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Diane Keaton: «Im Moment findet mein Leben ohne Männer statt»
- Text: Mariam Schaghaghi
- Bild: Alamy, Unsplash; Collage: annabelle
Diane Keaton gilt als Meisterin der romantischen Komödie. Lernt man dabei fürs Leben? Wir sprachen mit dem Hollywoodstar über Freiheit, Flirts und Märchenprinzen.
Niemand hadert auf der Leinwand schöner mit der Liebe als Diane Keaton. Spätestens seit sie 1977 in Woody Allens «Der Stadtneurotiker» zu sehen war, ist ihr besonderes Talent unbestreitbar. Auch in ihrem neuen Film widmet sich die Kalifornierin ihrer schauspielerischen Paradedisziplin.
In «Book Club – Ein neues Kapitel» begeben sich vier beste Freundinnen – wie im Vorgängerfilm spielt Keaton neben Jane Fonda, Mary Steenburgen und Candice Bergen – auf einen Trip nach Italien, hinein ins pralle Leben: Will man sich nochmal an die Ehe trauen? Die erste Liebe neu verführen? Und wie trennt man sich von der Asche des Verflossenen?
Es sind Fragen, die Diane Keaton theoretisch auch privat umtreiben könnten. Ihre Beziehungen zu Filmgrössen wie Al Pacino, Woody Allen oder Warren Beatty sind gut dokumentiert. Geheiratet hat Keaton nie, eine Familie gründete sie trotzdem: In ihren Fünfzigern wurde sie Mutter zweier Adoptivkinder. Während des Gesprächs wirkt die 77-Jährige tiefenentspannt und erklärt ihre Sicht auf Romantik, Freundschaften und ihr lieb gewonnenes Singleleben.
annabelle: Diane Keaton, wen oder was würden Sie als Ihre grösste Liebe bezeichnen?
Diane Keaton: Meine Mutter! Ganz klar. Danach käme gleich mein Vater. Aber erst sie: Dorothy Deanne Hall, die dann Jack Keaton heiratete. Sie hat uns vier Kinder aufgezogen, drei Mädchen und einen Jungen. Ich bin ja die Erstgeborene – trotzdem war ich sehr schüchtern, aber meine Mutter stand immer hinter mir und hatte ein offenes Ohr für meine Sorgen.
Gibt es noch andere Dinge, die Ihre Mutter zu dieser besonderen Person für Sie machen?
Sie hatte die Seele einer Künstlerin, liebte es, Collagen anzufertigen und spielte Theater. Als ich meine Mutter zum ersten Mal auf der Bühne sah, wollte ich sofort auch auf die Bühne. Doch sie wurde in eine Generation hineingeboren, in der sie nicht von der Kunst leben konnte. Auch mein Vater musste sich sein Geld als Bauingenieur schwer verdienen. Jedenfalls habe ich von meiner Mutter den Sinn für Kunst geerbt. Ihr habe ich auch meinen Kleidungsstil zu verdanken.
Ihren androgynen Dandy-goes-Marlene-Dietrich-Stil mit Hüten, Rollis und Handschuhen?
Ja, sie hatte nie etwas gegen meine schrillen Outfits einzuwenden. Im Gegenteil. Weil wir wenig Geld hatten, gingen wir oft zur Heilsarmee, wo ich in Secondhand-Klamotten stöberte. Meine Mutter nickte selbst bei meinen grössten Extravaganzen. Und wenn eine Hose zu gross war, hat sie sie geändert. Sie ermutigte mich, von der gängigen Norm abzuweichen. Sie sagte immer: «Sei du selbst und mach nicht das, was andere dir vorschreiben.»
«An den Märchenprinzen glaubt man wohl nur, wenn man jünger ist»
Hinter Ihrem Look vermutet man eher Profi-Stylist:innen. Natürlich erkennt man auch eine ausgeprägte Vorliebe für die Farben Schwarz und Weiss.
Ich habe es einfach immer geliebt, mich so anzuziehen. Aber ich glaube, gerade weil wir aufs Geld achten mussten, habe ich den Outfits so viel Bedeutung beigemessen. So wurde die Mode ein nicht unwichtiger Teil meiner Persönlichkeit.
Das leuchtet ein. Die Antwort auf die Frage nach Ihrer grössten Liebe kam hingegen doch etwas unerwartet. Lassen Sie mich anders fragen: Womit kann eine Person Ihr romantisches Interesse wecken?
Das Wichtigste ist natürlich ein guter Humor. Aber im Moment findet mein Leben ohne Männer statt, ich weiss es also nicht wirklich. Es gibt schon Freundschaften, aber halt keinen Lebenspartner.
