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Die Netflix-Doku, über die alle sprechen: «Der Tinder-Schwindler» ist haarsträubend gut

Die Netflix-Doku, über die alle sprechen: «Der Tinder-Schwindler» ist haarsträubend gut

Die Netflix-Dokumentation «Der Tinder-Schwindler» porträtiert drei Frauen, die zum Opfer des Hochstaplers Simon Leviev wurden. Der Film ist hochspannend – und ein wertvoller Reminder für alle, die daten.

Die Liebesgeschichte von Cecilie beginnt wie in einem Hollywood-Film. Bei Tinder matcht sie mit Simon Leviev, dem Sohn eines milliardenschweren Diamantenhändlers. Im Internet präsentiert sich der gut aussehende Israeli als erfolgreicher Jetsetter und Unternehmer, für den Geld keine Rolle spielt. Die beiden treffen sich zum ersten Date in einem Luxushotel in London.

Dabei lädt er sie spontan ein, mit ihm im Privatjet nach Bulgarien zu fliegen, wo sein nächstes Businessmeeting wartet. «Ich dachte, ich wäre blöd, wenn ich nein sage», so Cecilie. Simon organisiert einen Rolls-Royce, in dem Cecilie nach Hause fährt, um kurz den Pass zu holen und zu packen. Am Flughafen wartet Simon mit einem Team mitsamt eigenem Bodyguard, zusammen steigen sie in den Privatjet. Cecilie kann ihr Glück kaum fassen. Simon ist charmant und offen – und sie baut schnell eine emotionale Bindung zu ihm auf. «Hier sitzt dieser Typ, der so erfolgreich ist, und zeigt sich mir so verletzlich», sagt Cecilie. «Ich dachte: Ist es das?»

Andere Frauen bezahlen für den Luxus

Cecilie ist eine von drei Frauen, die in der neuen Netflix-Doku «Der Tinder-Schwindler» von ihrer Erfahrung mit Simon Leviev erzählen. Diese verlaufen immer nach dem gleichen Muster: Er findet seine Opfer bei Tinder, lovebombt und manipuliert die jungen Frauen so, damit sie sich in ihn verlieben und nutzt sie schliesslich finanziell aus. Denn Simon Leviev heisst eigentlich Shimon Hayut und ist kein Sohn eines Milliardärs, kein «Prinz der Diamanten», wie er sich nennt, sondern ein verurteilter Betrüger und Hochstapler. Er lässt seine Online-Bekanntschaften glauben, dass sie einen reichen Unternehmer daten – in Wahrheit bezahlen andere Frauen, die ihm zum Opfer fielen, für den Luxus.

Dass auch Cecilie zu diesen Frauen zählen wird, ahnt sie anfangs noch nicht – sie ist Simon in kürzester Zeit verfallen und träumt von einer gemeinsamen Zukunft mit ihm. Die Zeichen dafür stehen gut, denkt sie: Simon offenbart Cecilie seine Liebe und erklärt, dass er eine Familie mit ihr gründen wolle. Während er angeblich geschäftlich auf der ganzen Welt unterwegs ist, sucht sie eine Wohnung für sich und ihren neuen Freund. Das Budget, das er setzt: 15 000 Dollar im Monat. «Ich fühlte mich speziell», sagt Cecilie. Alles scheint perfekt.

«Der Mann, den ich liebte, war nie real»

So schnell sie sich in Simon verliebte, so schnell wendet sich das Blatt für Cecilie: Eines Nachts schreibt ihr Simon, dass er angegriffen wurde. Das Diamanten-Business sei gefährlich und seine «Feinde» würden ihm drohen – seine Sicherheit sei gefährdet. Er müsse nun ihre Kreditkarte nutzen, damit er nicht verfolgt werden könne, so Simon. Das Geld werde er ihr, natürlich, zurückzahlen. «Er sagte mir, dass ich ihm dabei half, sicher zu bleiben», erzählt Cecilie.

Cecilie nimmt für Simon – auf ihren eigenen Namen – einen Kredit nach dem anderen auf. Und weiss nicht, dass ihr Freund mit einer anderen Frau in Mykonos feiert, während sie voller Sorgen um ihn zu Hause sitzt. Simon fordert immer mehr Geld von Cecilie, verschleudert 20 000 Dollar in drei Tagen. Und vertröstet sie mit der Rückzahlung. Am Schluss hat Cecilie für Simon rund 250 000 Dollar Schulden bei verschiedenen Banken angehäuft. Nach Wochen treffen sich die beiden wieder, Simon hat ihr einen Check ausgestellt. Doch dieser lässt sich nicht einlösen – als Cecilie ihn konfrontiert und ihr Geld einfordert, fällt seine Maske. «Ich habe ihn noch nie so kalt erlebt. Da war nicht mehr mein Freund, sondern nur noch Dunkelheit», sagt sie. Er fängt an, ihr zu drohen. Cecilie bekommt Angst vor ihm, weil sie nicht weiss, wozu er fähig ist. «Der Mann, den ich liebte, war nie real. Es war fürchterlich. Ich wollte, dass er echt ist. Ich kann nicht verstehen, wie jemand so verdammt böse sein kann.»

