rauen Kanten darstellen und Bond bei einer seiner Missionen helfen. Ana de Armas spielt Paloma, eine amerikanische Agentin, die in ihrem Kofferraum lieber Waffen hortet als Ausgehkleider und mit ihren Highheels Männer eher nicht um den kleinen Finger wickelt, sondern sie damit attackiert. Hoffentlich erleidet sie ein besseres Schicksal als einige ihrer Kolleginnen, die für ihren Einsatz an der Seite von Bond mit dem Leben bezahlen mussten.
Barbara Broccoli: Die Clan-Chefin
Daniel Craig geht, doch wer folgt ihm nach? Ist gar die Zeit reif für einen weiblichen Bond? «Wir sollten neue Rollen für Frauen schaffen, anstatt einfach einen Mann in eine Frau umzuwandeln », sagt Produzentin Barbara Broccoli. Sie muss es wissen, denn kaum jemand kennt Bond so gut wie sie. Zusammen mit ihrem Halbbruder Michael G. Wilson leitet sie die Filmproduktionsfirma Eon, die alle Bond-Filme verantwortet.
Die mächtige Produzentin hat den Job von ihrem Vater Albert geerbt. Ihrer Familie gehören seit 1961 die Filmrechte, die 61-jährige US-Amerikanerin wuchs mit dem Weltenretter auf. Als Kind dachte sie, er wäre so etwas wie ein verschrobener Verwandter, weil ihre Eltern ständig über ihn sprachen und manchmal am Tisch fragten: Wäre das ein Wein für Bond?
Heute hält sie mütterlich die Hand über ihren Schützling, engagiert Regisseure, bestimmt die Richtung der Filme und verhandelt das Merchandising mit. Die Bond-Saga gilt immerhin als erfolgreichste Filmreihe der Welt. 24 Filme haben insgesamt mehr als 16 Milliarden US-Dollar eingespielt. Barbara Broccoli findet, Frauen seien für den Beruf der Produzentin besonders geeignet. Weil sie aus ihrem Alltag das Multitasking kennen: Einkaufen, Wirtschaften, Kümmern.
Ihr ist es auch zu verdanken, dass Daniel Craig überhaupt noch einmal als Bond wiederkehrte. Nach dem letzten Spektakel «Spectre» verkündete der Schauspieler, er würde sich lieber die Pulsadern aufschneiden, als noch einmal die Rolle zu spielen. Barbara Broccoli liess ihren Darsteller zur Ruhe kommen und überredete ihn schliesslich doch. Das ist auch eine ihrer Geschäftsstärken, wie Daniel Craig sagt: Sie akzeptiert kein Nein.
Naomie Harris: Die Unterstützerin
Diese Rolle gehörte klassisch einer Frau: Miss Moneypenny, die Assistentin, Wegräumerin, Freischauflerin von Dienststellenchefin M. Zu Beginn der Filmreihe durfte die Frau an der Schreibmaschine putzige Einzeiler aufsagen, den Agenten anflirten und seinen Mantel aufhängen.
Zum Glück hat sich das Gefühlsspektrum über die Jahrzehnte gehörig erweitert. Allerdings schaffte es erst Naomie Harris, in dieser Figur einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Ihr vergurkter Einsatz als Feldagentin in «Skyfall» endete bekanntlich damit, dass sie Bond auf Befehl anschiessen musste. Als Moneypenny im neuen Film darauf angesprochen wird, antwortet sie lapidar: «Jeder versucht es wenigstens einmal.» Zuschauer:innen können nur hoffen, dass Harris im 007-Kosmos demnächst wenigstens zur Projektleiterin oder Personalchefin befördert wird.
Debbie McWilliams: Die Talentforscherin
Neben Broccoli ist kaum jemand so lang an den Verfilmungen beteiligt wie die Casterin Debbie McWilliams. Sie sei schon Teil des Mobiliars, hat sie einmal gescherzt, weil sie seit 1981 die Besetzung verantwortet und Mimen wie Timothy Dalton, Pierce Brosnan und Daniel Craig zu Bond-Ikonen machte. Sie zieht die Fäden im Hintergrund, wenn es darum geht, welche Schauspielerin das neue Bond-Girl sein soll und welcher Charakterdarsteller sich gut für den Bösewicht eignet. «In geheimer Mission» hiess ihr erster Film, bis auf wenige Ausnahmen hat sie alle Ausflüge von 007 betreut. Was sie damals für den Job qualifizierte: Sie hatte noch keinen Bond-Film gesehen und fühlte sich daher nicht vom überpotenten Image des MI6-Mitarbeiters eingeschüchtert.
Einen Bond-Film nannte sie in einem Interview mal eine «komplizierte Angelegenheit». Die Dreharbeiten dauerten sechs Monate, und die wenigsten Schauspieler:innen würden sich für solch einen langen Zeitraum verpflichten lassen (der Hauptdarsteller ausgenommen). Um die richtige Besetzung zu finden, fährt sie für Castings nach Berlin, Paris oder New York, selbst in der chilenischen Atacama- Wüste hat die 70-jährige Britin für «A Quantum of Solace» nach den richtigen Statist:innen gesucht. Ihr Ziel: Bis in die Nebenrollen sollen die Filme perfekt besetzt sein. Und auch wenn sie nichts verrät, wird sie vermutlich bereits einige Schauspieler scouten, die demnächst der neue James Bond sein könnten.
Phoebe Waller-Bridge: Die Geburtshelferin
Judi Dench durfte in ihrer Rolle als M ihren Untergebenen James Bond einmal einen «sexistischen Dinosaurier» nennen. War es dieses Image, das den Machern im Kopf herumspukte, als sie die Idee hatten, Phoebe Waller-Bridge für das Drehbuch an Bord zu holen? Ja, genau, die britische Schauspielerin und Autorin, der wir die quirlige, postfeministische und grenzkomische Comedyserie «Fleabag» verdanken.
Für sie sei damit ein Traum in Erfüllung gegangen, erklärte die 36-Jährige in einem Interview. Ihre Aufgabe habe jedoch nicht darin bestanden, den drei anderen männlichen Skriptschreibern «mit den Ladies» auszuhelfen, sondern die Geschichte etwas aufzupolieren. Was ein wenig den Aussagen von Lashana Lynch widerspricht. Sie gab an, dass sich beide Frauen trafen, um der Figur von Nomi mehr Tiefe und Modernität zu verleihen.
Ob das gelungen ist, weiss Phoebe Waller-Bridge noch nicht. Welche ihrer Dialoge es in die Endfassung geschafft haben, konnte sie bisher nicht überprüfen, sie hat das Projekt planmässig vor Drehbeginn verlassen. Trotzdem ist es eine Mini-Revolution: Waller-Bridge ist erst die zweite Frau, die an einer James- Bond-Verfilmung mitschreiben durfte. Ihre Vorgängerin Johanna Harwood arbeitete bei «Goldfinger» und «Liebesgrüsse aus Moskau» mit – und das ist schon 58 Jahre her.