Die Figuren, die Sie in Ihren Filmen spielen, sind in der Regel eher unbeholfen in Liebesdingen. Flirten Sie selber grundsätzlich gerne?
Meine Art des Flirtens ist eher ein Necken und Provozieren. Der intellektuelle Schlagabtausch macht mir am meisten Spass. Das ist meine Methode – meine einzige übrigens. Schon als ich jung war, beschränkte sich das Flirten bei mir auf Wortgeplänkel, während viele meiner Freundinnen Meisterinnen darin waren, über Augenkontakt ein Feuerwerk zu entzünden. (Lacht) Dazu war ich viel zu schüchtern.
Glaubten Sie je an die grosse Liebe? Dass es diese eine Person gibt, die das Schicksal einem vorbestimmt hat?
An den Märchenprinzen glaubt man wohl nur, wenn man jünger ist. Ich würde heute eher jemanden an meiner Seite haben wollen, der mit mir Schönes wie Schlechtes teilt, der mir beisteht. Einen Verbündeten.
Wie gefällt Ihnen die Vorstellung, dass eine Liebesgeschichte Ihr Leben nochmal kräftig aufmischen könnte?
Es geht so. Ich mag mein Leben mit seiner Routine und würde es nicht so gern durcheinanderwirbeln lassen.
Sie wären nicht bereit, von lieb gewordenen Gewohnheiten abzurücken?
Ich bin schon jemand, der sehr an seinen Vorlieben und Freiheiten hängt.
An Ihren – Verzeihung – Schrulligkeiten? Oder eher an Aktivitäten, die Sie nicht einschränken möchten?
(Lacht) Mein Leben besteht aus ganz unterschiedlichen Projekten, und das gefällt mir. Ich richte gern Häuser ein, inspiriert von Pinterest habe ich sogar selber ein Haus entworfen und ein Buch darüber geschrieben: «The House that Pinterest Built». Jetzt überlege ich, ob ich ein Buch mit meinen Fotos von lieblosen Schaufenstern herausgebe. Ich fotografiere viel. Ausserdem beschäftige ich mich sehr gern mit Wein. Ich verkaufe Rot- und Weissweine unter meinem Namen – The Keaton – mit schwarz-weissem Etikett.
«Jede Form der Liebe ist kompliziert. Es kommt einem nur weniger kompliziert vor, wenn man jünger ist und den anderen scharf findet»
Romantische Komödien, ein oft als banal verschrienes Genre, scheinen Sie zu Höchstleistungen anzuspornen. Warum passt das so gut?
Als Schauspielerin liefern gerade diese Geschichten wunderschön absurde, tragikomische Situationen, die es mir ermöglichen, die verschiedenen Facetten des Lebens darzustellen. Und ich glaube, dass dieses Genre so beliebt ist, liegt daran, dass der Traum, die Liebe des Lebens zu finden, einfach nicht totzukriegen ist.
Schlummert dieser Traum denn auch noch irgendwo in Ihnen?
Nein, ich muss so eine Geschichte nicht mehr am eigenen Leib erleben.
Warum?
Jede Form der Liebe ist kompliziert. Es kommt einem nur weniger kompliziert vor, wenn man jünger ist und den anderen scharf findet. Klar, man kann sich nie sicher sein, was das Leben noch für einen in petto hat. Selbst wenn man eigentlich nicht offen dafür ist, reicht manchmal schon eine einzige Entscheidung aus, und das Leben eröffnet eine ganz neue Perspektive.
Haben Sie sich auch bewusst gegen die Ehe entschieden?
Ich habe beobachtet, dass viele Frauen mit dem Ja-Wort auch ihr ganzes Leben mitsamt ihren Wünschen und Ambitionen an ihren Mann aushändigten. Ich war nicht bereit für diesen Einschnitt. Das bereue ich nicht, denn ich habe trotzdem – oder gerade deswegen – so viele unterschiedliche und tolle Erfahrungen machen können, mit Männern und Frauen. Ich konnte arbeiten, reisen und musste mich nie absprechen. Ich kann morgen nach Rom fliegen … Worauf ich übrigens wirklich Lust hätte. Wir haben dort ja «Book Club – Ein neues Kapitel» gedreht, und es war herrlich.
Abgesehen von Rom, wohin würden Sie gerne mal reisen?
Ich lebe in Los Angeles, bin auch hier geboren und Kalifornierin durch und durch. Als sich unser Vater ein kleines Haus am Strand leisten konnte, da war ich vielleicht 15, waren wir unglaublich glücklich. Das hat mich geprägt.
Auch in Bezug auf Ihre Reiselust?