«Ich wollte nur helfen»

Der Verrat und die Schulden setzen Cecilie psychisch stark zu. Sie leidet unter suizidalen Gedanken und weist sich in eine Klinik ein. Später findet sie die Kraft, sich an die norwegische Zeitung «VG» zu wenden, die den Fall um Shimon Hayut mithilfe seiner Opfer publik macht. Cecilies Ziel: Sie will andere Frauen vor ihm warnen und Druck auf die Polizei ausüben, die nichts gegen ihn unternimmt.

Als der Artikel erscheint, melden sich weitere Opfer des Betrügers bei den Journalist:innen. Cecilie und die weiteren Frauen, die im Artikel vorkommen, werden derweil bei Social Media beschimpft und müssen sich anhören, wie dumm sie seien, dass sie es verdient hätten und wohl eh nur scharf auf Simons Geld gewesen wären. «Dabei würde ein echter Gold Digger nie nur einen Penny weggeben», sagt Pernilla, eine der betroffenen Frauen, die von Simon finanziell ausgenutzt wurde. «Ich konnte nie verstehen, wie man das Opfer beschuldigen kann. Ich wollte nur helfen.»

Manche Entscheidungen, die Cecilie und die anderen Frauen im Film treffen, lassen einen als Zuschauer:in ungläubig zurück. Trotzdem ist es viel zu einfach, ihnen Dummheit und Naivität vorzuwerfen. Denn Simons Schneeballsystem war perfide und ausgeklügelt – und er wusste genau, wie er seine Online-Bekanntschaften ködern musste: «Das erste Date war eine gute Art, sie dazu zu bewegen, ihm zu glauben, dass er sehr erfolgreich ist», erklärt Journalist Erlend Arntsen. «Er ist ein emotionaler Betrüger. Und er verspricht viel: eine gemeinsame Wohnung, Ferien, das Gründen einer Familie.» Er fragte immer erst nach rund einem Monat das erste Mal nach Geld. «Er nutzte den Monat, damit die Frauen sich in ihn verlieben, er beweisen konnte, dass er sehr reich ist und dann, um seinem Gegenüber Angst vor seinen Feinden zu machen.» So glaubten ihm die Frauen, dass er ihnen ihr Geld zurückzahlen werde – denn warum sollte das ein Milliardär nicht tun können? Mit dieser Masche betrog er mehrere Frauen weltweit um geschätzte 10 Millionen Dollar.

Der Tinder-Schwindler schwindelt noch immer

«Der Tinder-Schwindler» ist eine haarsträubende True-Crime-Doku, die mit den Aussagen der drei Frauen und mit zahlreichen Fotos, Video- und Audiodateien spannend und lebendig erzählt wird. Vor allem liefert der Film aber einen wertvollen Reminder an alle, die daten: Die Doku zeigt, wie wichtig es ist, beim Kennenlernen eines potenziellen Partners oder einer potenziellen Partnerin vorsichtig zu sein, Red Flags ernst zu nehmen und nichts zu überstürzen – besonders dann, wenn die ganze Begegnung zu schön scheint, um wahr zu sein.

Ausserdem zeigt der Film auf, wie schnell man in so eine Situation rutschen und Opfer von emotionalem Missbrauch werden kann. Denn natürlich ist der Fall um den Tinder-Schwindler extrem – aber Lovebombing, Manipulation und emotionaler oder narzisstischer Missbrauch sind real und passieren häufiger, als man denkt. Im Fall von Cecilie und den beiden anderen Protagonistinnen bedeutete dies neben dem finanziellen Ruin – die Frauen zahlen noch immer die Schulden ab, die er verursachte – auch ein Trauma, mit dem sie bis heute fertig werden müssen.

Shimon Hayut wirft den betroffenen Frauen vor, zu lügen und bestreitet jegliche Vorwürfe. Obwohl er in sieben Ländern bei der Polizei gemeldet wurde, sass er wegen Diebstahl und Betrug nur fünf Monate lang im Gefängnis und ist seit Ende 2019 wieder auf freiem Fuss. Bei Social Media postete er bis vor Kurzem weiter Bilder seines Jetset-Lebens und war wieder bei Tinder angemeldet. Die Dating-Plattform hat sein Profil als Reaktion auf den Netflix-Film gesperrt – bei anderen Apps wie «OkCupid» oder «Match.com» ist der Tinder-Schwindler ebenfalls nicht willkommen.

«Der Tinder-Schwindler» ist bei Netflix zu sehen.

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