Ich bin noch immer bescheiden und wenn ich reise, muss es in vernünftigen Dimensionen passieren. Jetzt reise ich erstmal gar nicht, sondern drehe hier in den USA einen kleinen Film.
Sie sind auch nach über fünfzig Jahren im Geschäft noch sehr in Ihren Job verliebt, oder?
Stimmt total. Ich liebe die Schauspielerei sogar so sehr, dass ich vor jedem Drehbeginn noch immer richtig heftiges Lampenfieber habe. Um mich über all das, was das blöde Hirn so an Ängsten produziert, hinwegzusetzen, hilft die Routine. Dann übernimmt die Erfahrung und all das Wissen der ganzen Jahre. Ich habe so ein Glück gehabt … Allein die wunderbaren Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet habe! Das ging los mit Woody Allen …
… den Sie also noch immer schätzen.
Ja. Woody Allen nimmt natürlich einen wichtigen Teil in meiner Karriere und meinem Leben ein. Ich finde es erstaunlich, dass er es geschafft hat, sich nie in seine Filme reinreden zu lassen, und das über so lange Zeit. Das hat ausser ihm keiner hinbekommen.
«Ich geniesse es, wie viele Frauen man heute in wirklich aussergewöhnlichen Rollen sieht»
Sie waren mit vielen der heute legendären Namen in Hollywood verbandelt. Beim Dreh von Francis Ford Coppolas «Der Pate» lernten Sie Al Pacino kennen. Was können Sie über ihn berichten?
Al kann stundenlang Shakespeare rezitieren. Er liebt Literatur und Theater und kehrt ja regelmässig auf die Bühne zurück. Das ist für einen Filmstar seines Kalibers sehr ungewöhnlich.
Ahnten Sie 1972, dass Sie in einem der grössten Klassiker mitspielen würden?
Auf keinen Fall! Das Ganze war extrem seltsam. Mir war das alles zu viel und zu gross. Während der ersten Hochzeitsszene wurde sogar echter Alkohol serviert und plötzlich waren alle betrunken. Ich war damals einfach nur überwältigt und kam mir völlig fehlbesetzt vor. Al übrigens auch, er dachte, er werde jeden Moment gefeuert. Es war seine erste grosse Rolle und er war total verunsichert. Besonders weil wir alle voller Andacht Marlon Brando beobachteten. Die Szene, als er mit Talia Shire tanzte … Er war einzigartig.
Mit einigen Kolleg:innen von früher sind Sie bis heute befreundet. Denken Sie, Freundschaften sind in der Branche auch heute noch möglich, trotz immer schärferem Wettbewerb?
Ich habe ein paar enge Freund:innen aus dem Showbusiness, der grössere Teil sind aber Menschen, die ich ausserhalb der Arbeit kennenlernte. An Sets formen sich Freundschaften nicht automatisch. Natürlich ist alles sehr freundlich, natürlich führt man auch mal längere Gespräche, aber es ist und bleibt der Arbeitsplatz. Vielleicht ist man auch misstrauischer, weil die Leute nun mal Darsteller:innen sind und einem verdammt gut was vormachen können. Profis eben.
Wer gehört denn zu Ihrer Gang?
Zu meinem engeren Kreis gehören zum Beispiel die Schauspielerinnen Carole Kane und Kathryn Grody. Beide kenne ich seit über dreissig Jahren.
Wie sehr hat sich die Branche gerade für Frauen verändert?
Sie hat sich definitiv zum Besseren verändert. Ich geniesse es, wie viele Frauen man heute in wirklich aussergewöhnlichen Rollen sieht. Wie Klischees und Stereotype in den Hintergrund treten und komplexe Figuren die Oberhand gewinnen. Auch Regisseurinnen haben heute viel bessere Chancen als damals. Und die haben nicht «nur Glück», sie sind wirklich beeindruckend. Schauen Sie sich Michelle Yeoh an, die in diesem Jahr den Oscar gewonnen hat, als erste Asiatin in der fast hundertjährigen Oscar-Historie. Sie hat uns gezeigt, dass niemand zum alten Eisen gehört.
Die Worte aus Yeohs Dankesrede könnten von Ihnen stammen: «Ladys, lassen Sie sich von niemandem sagen, dass Sie Ihre besten Jahre schon hinter sich haben.»
(Lacht) Ich habe mich sehr gefreut. Nicht nur für sie. Sondern für uns alle.
«Book Club – Ein neues Kapitel» läuft seit dem 11. Mai u.a. in folgenden Kinos:
Zürich: blue Cinema Corso
Winterthur: Kino Kiwi Center
Baden: Kino Trafo
Zug: Kino Seehof
Bern: Quinnie
Basel: kult.kino atelier